Burkina Faso im Schnelldurchgang - ein westafrikanisches Tagebuch

Reisezeit: November 2001  |  von Uwe Decker

Heimweg mit Verzögerungen

Dienstag, 27.11.2001

Mein Bus fährt um 14 Uhr ab. Also genug Zeit für meine Lieblingsbeschäftigung. Spazieren gehen. Das tue ich ausgiebig, schaue mir noch einmal die sehenswerten Gebäude hier an, den schicken Bahnhof im Moscheestil, schneeweiß, die alte Moschee und eigentlich zum ersten Mal auch den Grand Marché. Der war vor ein paar Jahren abgebrannt, nun hat man Container hingestellt, es wirkt ein wenig steril, gefällt mir nicht ganz so gut, die umliegenden Straßen sind lebhafter. Danach bin ich ziemlich durchgeschwitzt, also noch schnell eine Dusche, das Zimmer habe ich noch bis Mittag, dann ab zum Busbahnhof.

Die Buschtaxis fahren aus der Stadtmitte ab, die Busbahnhöfe der großen Busgesellschaften liegen am Stadtrand. Hier geht es ziemlich geordnet zu, nicht so chaotisch wie in Accra, wo man ohne fremde Hilfe keine Chance hatte, den richtigen Bus zu finden.

Der Bus fährt pünktlich ab, sieht noch recht neu aus, mit Klimaanlage und Video und ziemlich leer. Die Preise sind auch recht gesalzen, 23 DM für die 5 Stunden Fahrt, 350 Kilometer, wer kann sich das hier schon leisten ? Immerhin gibt es ein belegtes Brötchen und eine Dose Cola als Verpflegung inklusive, da braucht man nicht den Hähnchenservice der Marktfrauen in Anspruch zu nehmen. Unterwegs wird ein Brutalo-Actionfilm mit Dolf Lundgren gezeigt. Der findet im Bus viel Aufmerksamkeit. Zum Schluß kommt es zum großen Showdown mit makabren Prügelszenen und viel Blut. Die Einheimischen quieken vor Vergnügen. Vielleicht sollte man hier doch mal ins Kino gehen.

Nach exakt 5 Stunden Fahrzeit erreichen wir Ouaga, und ich logiere wieder im Hotel Central.

Abends wieder das "übliche" Programm, Zaka Club, Pili-Pili, Jimmy's.
Auf dem Weg dorthin habe ich noch eine interessante Begegnung. Irgendwie schaue ich wohl ein Mädchen auf einem Moped zu lange an, sie dreht um, hält an und stellt sich vor, Sarah Goua, 24. "Gehst Du ins Hotel ?", "Soll ich mitkommen ?", "10.000". Als ich sie etwas verwirrt anschaue, sagt sie, es klingt wie eine Entschuldigung, sie wäre Studentin, Informatik, kommt gerade von der Uni. Das Studium wäre teuer, 250.000 CFA pro Semester, das sind knapp 800 DM . Da kann sie Geld gut gebrauchen. Als Beweis nimmt sie ihre Tasche vom Rücksitz, holt ihre Hefte und Lehrbücher heraus und blättert sie vor meinen Augen durch.

Mittwoch, 28.11.2001

Abreisetag. Denke ich. Ich packe meine Sachen und besorge noch ein paar persönliche Mitbringsel, Musik-CDs und heimische Bierflaschen. Die kann ich zuhause auf dem Küchenschrank zu den anderen stellen. Mehr nicht. Ich habe keine Lust auf weiteres Gefeilsche um irgendwelche Masken, Holzelefanten, Bronzefiguren, Schmuck oder sonstiges, wo man doch am Ende viel zu viel bezahlt. Feilschen liegt mir nicht.
Ansonste lasse ich es ruhig angehen, checke aus, meine Lieblingsrezeptionistin verabschiedet mich mit Handschlag und Lächeln. Dieses Mal gibt es aber keine Geschenke. Ist auch nicht für immer. Bin bald wieder da.

Am Airport bin ich ziemlich pünktlich, trotzdem ist in der kleinen Abfertigungshalle schon jede Menge los. Das Check-In dauert endlos, trotz Computer werden sämtliche Belege, Bordkarten usw. per Hand ausgefüllt. Ich habe bis zum Abflug noch Zeit, gehe zu Fuß, es sind nur 5 Minuten, bis zu einigen Straßencafes in der Ave. Nkrumah und bestelle mir ein letztes Mal ein Bier. Denke ich. Als ich wieder am Flughafen bin, steht eine große Menschenmenge vor dem Air France Büro. Erst allmählich wird mir klar, daß der Flug heute ausfällt. Warum ? Keine Ahnung. Angestellte schreiben die Namen der Passagiere auf und wo man sie erreichen kann. Wir sollen morgen um 15.30 Uhr wiederkommen.

Ich habe im Verlauf meiner Reise festgestellt, daß man als Urlauber in Afrika schnell die Leidensfähigkeit der Einheimischen übernimmt. In Afrika braucht man Zeit. Alles geht langsam, dauert, in der Bank, im Tourist Office, im Restaurant, im Biergarten, überall.
Ich mache mir, nachdem der erste Schreck vorbei ist, keine großen Gedanken. Dann fliege ich halt morgen, fahre zurück ins Hotel Central bzw. gehe zurück, ist ja nicht so weit und ich habe ja auch nur noch mein Handgepäck dabei und mache mir noch einen schönen Abend hier. Pas de Problème.

Der Abend wird tatsächlich sehr angenehm. Im Zaka Club spielt heute abend eine gute Gruppe, so eine Art afrikanische Popmusik, auch etwas Reggae. Der Sänger ist ein lustiger Vogel, macht dauernd seine Späße mit dem Publikum, seine Begleitsängerinnen können zwar nicht singen, aber dafür um so toller tanzen. Auch das heute etwas zahlreichere Publikum ist gut drauf, eine große Gruppe junger Weiße, vielleicht aus einem Workcamp. Ich sitze dieses Mal allein am Tisch, kein Wüstenspezialist, auch keine Agnès, Gott sei Dank. Die hatte ich aber in der Hotellobby vorhin getroffen und mich durch den Nebenausgang rausgeschlichen.

Aufs Pili-Pili habe ich heute nun wirklich keine Lust mehr, ich gehe auf der anderen Straßenseite im Halbdunkel vorbei und mache Rast im "Cafe du Sport", einem sehr modern eingerichteten Lokal mit vorwiegend jungem Publikum. Auch jetzt um Mitternacht ist es noch sehr gut besucht.

Es passiert, was ich erwartet habe. Ich bleibe nicht lange allein. Eine Schwarze setzt sich ungefragt zu mir an den Tisch und fängt ein Gespräch an, zuerst etwas plump. Sie heißt Marie-Therèse, 25 Jahre, kommt aus Douala. Aha, aus Kamerun, noch ein neues Land. Sie spricht extra etwas langsamer, gibt sich Mühe mit der Aussprache -eigentlich die erste im gesamten Urlaub-, so daß ich ganz gut folgen kann, und es entwickelt sich eine nette Unterhaltung. Am Ende wartet sie noch mit einer Neuerung auf. Sie fragt nicht, ob wir zusammen in mein Hotel gehen wollen, sondern schlägt vor, zu ihr zu fahren, in ihr Appartment am Stadtrand. Ist mir zu weit, sage ich, außerdem muß ich noch meine Koffer packen und früh aufstehen. Versteht sie, fragt aber noch nach einem "cadeau". Hm, ich habe ja nichts mehr. Doch, ich ziehe meine letzten kleinen Haribo-Tütchen, die mit der bunten Mischung aus meiner Hosentasche. In einer sind einige kleine rote Herzchen aus Weichgummi. Na das paßt ja. Marie-Therese ist entzückt. Sie bekommt auch noch meine letzten Karamelbonbons, damit ist mein Süßigkeitenvorrat, den ich von zuhause mitgebracht habe, endgültig zu Ende. Sie versorgt mich noch mit dem, was heutzutage wichtig ist, auch in Ouagadougou, Anschrift (es gibt hier nur Boxes postales, Postzustellung ist unbekannt), Handynummer und e-mail Adresse. Tatsächlich empfängt mich bei Arbeitsbeginn in Deutschland bereits die erste mail von ihr. Meine letzten CFA reichen gerade noch für die beiden Cola und das Taxi. Morgen muß ich gleich zur Bank.

Donnerstag, 29.11.2001

Als ich mich frühmorgens zur Bank aufmache, wollte ich ja eigentlich schon wieder zuhause in Deutschland sein. Kommt halt manchmal anders, als man denkt, besonders hier in Afrika. Nach einem Telefongespräch mit Waltraud und dem Abrufen meiner E-mails erfahre ich, daß der Flieger heute geht und ich auch schon umgebucht bin auf den Anschlußflug in Paris. Das beruhigt.

Mein letztes Mittagessen nehme ich in einem weiteren bekannten Restaurant ein, dem "Verdoyant", leckere Pizza, Mangomousse, Bier, Kaffee, für allerdings knapp 20 DM.
Das Lokal gehört einem Europäer, wie alle guten Restaurants der Stadt. Das Lokal ist zur Mittagszeit gut gefüllt, fast alle Tische in einem schönen Innenhof sind belegt. Alles Weiße, ein paar Touristen, aber vor allem Geschäftsleute. Man trifft sich hier. Drei jüngere Franzosen am Nebentisch behandeln die schwarzen Kellner ziemlich herablassend, haben an allem etwas auszusetzen, lassen das meiste zurückgehen.

Kürzlich habe ich in einer Zeitschrift einen Bericht gelesen über "Expats" in Ouagadougou, meist ehemalige Entwicklungshelfer, die hier geblieben sind und sich selbstständig gemacht haben. Einige haben Restaurants wie das Verdoyant eröffnet, die gut laufen, andere kleine Computerfirmen. Große Reichtümer können sie hier nicht ansammeln, aber sie sind zufrieden. "Mit 3000 bis 5000 Mark im Monat bist du hier der King", sagte einer von ihnen. Glaube ich, trotzdem, in Ouagadougou leben ? Niemals, 6 Monate, höchstens, dann bist du vergiftet.

Am Flughafen sehe ich als erstes ein Flugzeug der Air France auf dem Rollfeld stehen. Prima, der Flieger ist schon mal da. Das Einchecken zieht sich wieder elendig lange hin, die Warterei macht mir aber überhaupt nichts aus, wir sind ja in Afrika.

Wir fliegen um 18.30 Uhr los, werden erst um 5 Uhr in Paris sein. Bei einem Zwischenstop in Bamako/Mali sammeln wir Touristen ein, die schon seit Tagen auf dem Flughafen campieren. Es herrscht gerade Krieg zwischen Air France und Air Afrique um die Vormachtstellung in Westafrika. Jeder bestreikt jeden. Wer darunter leidet, sind natürlich die Fluggäste. Im Flugzeug gehen mir die Leute, wieder fast alles Weiße, fast alles Franzosen, mächtig auf die Nerven. Ich kann auf einmal kein Französisch mehr hören.

Auf dem Flughafen Charles de Gaulle in Paris habe ich plötzlich Panik, daß ich meinen Anschlußflug nach Frankfurt nicht erreiche, werde ziemlich unruhig, hektisch. Unruhe ? Hektik ? Während der 10 Tage in Afrika ein Fremdwort. Aber wir sind ja wieder in Europa.

Der Airbus nach Frankfurt ist ziemlich leer. Während des Fluges und der zahlreichen Warteschleifen über Frankfurt habe ich Zeit, über meine Reise nachzudenken. Wie war es eigentlich in Burkina ? Hat es sich gelohnt ? Auf jeden Fall. Es war schön. Interessant. Aufregend allemal. Abenteuerlich. Es wurde nicht nur eine Städtereise, Ouaga - Bobo und zurück, ich habe viel mehr von Land und Leuten gesehen als erwartet. Ich bin glücklich, das Wagnis Burkina eingegangen zu sein. Und auch ein wenig stolz, das so gut gemeistert zu haben. Aber ich hätte doch gern besser Französisch gesprochen, um mich besser unterhalten zu können. So war ich oft allein, konnte meine vielen Eindrücke mit niemandem teilen. Abgesehen von Henk. Und Maria natürlich. Das habe ich unterschätzt. Vielleicht schreibe ich ja über meine Reise mal ein Tagebuch. Für mich, um das Erlebte noch einmal in Ruhe zu verarbeiten. Und für die Anderen, die mich meist für verrückt erklärt haben, wenn ich ihnen erzählt habe, ich fahre nach Ouagadougou. Und die doch wie nie zuvor dieses Mal besonders neugierig sind, was ich denn dort erlebt habe ...

© Uwe Decker, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Reise durch Burkina Faso im November 2001.
Details:
Aufbruch: 19.11.2001
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 29.11.2001
Reiseziele: Burkina Faso
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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