Burkina Faso im Schnelldurchgang - ein westafrikanisches Tagebuch
Ein Ausflug in die Umgebung
Samstag, 24.11.2001
Pünktlich um 7 Uhr holen mich der Chef vom Reisebüro, Abou, gleichzeitig Fahrer und ein extra für mich engagierter englischsprachiger Guide vom Hotel ab. Ich finde 100 DM für die Tagestour recht teuer, Handeln war aber nicht drin. Am Ende des Tages denke ich anders darüber, schon der Wertverlust des Allrad-Jeeps wird bei dem, was er heute mitmachen muß, um ein Vielfaches höher sein.
Die Vormittagstour wird toll. Ziel ist der Bala-See, in dem Nilpferde leben, ca. 60 km von Bobo entfernt. Geteerte Straßen werden wir heute nicht mehr sehen, sie bestehen zunächst noch aus rotem Sand und Lehm, teilweise mit riesigen Löchern übersäht, so daß die Autos, Mopeds und Fahrradfahrer immer kreuz und quer auf der Straße fahren, mal links, mal rechts, und manche gefährliche Situation mit dem Gegenverkehr zu bestehen ist. Die Radfahrer sind die Schwächsten, sie können sich oft nur mit einem Sprung in die Büsche retten, wenn wir heranbrausen. Echt brutal. Bei der Fahrt aus der Stadt hinaus sehe ich über Kilometer hinweg endlose Kolonnen von Frauen, Bäuerinnen, auch Kinder, die ihre Waren auf dem Kopf tragen und morgens viele Kilometer in die Stadt gehen, um sie auf dem Markt zu verkaufen, abends dann den gleichen Weg zurück. Jeden Tag. Das ist Afrika, wie man es sich vorstellt ! Dazu gehören auch die Viehherden, Rinder oder Ziegen, die auf den Straßen nur widerwillig den Autos Platz machen und natürlich die Buschtaxis, oft schrottreife Peugeout 504, die die kleineren Orte bedienen, mit Personen voll gestopft werden, bis kein Blatt mehr dazwischenpaßt.
Buschtaxi.
Das Gepäck wird auf dem Dach zusammengebunden, die Aufbauten erreichen oft schwindelerregende Höhen und sorgen für eine abenteuerliche Schieflage der Fahrzeuge. Manchmal bleibt für mitreisende Tiere kein Platz mehr und so werden kleine Ziegen und Hühner einfach außen angebunden.
Dann geht es von der Piste ab in den afrikanischen Busch. Manchmal ist noch ein Weg zu erkennen, manchmal nicht. Es geht über Stock und Stein, durch niedriges Buschwerk, durch metertiefe Löcher. Das arme Auto ! Ohne 4x4 ist man hier rettungslos verloren. Mitten in der Botanik dann vereinzelte kleine Ansiedlungen, runde Lehmbauten, für Menschen, Vieh und Getreide. Vor allem Frauen in ihrer bunten Kleidung, auf den Feldern, beim Holzsammeln, beim Kochen.
Am See selbst leben nur ein paar Fischer. Auf einer Piroge staken uns zwei von ihnen mit langen Stangen durch den See. Unberührte Natur, unendliche Ruhe. Wenn nicht Abou dauernd quasseln würde. Im hinteren Teil des Sees dann erblicken wir ca. 30 bis 40 Nilpferde, meist in Ufernähe im Wasser liegend und irgend etwas mampfend. Eine Familie mit Nachwuchs kommt auch raus an Land und grast die Büsche ab. Lustig ist das Schnauben der Tiere, das trotz der Entfernung sehr laut zu hören ist.
Ist schon faszinierender als die traurigen Hippos in ihren engen Gehegen zu Hause im Zoo. Die Fischer nähern sich ihnen bis auf ca. 50 Meter. Näher nicht, Hippos sind gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Dann tauchen sie ab, werfen das Boot um und beißen zu. Die meisten Menschen in Afrika werden von Nilpferden getötet, nicht von Löwen. Auch hier am See gab es schon Unfälle. Vor zwei Jahren wurde der letzte Fischer von einem Nilpferd getötet. Sie sind hier absolut wild, nicht an Menschen gewöhnt. Der Respekt vor den Tieren ist deutlich zu spüren.
Zurück in Bobo sind wir gegen Mittag. Wir essen in einem typischen Lokal, das auch von vielen Einheimischen in der Mittagspause besucht wird, Riz gras au poisson, gebratener Reis mit Fisch, lecker, für 2 DM.
Nach der Siesta steht das Nachmittagsprogramm an. Wir fahren zunächst nach Koumi, einem Dorf 18 km von Bobo, in dem die Menschen weitgehend autark nach alten Traditionen leben. Nur wenige Besucher sind zugelassen. Mein englischsprachiger Guide, seinen Namen habe ich leider vergessen, erklärt mir den Aufbau des Dorfes, das aus meist zweigeschossigen Lehmhäusern besteht und entsprechend der jeweiligen Berufe in verschiedene Viertel unterteilt ist. Man sieht kleine Kinder auf dem Dorfplatz beim Kreiselspiel, Frauen beim Hirsestampfen, das typische poch - poch Geräusche verursacht, die auch immer zu hören sind, wenn man sich im Busch in der Nähe von Ansiedlungen befindet, alte Männer beim Holzschnitzen und Schmiede bei der Waffenproduktion, meist Speere, aber auch Gewehre. Frauen kommen vom Holzsammeln oder Wäsche waschen zurück.
Auffällig sind auch die vielen Fetische, die an jedem Haus angebracht sind, als Schutz vor bösen Geistern oder um die Geister gnädig zu stimmen. - Also, um ganz ehrlich zu sein, richtig auffällig ist für den ahnungslosen Besucher zunächst einmal gar nichts. Bis man darauf hingewiesen wird, daß es sich hier um Fetische handelt. Daß um die Fenster weiße Farbe gestrichen ist als Schutz vor den Geistern, das kennt man ja vielleicht. Fenster gibt es hier in den Hütten aber gar nicht. Und wer kann denn schon ahnen, daß z.B. Federn, die über den Hauseingang geklebt sind oder kleine spitze Türmchen auf den Dächern solche Fetische darstellen. Fetisch kann hier alles sein, man muß nur dran glauben. Sehr eindrucksvoll finde ich auch Räume, die in die Erde gegraben worden sind. Der Eingang ist nur durch ein kleines Loch möglich, hinuntersteigen kann man nur an einem dünnen Stab, in den Einkerbungen als Tritte für die Füße geritzt worden sind. Echt halsbrecherisch, der Abstieg. Immerhin sind die Höhlen ca. 4 Meter tief. Dort unten ist es angenehm kühl, erklärt mein Führer, sie dienen den Frauen als Kommunikationsraum. Da sitzen sie dann und tratschen, wie es Frauen halt überall auf der Welt gerne tun. Gut und schön, denke ich, aber muß das denn in so einem düsteren Verließ sein, wo man seine Gesundheit aufs Spiel setzen muß, um überhaupt hinunterzugelangen. Naja, Frauen halt, die kann man manchmal schwer verstehen. Mein Weltbild gerät allerdings in Gefahr, als wir 10 Meter weiter ein weiteres, genau gleiches Verließ sehen. Mein Führer erklärt, der wäre für die Männer ...
Danach geht es zur "Copacabana" Bobos, La Guingette, einer unterirdischen Quelle, aus der ein Fluß entspringt mit recht starker Strömung. An einer etwas breiteren Stelle kann man gut schwimmen, eine der wenigen Bademöglichkeiten in Burkina Faso ohne Bilharziose-Gefahr.
Im Reiseführer steht, das wäre ein beliebtes Ausflugsziel am Wochenende, wir bleiben aber die einzigen Besucher dort.
Abends habe ich mich mit meinem "Engländer" im "Le Bambou" verabredet, ein Open Air Lokal mit Livemusik, heute mit Percussion Band, d.h. es ist wieder trommeln angesagt. Auf dem Weg dorthin treffe ich Viviènne/Maria, sie will nachkommen. Die Band reißt mich nicht gerade vom Hocker, die in Ouaga war besser, aber viele Jugendliche gehen begeistert mit.
Wenn es besonders wild wird, springen ab und zu junge Mädchen in kurzen Röcken auf die Bühne und tanzen so wild und ekstatisch, daß man Hände und Füße nicht mehr unterscheiden kann, wie man sich halt Afrikaner beim Buschtanz vorstellt. Das halten sie aber nur kurze Zeit durch und unter dem Gejohle der Zuschauer springen sie von der Bühne. Das Ganze wirkt auf mich etwas bizarr, aber ich begreife, daß die Jugend hier nicht nur auf westliche Rockmusik fixiert ist, sondern auch ihre traditionellen Tänze hochhält. Und das ist auch gut so.
Mein "Engländer" verabschiedet sich schließlich, und im Hintergrund wartet schon Viviènne. Ich hatte sie bereits an der Bar sitzen sehen, sie kam aber nicht an unseren Tisch. Ich bin schon gespannt auf die Discos hier. Ich bin zwar leidenschaftlicher Nichttänzer, höre aber gern laute Musik und sehe besonders gern den Leuten beim Tanzen zu. In Accra war ich fasziniert, wie die Schwarzen, besonders natürlich die Frauen, sich zur Musik bewegen können, dort war an jedem Tag der Woche irgendwo was los. Hier nicht, hier ist Provinz, auch am Samstag sind die Discos und Night-Clubs nicht gerade voll. Wir gehen in die beiden derzeit angesagtesten, das "Casa" und "Macoumba", jeweils 2.500 CFA Eintritt pro Paar, 1 Getränk pro Person inclusive. Im "Casa" sind sehr viele einheimische, auch ältere Paare, die "happy few", die sich die stolzen Preise leisten können. Im "Macoumba" herrscht dagegen ein eklatanter Frauenüberschuß. Wenn man keine besonderen Ambitionen hat, ist es gut, wenn man mit Partnerin auftaucht, dann wird man in Ruhe gelassen, in Accra wie in Bobo, sonst nicht, siehe Ouaga.
Ich erzähle Viviènne/Maria, daß ich morgen nach Banfora fahre. Sie möchte gern mitkommen, war noch nie dort, soll schön sein, besonders die Wasserfälle. Als sie hört, daß ich nicht allein fahre, sondern bei meinem Guide die Tour gebucht habe und erst fragen muß, ob es dann mehr kostet, nimmt sie aber Abstand davon. Ist auch schon spät, sie kann morgen ausschlafen. Morgen ist kein Markt.
Aufbruch: | 19.11.2001 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 29.11.2001 |