Auf dem Weg nach Albanien (2023)

Reisezeit: September - November 2023  |  von Andreas Kirchner

Shqipëria

Wir erreichen das Ende von Montenegro. Das im Nordosten, dort wo Plav liegt und Gusinje der letzte Ort vor der albanischen Grenze ist. Der Weg dorthin ist beschwerlich, zumindest, wenn man wie wir die R-24 über Katun Vranjak nimmt – Teil der montenegrinischen Panoramastraße No. 1 von insgesamt vier Panoramarouten. Hier oben ist Montenegros Skigebiet, es geht mit Liften bis auf 2072 m hoch. Mit dem Auto sind nur etwa 1600 m zu bewältigen. Es sind aber weniger die Serpentinen der Anstiege und Abfahrten, es ist der grauenhafte Zustand der Straße, der uns häufig nötigt, nicht schneller als 30 km zu fahren. Es ist eng, kurvig und es hat Gegenverkehr. Von hinten drängeln PS-starke Montenegriner, von vorne kommt ein uralter Laster mit Schlagseite. Zu guter Letzt kommt uns ein Trupp Straßenarbeiter entgegen, die Meter für Meter kleine Häufchen Teer aus einem vorausfahrenden Laster in die größeren Schlaglöcher schütten, das Häufchen glatt harken und mit einer Ein-Mann-Dampfwalze platt bügeln. Worauf der Trupp einen Meter weiter rückt. Kein Vorbeikommen für uns. Montenegrinische Autofahrer sehen das anders und quetschen sich routiniert zwischen Laster, Arbeiter, Dampfwalze und Böschung hindurch. Nun, wir warten, bis der Trupp an uns vorbei ist, was unsere Durchschnittsgeschwindigkeit nochmals mächtig drückt.

Wir verbringen zwei Tage in Plav mit Genuss-Radeln zur Ali-Pascha-Quelle und zum Wasserfall Vodopad Grlja., bevor es dann endgültig weiter geht nach Albanien.

Die albanische Grenze

Die albanische Grenze

Und inzwischen sind wir seit acht Tagen hier. Begrüßt wurden wir von der großartigen Bergwelt im Vermosh-Tal, das wir durchfahren, um am Ende des Tals am Skadar-See ein paar Tage auszuruhen. Tatsächlich waren wir bislang noch nie so lange an einer Stelle wie hier – einfach nur, um mal eine Zeitlang nicht unterwegs zu sein. Und um so nach und nach in dieses Land einzutauchen. Aber dieses Land macht es uns nicht leicht, es lieben zu lernen.

Ruhige Tage am See

Ruhige Tage am See

Natürlich fällt als erstes der Müll auf, der hier allgegenwärtig ist – in unzähligen Reiseberichten im Internet steht genug darüber. Und für uns jahrzehntelang auf Mülltrennung getrimmt Deutsche ist es auch wirklich ein Kraftakt, nicht ständig den Kopf zu schütteln über all die Umweltsünden, denen man hier auf Schritt und Tritt begegnet – man bekäme ein Schleudertrauma. Es ist ja nicht allein der Müll, der überall herumliegt, und mit "überall" meine ich überall, selbst im kristallklaren Wasser eines Bergflusses im bildschönen Prekaltal, dass wir an einem Tag hochradeln – total begeistert vom Tal und dem wilden Flusslauf der Kir.

Der meiste Müll liegt im Übrigen dort, wo Container aufgestellt wurden, aber man scheut sich auch nicht, seinen Müll die nächste Böschung hinunter zu schmeißen – auch wenn dies die Uferböschung eines wunderschönen wilden Flusses ist. Es ist zugleich auch die Müllverbrennung, die hier und dort hinterm Haus betrieben wird. Und da der Großteil des Mülls aus Plastiktüten und -flaschen besteht, kann man sich leicht vorstellen, wie es in Albanien immer wieder mal stinkt. Niemand kann hier seine Kinder nach getanen Hausaufgaben mal "raus an die frische Luft" schicken – vergiss es!

Wenig liebenswert an Albanien sind auch die testosteronprallen Machos mit ihren spiegelnden Sonnenbrillen in ihren abgedunkelten schwarzen Mercedes-Limousinen, die den Verkehr hier dominieren. Nicht wenige von ihnen lieben dröhnende Auspuffe, aufheulende Motoren und rasante Beschleunigungen – alles drei zusammen eine akustische Stichwaffe und ein visuelles Horrorszenario, wenn damit ein riskantes Überholmanöver verbunden ist. Sie lieben nicht nur Fast & Furious, sie leben es!

So, und das liebenswerte? Nun ja, einige Dinge sind schon sehr bemerkenswert an diesem Land. Beispielsweise, dass sie 12 religiöse Feiertage im Jahr haben – weil alle religiösen Feste der unterschiedlichen Glaubensrichtungen von allen gefeiert werden. So ist es auch kein Problem in der albanischen Gesellschaft, wenn Paare unterschiedlicher Religionen miteinander heiraten. Wieso auch?

Und die Albaner und Albanerinnen sind freundlich und an uns interessiert. Wir werden im Vorbeigehen gegrüßt, in ein Gespräch verwickelt, ins Blumengeschäft hereingebeten, um die Pracht der Gestecke zu bewundern, im Schreibwarenladen mit Tipps versorgt und mit zwei Kugelschreibern als Geschenk verabschiedet. Nirgends fühlen wir uns zu etwas genötigt, nirgends werden wir belästigt. So sind es neben den Bergen wohl die Menschen hier, die Albanien – Shqipëria, wie es in ihrer eigenen Sprache heißt -liebenswert machen. Wir werden sehen.

© Andreas Kirchner, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Tour mit dem Wohnmobil nach Albanien
Details:
Aufbruch: 16.09.2023
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 14.11.2023
Reiseziele: Kroatien
Montenegro
Albanien
Slowenien
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 8 Monaten auf umdiewelt.
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