Auf dem Weg nach Albanien (2023)
Tirana
Wir sind gespannt auf Albaniens Hauptstadt, unser nächster Stopp. Für Wohnmobilisten nicht gerade ein Mekka. 15 km außerhalb gibt es einen Campingplatz, in der Stadt nur den Parkplatz des Hotel Baron. Wir wählen letzteres und sind froh, dass es noch einen freien Platz gibt. Nicht gerade eine Idylle, aber uns steht ein Badezimmer im Hotel zur Verfügung und die Anbindung an die Stadt ist super.
Vor dem Haus hält die Linie 8 und bringt uns für den Einheitspreis von 40 Lek – ungefähr 40 Cent – in die Innenstadt. Wir steigen in den Bus, zahlen beim Schaffner und lassen uns das Ticket zwei Minuten später von einem Kontrolleur gleich nochmal kontrollieren. Wer wird hier kontrolliert: wir, ob wir auch ein Ticket gekauft, oder der Schaffner, ob er uns auch ein Ticket gegeben hat? Aber keine Tarifzonen, kein komplizierter Ticketautomat, keine Zehner-, Tages- oder Touristenkarte, nix. Uns fällt unsere Odyssee vom letzten Jahr in Porto mit dem andante-Ticket ein und wir denken: so einfach kann es sein!
Tirana ist eine 1-Millionen-Stadt, und das ist nicht übersehbar. Kein Vergleich mit dem Provinzstädtchen Podgorica. Diese Stadt ist modern und protzt mit Hochhäusern. Na ja, teilweise modern: die Busse sind ausrangierte Exemplare aus Frankreich und Deutschland. Neben den neuzeitlichen Hochhäusern – eines bildet mit seiner Fassade das Konterfei von Mutter Teresa nach, was wir aber nicht wirklich erkennen können – gibt es reichlich Baustellen und -ruinen. Aber der weltstädtische Glanz überwiegt und wir sind darüber schon sehr überrascht. Im ärmsten Land Europas hätten wir so viel Kapital nicht erwartet.
Wir lassen uns treiben und landen als erstes bei der Pyramid of Tirana. Was für Cheops recht war, sollte für Enver Hoxha, dem paranoiden Diktator der kommunistischen Zeit, billig sein. Zwar sollte diese Pyramide, 1988 von seiner Tochter und Architektin Pranvera Hoxha mitgestaltet und erbaut, nicht sein Grab, aber ein Museum ihm zu Ehren und zum Gedächtnis sein. Und das teuerste bis dato errichtete Gebäude Albaniens. Keine drei Jahre später war das kommunistische Regime Geschichte und keinem stand mehr der Sinn nach einem Hoxha-Museum. Die Pyramide wurde Konferenzzentrum, NATO-Hauptquartier im Kosovo-Krieg, Radio-Station, Ausstellungssaal und Busstation, verkam am Ende zusehends zu einem Lost Place. Die einen wollten es schließlich abreißen und an seiner Stelle ein neues Parlamentsgebäude oder eine neue Oper errichten. Die anderen wollten es erhalten – und setzten sich durch. Es wurde saniert und umgebaut und ist sechs Jahre darauf ein grandioses und einzigartiges Gebäude geworden! Es besitzt in unseren Augen durchaus den Anspruch darauf, das unverwechselbare architektonische Wahrzeichen Tiranas zu werden.
Nur wenige Meter weiter, auf der anderen Seite der Lana, die die Stadt durchfließt, treffen wir auf das Denkmal einer der wenigen universal bekannten albanischen Persönlichkeiten: Mutter Teresa. Nun gut: Agnes Gonxha Bojaxhiu, wie sie mit weltlichem Namen hieß, ist in Skopje, Nordmazedonien, geboren und besaß die indische Staatsangehörigkeit. Aber sie ist das Kind einer albanischen Familie, und Nordmazedonien war zur Zeit ihrer Geburt Teil Albaniens. Somit gehört sie ins albanische Inventar und das Land ist stolz auf sie.
Wir besuchen das House of Leaves, quasi die albanische Stasi-Zentrale in kommunistischer Zeit, und schließen uns danach der Free-walking-Tour an, um noch mehr über die Stadt Tirana und das Land Albanien zu erfahren. Und hören, dass der größte Exportartikel, den Albanien besitzt, die Albaner selbst sind. Etwa eine Millionen Albaner haben seit Ende der Diktatur das Land verlassen. Und wir hören, dass man gerne der EU beitreten möchte – wenn es da nicht ein paar Regeln gäbe, die zu befolgen wären, zum Beispiel die Korruption erfolgreicher zu bekämpfen. Es scheint schwer, die Auflagen für einen EU-Beitritt in absehbarer Zeit zu erfüllen und die Albaner*innen sehen dem Ergebnis gleichermaßen entgegen wie dem Bau der neuen Hochhäuser: kann sein, sie werden fertig – oder auch nicht.
Die Stadt macht Spaß, sie ist quirlig, laut und unaufgeregt. Bei den Geschäften überwiegen noch die eigenen Marken und nicht die multinationalen Ketten, die dazu führen, dass sich Einkaufsstraßen in Paris, Berlin und Madrid nicht mehr voneinander unterscheiden. Das erste ausländische Produkt, dass in Albanien nach dem Fall der Diktatur ohne Einschränkung eingeführt werden durfte, war Coca Cola. Man habe laut Tourguide zur damaligen Zeit seine Wohnung mit so viel Colaflaschen wie möglich geschmückt, um zu zeigen, dass man nun international angekommen sei. Eine verständliche Reaktion, wenn man weiß, dass alle albanischen Haushalte praktisch vollkommen identisch aussahen, weil sie ausnahmslos alle mit den im Land hergestellten Möbeln ausgestattet waren. Es gab nicht viel und für alle dasselbe. Heute ist alles vertreten und das internationale Angebot mündet in eine achtstöckige Shopping Mall im Zentrum.
Wir bleiben einen weiteren Tag, fahren mit der Seilbahn auf den Hausberg von Tirana – immerhin eine Fahrt von mehr als einer Viertelstunde – und ziemlich bald wieder runter. Hier oben gibt’s nichts, was uns länger festhält – auch nicht die attraktive Schießbude vor dem Eingang zur Bergstation.
Wieder unten, besuchen wir den nebenan gelegenen Bunk’Art 1. Dies ist ein fünfstöckiger Bunker, gebaut für Enver Hoxha und seine politische Riege, um bei einem Atom- oder Giftgasangriff Schutz unter der Erde zu finden. 106 dunkle, fensterlose Räume, schmale Gänge, stickige Luft – man müsste sich sorgfältig überlegen, ob man sich wirklich hier unten für wie lang auch immer verkriechen möchte, bis die Luft oben wieder rein ist. Da kann auch der große Veranstaltungssaal nichts ausrichten.
Für Enver Hoxha selbst war der Bunker wohl auch nicht so einladend. Nur zur Einweihung hat er mal einen Blick hineingeworfen, danach hat er den Bunker nicht mehr betreten. Auch, weil es zum Glück nie einen ernsten Grund dafür gab.
Aufbruch: | 16.09.2023 |
Dauer: | 9 Wochen |
Heimkehr: | 14.11.2023 |
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