Westaustralien 2004
Westcoast
Durch karge Farm- und Küstenregionen fahren wir weiter nach Norden. Ein heftiger Sturm tobt über das ausgetrocknete Land, doch zeigt sich am Himmel nicht die kleinste Spur einer Wolke. Von Horizont zu Horizont blinkt und blitzt das Firmament in Neon blau. Nach einem kurzen Einkauf in Jurien legen wir den 5. Gang ein und lernen, Australien zu erfahren. Die gut 200 Kilometer bis Geraldton (einer "echten" Stadt) sind in 2 Stunden bewältigt. Ausserhalb der Ortschaft ist Verkehr auf der Strasse quasi nicht existent, so dass sich das Autofahren auf den teils schnurgeraden Strassen darauf beschränkt, auf der linken Fahrbahnseite zu bleiben, die Böschung nach Kängurus abzusuchen und die Uhr zu beobachten, wie die Zeit verrinnt. Den Kilometerzähler des Wagens braucht man nicht mehr zu beachten. 100 Kilometer sind einer Stunde.
Hinter Geraldton halten wir erneut auf die Küste zu und suchen den Kalbarri N.P. auf. Leider gibt es in dem Park selbst keine Campingmöglichkeit. So müssen wir auf einen kommerziellen Camping in Red Bluff ausweichen. Wie wir später erfahren, haben einige Nationalparks ihre Campsites mangels Nachfrage geschlossen. Die Australier - Offroad-, Angel- und Naturverrückt wie sie sind - bevorzugen doch lieber den Komfort eines kommerziellen Platzes mit Stromanschluss, fliessend Wasser und Sanitäranlagen. Dass dabei das Erlebnis Natur weitgehend verloren geht, fällt Menschen, die in einer solchen Umgebung, die nur aus Natur pur besteht, gar nicht auf. So sind wir anscheinend die einzigen, die der ununterbrochene Lärm des Kühlaggregats des Campingrestaurants stört.
Der Kalbarri N.P. ist regelrecht zweigeteilt. Neben beeindruckenden Aussichtspunkten an der Steilküste lockt die wilde Schlucht des Murchinson River, der das weiche Gestein des Umlandes tief eingeschnitten hat. An der Steilküste haben wir leider keine echte Freude. Angriffslustig und todesverachtend stürzen sich ganze Heerscharen von Fliegen auf uns. Obwohl wir uns unter unseren Kopfnetzen verschanzen, zerrt das penetrante Gebrumme der Plagegeister und die von der dunklen Leiberwolke eingeschränkte Aussicht an unseren Nerven. Abwehrmassnahmen wie das ungezielte zusammenklatschen der Hände über dem Kopf (Trefferquote 5 bis 10 Brummer) gibt einem zwar die Befriedigung, sich irgendwie gewehrt zu haben. Weniger Fliegen werden es deswegen jedoch nicht. Wir flüchten zurück ins Auto und kämpfen dort noch einige Zeit weiter, bis wir die Lufthoheit zurück erlangt haben.
Klippen im Abendlicht bei Kalbarri
Am Natures Window, einem kleinen Natursteinbogen, der den Einstieg in die Schlucht des Murchinson River markiert, sind die Verhältnisse zum Glück etwas besser. Im Schatten, bei etwas Durchzug können wir sogar die Netze vom Kopf nehmen und die grossartige Natur ohne Maschen vor der Nase geniessen. Zum wandern sind wir dann aber für den Fliegenschutzwall wieder sehr dankbar. Anstatt pausenlos hilflos mit den Armen um den Kopf zu fuchteln, können wir in den Canyon absteigen und etwas am Fluss entlang spazieren. Krokodile gibt es hier keine. Die kommen erst ab Broome im hohen Norden. Dafür fallen uns etliche Papageienarten in den Eukalyptusbäumen auf. Ihr farbiges Gefieder steht in nahezu unwirklichem Kontrast zur weissen, plastikartigen Rinde der Bäume.
Zurück zur Hauptstrasse müssen wir den Wagen wieder 20 Kilometer über bösestes Wellblech treiben. In den australischen Nationalparks wird anscheinend nicht nur die Natur konserviert sondern anscheinend auch der berüchtigt schlechte Zustand der Pisten. Kurz vor der Asphaltstrasse übertönt dann ein metallisch dumpfes knacken all die anderen Surr-, Klirr- und Klappergeräusche des Wagen. "Das hört sich aber gar nicht gut an" kann ich gerade noch zu Joly sagen und merke dann schon ein eigenartiges Pumpen in der Bremse. Auf dem Asphalt (bei geradezu studiohafter Geräuschlosigkeit) können wir das einzig verbliebene Geräusch klar der Hinterachse auf der Beifahrerseite zuordnen.
Im Schneckentempe eiern wir zurück nach Kalbarri. In der kleinen Ortschaft telefonieren wir zunächst mit der Autovermietung und lassen uns grünes Licht geben für einen Besuch einer örtlichen Garage. Im Kalbarri Auto Center (einem zwei Mann Betrieb mit sensationell geringem Ordnungssinn) werden wir freundlich empfangen. Glen - einer der beiden Brüder, die die Garage betreiben - setzt den Wagen sofort auf eine Hebebühne und demontiert das Rad. Meine Hoffnung bewahrheitet sich. Der Schaden ist gering. Es hatten sich lediglich beide Haltebolzen der Bremsbacken verabschiedet. Anscheinend war bei der letzten Reparatur (Radlagerwechsel, wie wir bei der Wagenübergabe erfahren hatten) vergessen worden, die Bolzen ordnungsgemäss einzukleben. Auf der Wellblechpiste haben sie sich dann losgerappelt und schliesslich ganz verabschiedet.
Kalbarri N.P.
Am Natures Window, einem kleinen Natursteinbogen, der den Einstieg in die Schlucht des Murchinson River markiert, sind die Verhältnisse zum Glück etwas besser. Im Schatten, bei etwas Durchzug können wir sogar die Netze vom Kopf nehmen und die grossartige Natur ohne Maschen vor der Nase geniessen. Zum wandern sind wir dann aber für den Fliegenschutzwall wieder sehr dankbar. Anstatt pausenlos hilflos mit den Armen um den Kopf zu fuchteln, können wir in den Canyon absteigen und etwas am Fluss entlang spazieren. Krokodile gibt es hier keine. Die kommen erst ab Broome im hohen Norden. Dafür fallen uns etliche Papageienarten in den Eukalyptusbäumen auf. Ihr farbiges Gefieder steht in nahezu unwirklichem Kontrast zur weissen, plastikartigen Rinde der Bäume.
Zurück zur Hauptstrasse müssen wir den Wagen wieder 20 Kilometer über bösestes Wellblech treiben. In den australischen Nationalparks wird anscheinend nicht nur die Natur konserviert sondern anscheinend auch der berüchtigt schlechte Zustand der Pisten. Kurz vor der Asphaltstrasse übertönt dann ein metallisch dumpfes knacken all die anderen Surr-, Klirr- und Klappergeräusche des Wagen. "Das hört sich aber gar nicht gut an" kann ich gerade noch zu Joly sagen und merke dann schon ein eigenartiges Pumpen in der Bremse. Auf dem Asphalt (bei geradezu studiohafter Geräuschlosigkeit) können wir das einzig verbliebene Geräusch klar der Hinterachse auf der Beifahrerseite zuordnen.
Im Schneckentempe eiern wir zurück nach Kalbarri. In der kleinen Ortschaft telefonieren wir zunächst mit der Autovermietung und lassen uns grünes Licht geben für einen Besuch einer örtlichen Garage. Im Kalbarri Auto Center (einem zwei Mann Betrieb mit sensationell geringem Ordnungssinn) werden wir freundlich empfangen. Glen - einer der beiden Brüder, die die Garage betreiben - setzt den Wagen sofort auf eine Hebebühne und demontiert das Rad. Meine Hoffnung bewahrheitet sich. Der Schaden ist gering. Es hatten sich lediglich beide Haltebolzen der Bremsbacken verabschiedet. Anscheinend war bei der letzten Reparatur (Radlagerwechsel, wie wir bei der Wagenübergabe erfahren hatten) vergessen worden, die Bolzen ordnungsgemäss einzukleben. Auf der Wellblechpiste haben sie sich dann losgerappelt und schliesslich ganz verabschiedet.
In einem Berg alter Schrauben suche ich nach Ersatz. Das passende Feingewinde mit entsprechender Schraubenlänge zu finden entwickelt sich zur berühmten Suche im Heuhaufen. Nur dass ich mir die Finger dabei deutlich dreckiger mache. Schliesslich finden sich zwei Bolzen, die uns vorübergehend aushelfen. Für den nächsten Morgen hat Glen die Originalteile aus Geraldton bestellt.
Fünf Minuten nach acht Uhr stehen wir am nächsten morgen wieder am Kalbarri Auto Center und sind gespannt, ob Glen und die Ersatzteile schon da sind. Zu unserem Erstaunen, ist Glen schon mitten in der Arbeit. Die Front des Ford Falcon Mietwagen, der vor der Garage steht ist weitgehend zerstört. Blut ist bis über das Wagenheck gespritzt. Die Fahrerin, eine ziemlich übergewichtige, ältere Dame ist völlig aufgelöst und sorgt sich um das Auto, den Vermieter, das Känguru, das Blut und urplötzlich auch noch um den Schlüssel ihres Wagens, den sie bei aller Aufregung gerade im Kofferraum des Fords eingeschlossen hat. Bevor die Dame gleich selbst noch zum Notfall wird, versuchen wir sie zu beruhigen. Glen mag zwar ein guter Mechaniker zu sein, würde aber wohl erst merken, dass der Frau und nicht nur dem Wagen was fehlt, wenn er beim nach Hause Weg am Abend über den eigentlich unübersehbaren Körper stolpert.
Während Joly die Frau zu beruhigen sucht, suche ich einen Weg in den Kofferraum des Wagens. Der Mittelsteg der Rückbank lässt sich zwar öffnen, aber nur ein Kleinkind hätte eine reelle Chance, in den Kofferraum zu krabbeln. Während Glen bereits Hammer und Stemmeisen bereit legt, rappelt sich die Fahrerin auf und greift zur Bedienungsanleitung des Wagens, wo eine kleine Abbildung zeigt, dass der Kofferraum mittels eines versteckten Hebels geöffnet werden kann. So wird erst der Schlüssel geborgen, dann der Wagen bewegt und keine 20 Minuten später sind wir mit den neuen Bolzen an der Hinterachse auf dem Weg zur Shark Bay.
Pelikane in Monkey Mia
Der Shark Bay Maritime Park, 600 Kilometer nördlich von Perth, wird von der Unesco als Weltnaturschutzgebiet angesehen. Dementsprechend hoch sind unsere Erwartungen, als wir von der Nationalstrasse 1 zur Halbinsel nach Denham abbiegen. So klein die Halbinsel auf der Karte auch ist, so sehr verdeutlichen die 129 zu fahrenden Kilometer bis Denham, welch aussergewöhnliche Dimensionen der Kontinent zu bieten hat. Nach einem kurzen Stop bei den Stromatoiden von Hamelin (älteste noch lebende Organismenform) zieht es uns zur Shelly Beach, einem Wunder der Natur. Auf einer Länge von fast 2 Kilometern besteht der Strand aus unzähligen kleinen, weissen Muscheln, die bis in eine Tiefe von 10 Metern reichen. Warum diese Unmenge Muscheln sich gerade an diesem Standabschnitt so häuft, ist ungeklärt. Phantastisch ist der Ort allemal. So weit der Reiseführer. Leider durften bis weit in die 90er Jahre Touristen, Einheimische und Reiseunternehmen mit ihren Fahrzeugen den Strand befahren und haben dabei einen Grossteil der Faszination dieser Küste zerstört. Viele Löcher zeugen zudem vom (verbotenen) Abtransport der Muscheln. So strikt Australien sonst bei seinen Naturschönheiten ist, so unverständlich ist es, dass das Fahren auf dem Strand nicht früher verboten wurde, bzw. überhaupt gestattet war. Aber auch in Australien scheint das Motto: "Freie Fahrt für freie Bürger" Vorfahrt zu haben.
Der in der Nähe gelegene Francois Perron N.P. im Herzen der Shark Bay ist unser nächstes Ziel. Im Reiseführer als "Mekka für an einzigartiger Flora und Fauna interessierte Besucher" beschrieben, sind wir recht enttäuscht über den monotonen, flachen Strauchbewuchs. Zumindest halten die tiefsandigen Fahrspuren einen allzugrossen Besucherandrang ab. Zumindest finden wir für den Abend einen schönen Nachtplatz direkt am Meer, wo wir zum Abendessen die Füsse unter dem Tisch in der Meeresbrandung baumeln lassen können.
Auch die Rundfahrt durch den Park erweist sich als wenig ergiebig. Zwar finden wir an der Nordspitze der Halbinsel eine grosse Vogelkolonie am Strand, die wird jedoch bald von einem direkt am Strand vorbei knatternden Motorboot aufgescheucht und in alle Winde zerstreut. In manchen Ecken des Parks müssen wir zudem gut aufpassen, uns im butterweichen Sand nicht festzufahren. Ohne richtigen Schwung und auf der kleinen Piste zwischen den Sträuchern eingeklemmt ist das ein reelles Risiko im Park, welches wir gerne vermeiden wollen, zumal Sandbleche nicht zur Ausrüstung des Wagens gehören und in Australien nahezu unbekannt sind. (Statt dessen hätten wir ja die prächtige Winde, mit der wir einen Strauch nach dem anderen ausreissen könnten, wenn auch das Luftablassen nicht mehr hilft.)
Wir beschliessen, zum Nachmittag den Park bereits wieder zu verlassen und steuern Monkey Mia an. Berühmt für seine "interaktiven" Delfine liegt das Ressort wunderbar an der Shark Bay. Leider ist der geräumige Camping total ausgebucht. Der Platz quillt mit Urlaubern förmlich über. Dabei sind wir in der absoluten Nebensaison unterwegs. Die Reisenden, die den Platz belegen, halten sich jedoch an keine Reisezeit. Es sind vornehmlich ältere Ehepaare, die sich nach ihrer Pension den Lebenstraum erfüllen und einmal "ganz" Australien bereisen. Diese Rentnergruppe, die bereits unter dem Begriff "grey nomads" soziologisch untersucht wird, bildet die mit Abstand grösste Reisendengruppe in Australien. Junge Australier treffen wir auf den Campingplätzen hingegen kaum.
Zu unserem Glück findet sich noch ein kleiner Standplatz an der Zeltwiese, wo wir auf dem Parkplatz übernachten dürfen. Dabei meint es das Schicksal noch richtig gut mit uns. Zwei Wohnmobile müssen direkt vor dem Generatorhaus des Ressorts stehen, in dem 24 Stunden am Tag Strom erzeugt wird. Völlig unverständlich, warum die lärmenden Generatoren nicht etwas ausserhalb der Anlage gebaut werden können. Auf nahezu jedem Camp mit eigener Stromversorgung bildet der Generator den Mittelpunkt der Anlage. Stören - wundert es wen? - tut es anscheinend niemanden. Die meisten Gäste der Anlage sind (altersbedingt) eh halbtaub.
Was hat es nun aber mit den "interaktiven" Delfinen auf sich? Monkey Mia ist "weltberühmt" für seine Delfine, die seit einigen Jahren zu bestimmten Uhrzeiten an den Strand geschwommen kommen, um sich dort von Mitarbeitern und Gästen des Ressorts füttern zu lassen. So aufregend der nahe Kontakt mit den intelligenten Meeressäugern auch sein mag, der Zirkus, der im sogenannten "Interaktionsgelände" am Strand abgehalten wird, erinnert doch mehr an Disneyland als an einen Naturpark. Rund 60 Ressortgäste drängeln und schubsen sich an der Wasserlinie entlang, um drei träge Flipper zu sehen, den auf und ab schwimmen, bis die Eimer mit toten Fischen leer gefressen sind. Nach zwei Fütterungen am Vormittag müssen die Tiere dann nachmittags in der Bucht selber Fische jagen (oder bis zum nächsten Morgen Diät halten).
Wesentlich interessanter als die angefütterten Delfine erscheinen uns die Pelikane, die im dutzend am Strand her marschieren. Auch sie haben sich an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt und stehen zur abendlichen Fütterung regelrecht Schlange. Wenn die Hobbyangler auf speziellen Tischen am Meer den Fang des Tages ausnehmen, kommt aber doch einige Unruhe in die archaischen Flugtiere. Das Gezerre um die besten Stücke und die trägen Flugmanöver (einem Flugboot nicht unähnlich) sind die wahre Attraktion von Monkey Mia. Zumindest in unseren Augen.
"Postkartenkitsch"
Zurück auf dem Weg zur Nationalstrasse 1 haben wir dann fast den ersten Unfall mit einem Wildtier. Hatten wir bislang Glück, dass keine Känguru, Emus oder Dingos unseren Weg unmittelbar kreuzten, schiessen wir an diesem Morgen fast einen der mächtigen Adler ab, die auf der Strasse den Kadaver eines der unzähligen toten Känguru ausweidete. Die auf dem Boden hockend rund 80 cm hohen Tiere (Flügelspannweite über 2 Meter) haben keine natürlichen Feinde und dementsprechend auch keine Angst vor einem herannahenden Auto. Trotz meiner Vollbremsung schafft der Adler nur knapp den Schwung über unser Dach. Der Wind hatte ihn beim Aufstieg behindert und zurück auf unsere Spur gedrückt. Nicht nur zu seinem Glück bleibt die unvermeidlich geglaubte Kollision aus. Wir atmen tief durch, haben wir uns doch schon mit Adlerfeder, Krallen und Schnabel im Kunststoffhochdach weiterreisen gesehen.
In Carnavon, der einzigen Stadt (6'900 Einwohner), die wir heute passieren, müssen wir dringend einkaufen und auftanken. Mit den 180 Litern Diesel im Toyota können wir gut kalkulieren und auf die billigeren Tankstellen in Stadtnähe zurückgreifen. Während abgelegene Tankstellen bis zu AUD 1.30 pro Liter Diesel nehmen (Roadhouses im Outback kommen auf bis zu AUD 1.60) sind die Spritpreise in den Städten mit AUD 1.00 bis 1.15 deutlich günstiger.
Auch der kleine Supermarkt bietet (bis auf frisches Gemüse) ein reichhaltiges Angebot. Insbesondere Fleisch und vorzügliche Joghurts wecken unser Interesse. Das wenige vorhandene Gemüse ist teilweise so teuer (das Kilo Brokkoli zu 6 AUD), dass wir lieber verzichten und uns anderweitig ernähren. Zum Kauf eines Sixpacks Fosters Bier muss ich dann noch in den gegenüber liegenden Bottlestore. Der Verkauf von Alkohol unterliegt in Australien strengen gesetzlichen Regelungen und ist hoch besteuert. So kommt die 375 ml Dose Bier auf stolze AUD 2,50. Dennoch scheint der Bierkonsum bei weissen Australiern und Aborigines der Volkssport Nummer eins zu sein, der in geistiger Umnachtung des überhöhten Alkoholkonsums wohl auch einigen kriminellen Tatendrang freisetzt. Der Bottlestore ist befestigt wie eine Fort Knox. Der kastenförmige Bau ist fensterlos und die schweren Panzertüren, durch die man eintritt werden am Abend durch aussen angebrachte Stahlträger nochmals zusätzlich gesichert. An der Tankstelle frage ich dann die Kassiererin, ob die Vorsichtsmassnahmen nicht etwas übertrieben seien. Denn an der Tankstelle prangt ein grosses Schild, dass die Kasse nicht mehr als 100 AUD Wechselgeld in der Kasse hat. Alle Einnahmen werden sofort in einen Erdbunker eingeworfen, bevor sie allabendlich zur Bank gehen. Das junge Mädchen an der Kasse beteuert, selbst noch nie überfallen worden zu sein. Aber es habe immer wieder grosse Probleme mit betrunkenen "Locals" gegeben. Wer das genau sei, kann ich leider nicht mehr erfragen, da ein weiterer Kunde den Raum betritt und die Kassiererin deutlich schweigsamer wird.
Für den Nachtplatz nehmen wir einen kleinen Abstecher von der Hauptstrasse in Kauf. 50 Kilometer von der Hauptstrasse entfernt befinden sich laut Karte die bekannten "Blowholes". Das sind Kavernen und Löcher in der felsigen Küste, aus denen aufgrund der Gewalt der Wellen das Wasser einem Geysir gleich in den Himmel geschossen wird. Würde in Europa niemand auf den Gedanken kommen, am Abend für den Nachtplatz nochmals 50 Kilometer Umweg zu machen, sind wir hier bereits nach 30 Minuten an dem eindrucksvollen Küstenabschnitt angelangt. Das Meer schlägt mit Gewalt gegen den Fels der Küste, die sich mit messerscharfen Abbruchkanten und Witterungskanten wehren zu wollen scheint. Vorsichtig turnen wir über die Felsen und achten peinlich darauf, uns weder Schuhe noch Füsse zu zerschneiden. Das Schauspiel, welches die Blowholes aber bieten ist den Weg wert. Rund 10 Meter hoch reicht die Fontäne, die aus dem grössten Loch geschossen kommt, wenn eine besonders grosse Welle anlandet. Das Gegurgel im Fels und die darauf folgenden Eruptionen sind geradezu unirdisch.
Der Sonnenuntergang drängt uns dann aber weiter. Vor der Dunkelheit wollen wir den Campingplatz erreichen, der auf einer der Karten eingezeichnet ist. Joly verschlägt es fast die Sprache, als wir auf der abgewirtschafteten Schafsfarm ankommen, die zwischen alten Gattern und halbverfallenen Farmgebäuden einen sogenannten Camping eingerichtet hat. Nach dem (wenn auch überfüllten) Luxuscamping in Monkey Mia erscheint der hiesige Platz wie die Übernachtung auf einem Schrottplatz. Aber das Camp hat auch seine Vorteile. Als das Licht schwindet und der Mond die Szenerie erhellt, hellt sich auch Jolys Miene wieder auf. Wir sind nahezu allein auf dem Gelände, können den Tierstimmen lauschen und sogar ein kleines Lagerfeuer machen. Zudem gibt es fliessend Wasser, Strom für den Kühlschrank und sogar eine warme Dusche in den alten Wohngebäuden der Schafscherer. Eigentlich ist der Platz gar nicht mal so hässlich. Je länger wir am knisternden Feuer sitzen und in die helle Nacht hinaus schauen und den Dingos lauschen, desto besser gefällt uns dieses Fleckchen. Ist das nicht das Australien, das wir gesucht haben?
Shelley Beach
Am folgenden Morgen sind wir bereits früh unterwegs und übersehen im tiefstehenden Gegenlicht fast einen Zug, der die Strasse kreuzt. Nicht dass wir jetzt über einen unbeschrankten gebraust wären, aber auf dem glitzernden Asphalt nehme ich die Unebenheit nur schwach wahr und sehe erst im Rückspiegel das da was war. Wir halten an und setzen zurück. Und tatsächlich windet sich ein ganzer Zug kleiner Raupen von links nach rechts über die Strasse. Diese "Prozessions-Raupen" genannten Tierchen haben die lustige Angewohnheit, einander zu folgen wie ein langer Güterzug. Obwohl einzeln kaum 4 cm lang erwecken sie so bei räuberischen Tieren den Eindruck einer mehreren Meter langen Schlange. Später erfahren wir noch, dass die Raupen die Nacht als grosses Knäuel verbringen. Das Rätsel, wie dann ausgemacht wird, wer heute vorangeht, hat die Wissenschaft jedoch bis heute nicht gelöst.
Am frühen Nachmittag fahren wir bereits in den Cape Range N.P. ein. Nördlich des Wendekreises des Steinbocks und nahezu am westlichsten Punkt Australiens gelegen, ist der Park eine der verkannten Attraktionen des Kontinents. Während alle Welt vom Great Barrier Riff schwärmt, ist das der Küste vorgelagerte Ningaloo Riff nicht minder schön und dabei nur wenige Kilometer vom Strand entfernt. Im tropisch warmen Gewässer entfaltet sich eine einmalige Vielfalt marinen Lebens. Beim ersten Blick auf die Turquiose Bay, kann Joly mich nicht mehr halten. Entlang der sichelförmigen Bucht erstreckt sich ein wunderbarer Sandstrand, vor dem das türkisfarbene Wasser in kleinen Wellen ans Ufer schwappt.
Noch ehe der Wagen richtig abgestellt ist, bin ich schon in der Badehose und mit Schnorchel und Brille auf dem Weg zum Wasser. Ziemlich unüberlegt (zumindest waren noch einige andere Leute im Wasser) stürze ich mich in die Fluten und sehe auch sogleich etliche wunderbar gezeichnete, bunte Fische. Und: Quallen, Quallen, Quallen. Nicht die gefürchteten Würfelquallen, die einen Menschen auch nur bei geringster Berührung unter unglaublichen Qualen ins jenseits befördern, sondern kleinere, milchige Exemplare dieser unangenehmen Spezies. Ebenso schnell wie ich im Wasser war, bin ich auch wieder an Land. Nach Auskunft eines Einheimischen wären diese Quallen "harmlos". "Das sticht nur ein wenig". Wobei solche Auskünfte von einem Australier immer zu relativieren sind. Die ebenfalls tödlichen "Red-back" Spinnen und etliche giftige Schlangenarten, die mit ihren Giftmengen gleich eine ganze Kompanie umlegen könnten, werden ebenfalls als "lästig" bezeichnet. Nur Salzwasserkrokodile, die "Salties", haben den ganzen Respekt der Australier. Wir gehen aber nicht nur diesen 200 Mio. Jahre alten Fressmaschinen zu gerne aus dem Weg.
Wie harmlos die Quallen sind, lässt sich daraus ableiten, dass zwar die Australier ins Wasser gehen. Wenn dann aber bekleidet mit einem dünnen Ganzkörperkondom, der ähnlich einem dünnen Schwimmanzug die Nesseln der Quallen daran hindert, bei Kontakt mit der Haut aufzuplatzen. Lediglich Touristen springen weitgehend nackt im Wasser herum. Wobei springen die Fortbewegung im Wasser ganz gut charakterisiert, denn jeder begreift irgendwann, dass man da im wunderbaren Wasser nicht ganz alleine ist.
Unser Nachtlager schlagen wir an der Osprey Bay auf. Dem bislang schönster Lagerplatz auf der Reise. Direkt über dem Strand gelegen geniessen wir die Natur und Abgeschiedenheit des kleinen Camps. Besonders fasziniert sind wir von den fantastischen Felsformationen, die bei Ebbe sichtbar werden und im Abendlicht in den verschiedensten Farben glänzen. Aber auch hier vermag die Tierwelt Australiens einem einen kleinen Schauer über den Rücken zu jagen. In den Felsspalten kleben urzeitlich wirkende Tiere, die wie Blutegel mit Rückenpanzer aussehen und teils die stattliche Grösse von 15 cm erreichen. Unnötig darauf hinzuweisen, dass natürlich auch diese Viecher giftig sind.
Mit dem herrlichen Sonnenuntergang erhebt sich am gegenüberliegenden Horizont der Vollmond über die Berge der Cape Range Halbinsel. Hier könnten wir eine ganz Woche bleiben. Leider lässt das die begrenzte Zeit des "kurzen" Jahresurlaubs aber nicht zu. Als wir zum Nachtessen noch Besuch von einem zutraulichen Wallaby erhalten, welches die drei Teller mit Wasser, die wir ihm hinstellen, ratzeputz ausschlabbert und erst eine ganze Zeit später im fahlen Mondlicht wieder weghüpft wissen wir: dieser Platz ist vorgemerkt für eine lange Reise. Eines Tages mal...
Unseren Plan, den Cape Range N.P. nach Süden durch die ausgetrocknete, sandige Mündung des Yardie Creek zu verlassen, müssen wir leider aufgeben. Die Monatsflut zur Mondwende hat die Strecke teilweise überflutet und einige grosse, mit Salzwasser gefüllte Löcher hinterlassen. Die Durchfahrt an sich ist zwar kein Problem. Mit Blick auf die Salzwasserproblematik müssen wir die Fahrt entlang der Küste bis Coral Bay auf ein nächstes Mal verschieben. Statt dessen wandern wir etwas den Yardie Creek entlang und erfreuen uns der schönen Ausblicke auf die sonnendurchfluteten Felswände und an unserer Entscheidung, nicht im Touristenboot mit gefahren zu sein. Die Parkverwaltung bietet Fahrten auf dem Yardie Creek an, bei dem man einsam mit nur 49 anderen Passagieren über das Wasser kutschiert wird.
Nachdem wir feststellen mussten, dass Fahrten zum Ningaloo Riff mit einem Glasbodenschiff (tauchen und schnorcheln aber ebenfalls möglich) nur einmal am Tag um 11 Uhr durchgeführt werden und zudem in Exmouth vorgebucht werden müssen, quartieren wir uns auf einem Camping unterhalb des Leuchtturms an der Nordspitze der Cape Range Halbinsel ein. Ein wahrer Luxuscamping, auf dem wir uns für den nächsten Tag ausruhen können.
Cape Range N.P.
Aufbruch: | 26.04.2004 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 10.06.2004 |