Burkina Faso im Schnelldurchgang - ein westafrikanisches Tagebuch
Bobo-Dioulasso
Freitag, 23.11.2001
Es könnte alles so schön sein! Aber als ich nach einem kleinen Frühstück im Hotel auf der Straße erscheine, lauern mir schon wieder jede Menge selbsternannter Führer und fliegende Händler auf. Sie sind hier besonders hartnäckig, auch sehr unsymphatisch. Ich will heute morgen den Kampf mit den Behörden wieder aufnehmen, wegen der Fotoerlaubnis, obwohl mir die Sache total lächerlich vorkommt und mir eine solche Erlaubnis auch wenig nützen wird. Ich finde das Touristenamt auch ohne Führer schnell, obwohl sich einer von ihnen überhaupt nicht abschütteln läßt.
Was nun in der nächsten Stunde folgt, verbuche ich unter der Rubrik "Lustige Erfahrungen eines Alleinreisenden mit westafrikanischen Behörden". Im Tourist Office treffe ich zunächst zwei Damen, die von einem offiziellen Foto-Permit noch nichts gehört haben. Aber vielleicht ihr Chef. Der muß im Nebenzimmer erst geweckt werden, erklärt mir dann aber, ja, so etwas gibt es tatsächlich, aber nicht hier, sondern im Ministerium für Transport und Tourismus des Distriktes Bobo-Dioulasso, am Stadtrand. Ich vermute, das ist eine reine Schutzbehauptung, um mich loszuwerden. Ich bedanke mich herzlich, frage aber noch, was man hier in der Umgebung ansehen könnte. Das hätte ich besser nicht tun sollen. Nun wird er richtig wach, preist Bobo und die Region in höchsten Tönen, erklärt mir jede touristische Sehenswürdigkeit ausführlichst, und als er nach ca. einer halben Stunde endlich fertig ist, bin ich genauso schlau wie vorher, ich habe nämlich so gut wie nichts verstanden.
Die Taxifahrt zum besagten Transportministerium erscheint mir zwar sinnlos, ich bin aber trotzdem neugierig. Immerhin gelingt es mir so, auch noch meinen letzten Verfolger abzuschütteln. Der Taxifahrer ist gut, er findet das Gebäude tatsächlich, es macht von außen, erst recht von innen eher den Eindruck eines Gefängnisses. Das scheinen auch die Mitarbeiter so zu sehen, sie stehen lieber laut schwatzend davor auf dem Rasen, kaum ein Büro ist besetzt. Mein Permit erhalte ich tatsächlich, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Von einer dicken Dame, die allerdings erst noch eine Weile mit einer ebenso beleibten Kollegin in ihrem fensterlosen Verließ, das klein, aber vollgepackt ist mit alten Akten, plaudert. Ich stehe derweil artig in der Ecke und warte. Als ich endlich dran bin, überträgt sie jeden Buchstaben meines Reisepasses kunstvoll in ein vorgefertigtes Formular, haut einen Stempel drauf und übergibt es mir -oh Wunder- mit dem Anflug eines Lächelns. Ich bin dreist, sage prima, dann kann ich sie ja gleich mal knipsen und zücke meinen Fotoapparat. Da wird sie unfreundlich und verweist mich des Zimmers. Ich haue schnell ab.
Auf dem Rückweg lasse ich mich am Musée du Houet absetzen, zumindest etwas Kultur kann nicht schaden. Das Museum, im Reiseführer überschwenglich angepriesen, ist ein Witz. Dort sind ca. 20 alte Musikinstrumente, Werkzeuge u.a. ausgestellt, jeweils mit einer kurzen französischen Erläuterung. Es kostet 3 DM Eintritt, die Fotografiererlaubnis kostet extra, 1,50 DM, allerdings erklärt mir der Aufseher drinnen, Fotografieren wäre hier verboten ! Ein schlechter Scherz ! Draußen sind noch zwei typische Wohnhäuser der Bobo- und Lobi-Stämme aufgebaut, aber schon halb verfallen. Das war alles. Toll. Die andere Museen werde ich wohl auslassen.
Es ist schon fast Mittag, die Sonne brennt, es ist knallig heiß, ich habe Durst und den ganzen Vormittag mit irgendwelchem Mist vertrödelt. Zum ersten Mal frage ich mich, ob das Reiseziel Burkina Faso wirklich eine gute Wahl war. Das Land hieß ja früher Haute-Volta, Obervolta, hat sich dann in Burkina Faso umbenannt. Das bedeutet soviel wie Land der Aufrechten, Ehrbaren oder Unbestechlichen. Gut, manche der Zeitgenossen, die ich kennen gelernt habe, waren damals noch nicht geboren oder noch sehr jung. Da will ich mal mildernde Umstände gelten lassen. Ich habe gelesen, daß sich Burkina mit einigen Nachbarstaaten zusammengeschlossen hat, um eine gemeinsame Tourismusförderung zu betreiben und damit die Deviseneinnahmen zu erhöhen. Mit solchen Schikanen, wie ich sie seit gestern erlebt habe, wird das schwierig werden. Oder sollen dadurch nur die Einzelreisenden fern gehalten werden, will man lieber nur die gut zahlenden Reisegruppen im Lande sehen ?
Um es vorwegzunehmen, solche Gedanken habe ich hier zum ersten aber auch zum letzten Mal gehabt. Ab sofort wird schlagartig alles wieder besser, schon mit der ersten eiskalten Cola, die ich am Straßenrand trinke. Danach gönne ich mir ein leckeres Essen am Swimming-Pool des angeblich besten Hotels in Burkina, dem Hotel L'Auberge, mache Siesta und dann gehts wieder auf Wanderschaft, ich durchstreife die einzelnen Viertel der Stadt, tauche wieder in das Gewirr der Gassen, Menschen und Märkte ein.
Bobo-Dioulasso ist wirklich schön, nicht in unserem europäischen Sinne schön, aber hier herrscht ein besonderes Flair, breite Straßen mit schattenspendenden Bäumen, auch viel Verkehr, aber nicht so hektisch wie in Ouaga, alles ziemlich relaxed. Im Zentrum mit den Hotels viele recht gemütliche Straßencafes, angenehmeres Klima, nicht ganz so heiß wie in Ouaga, und dann natürlich die Stadt als riesiger Markt mit seinen Menschen. Alle freundlich, sogar die Schlepper haben mich nun akzeptiert und belästigen mich nicht mehr. In einem kleinen, dem einzigen, Reisebüro buche ich eine Tour für den nächsten Tag, um auch die Umgebung mal zu erkunden, und am späten Nachmittag gelange ich nach einem wieder ausgedehnten Fußmarsch zur alten Moschee Dioulassoba, im tyischen sudanesischen Baustil, der alten afrikanischen Lehmarchitektur, 1880 errichtet. Der Vorsteher führt persönlich durch die Moschee, auf dem Dach hat man einen schönen Blick über die angrenzenden Wohnviertel und die angeschlossene Koranschule.
In Bezug auf das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften scheint mir Burkina Faso eines der letzten Paradiese zu sein. Von Problemen zwischen Mohammedanern, Christen und Animisten habe ich nichts gehört und nichts gespürt, fanatische Islamisten gibt es nicht. Es ist gerade Ramadan, der heißt hier Kareem. Das öffentliche Leben wird dadurch aber kaum beeinflußt, ganz anders als in Arabien. Man sieht allerdings überall Moslems bei den vorgeschriebenen Gebeten. Woran man auch merkt, daß Ramadan ist, sind die Sirenen jeweils bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang.
Hinter der Moschee liegt das älteste Wohnviertel der Stadt, Kibidoué. Es ist alles perfekt durchorganisiert. Kommt man aus der Moschee, wartet schon ein Guide, man bezahlt 1,50 DM Besuchsgebühr und der Guide führt den staunenden Besucher durch das enge Gassengewirr mit seinen aus Stein gebauten, aber oft schon zusammengefallenen Häusern, man kann in die Innenhöfe, in die Wohnräume schauen, das Abendessen wird zu dieser Zeit überall gerade auf den Kochstellen draußen zubereitet, kleine Kinder kommen und die Leute lassen sich teilweise auch fotografieren. Mit Guide kein Problem, aber man muß vorher fragen. Wir gelangen schließlich zum Fluß mit einem großen Platz davor, dem Marigot Wé. Dort waschen die Frauen, meist junge, gerade ihre Wäsche und sich selber. Ich will mich dezent wieder zurückziehen, aber mein Führer bedeutet mir, ruhig mitzukommen. Wir gehen an ihnen vorbei, sie beachten uns kaum, seifen sich in aller Ruhe weiter ein und spülen sich dann mit dem dreckigen Flußwasser ab.
Frauen bei der Wäsche.
Mittlerweile ist es dunkel geworden, nach dem Rundgang steht der obligatorische Besuch eines Souvenirladens an, schöne Stücke, Figuren aus Holz und Bronze, Masken, wie in Ouaga, aber ich kaufe nichts. Pas de Problème.
Abends hätte ich gern wieder Henk dabei gehabt, aber der sitzt wahrscheinlich schon im Flieger. Ich gehe allein essen, danach abwechselnd Cola oder Bier in einem Cafe oder an einer Bretterbude, durch die Straßen promenieren, Trinken, und alles wieder von vorne. Heute ist Freitag, Wochenende also, aber nicht sehr viel los. Ich treffe auch die große Schwarze von gestern Nacht wieder, nach dem dritten oder vierten Mal begrüßt sie mich schließlich auf englisch. Nanu. Bei einer Cola erzählt sie, daß sie aus Liberia kommt und seit kurzer Zeit erst hier ist. Vivienne heißt sie, 22 Jahre. Das ist aber doch nicht dein richtiger Name, frage ich. "Nein, eigentlich heiße ich Maria." Sie fragt, wie lange ich in der Stadt bleibe, ich erzähle, daß ich morgen eine Tour zum Nilpferd-See machen will. Oh, das wird bestimmt interessant, ich vermute, daß sie gleich fragt, ob sie mitkommen darf, sie sagt aber, daß sie morgen auf dem Markt ihr Gemüse verkaufen muß. Wir verabreden uns locker für Samstag abend. Sie sieht zwar auch gut aus, vor allem aber spricht sie Englisch.
Aufbruch: | 19.11.2001 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 29.11.2001 |