Westaustralien 2004
Ayers Rock
Als es auch am folgenden Morgen unverändert heftig regnet, scherzen wir zwar, dass das Zentrums Australiens eher "The wet center" (das nasse Zentrum) als "The red center" heissen müsste. Zum einen ist die Landschaft auch südlich von Alice Springs eher grün als rot, zum anderen stehen grosse Landstriche bereits unter Wasser. Um Grasbüschel und Büschen herum steht das Wasser bereits einige Zentimeter hoch. Aber es soll ja besser werden.
Mit der Zuversicht der Wettervorhersage aus Alice Springs versehen fahren wir in den Finke Gorge N.P. 120 Kilometer westlich von Alice Springs gelegen kontrastiert der Park die umliegende Landschaft so stark wie möglich. Die weite Ebene weicht und wir fahren in ein schmales, verwinkeltes Tal ein, in dessen Mitte ein ganz beachtlicher Fluss fliesst. Treibholz auf rund drei Meter höhe in den mächtigen Bäumen der Uferböschung lassen erahnen, dass die Natur ab und an hier mit der Brechstange wirkt. Trotz des Dauerregens sind die 12 Flussdurchfahrten, die wir bis zum Eingang des Parks zu durchqueren haben, aber gut zu passieren. Das Wasser verteilt sich in der Breite und übersteigt kaum 30 Zentimeter.
Bei dem Wetter wundert es uns kaum, dass wir auf dem idyllisch gelegenen Camping im Park völlig alleine sind. Nachdem wir es uns gemütlich gemacht haben und auf die angesagte Wetterbesserung warten, fährt der örtliche Ranger vor. Er wolle uns nur darauf hinweisen, dass es vermutlich noch zwei weitere Tage regnen solle und seiner Erfahrung nach der Finke River dann nicht mehr passierbar sein wird. Wenn wir 5 oder 7 Tage Zeit hätten, könnten wir aber gerne bleiben. So reizvoll dieser Gedanke auch ist - den Park nach Wetterbesserung quasi für sich alleine zu haben - so wenig realistisch ist er auch. In 7 Tagen müssen wir bereits auf dem Weg zurück in Richtung Perth sein oder unser Flieger geht ohne uns zurück nach Zürich.
Nachdem auch die Mereenie Loop zum Kings Canyon wegen des Wetters gesperrt ist, befinden wir uns 3 Stunden später - es regnet natürlich immer noch Bindfäden - wieder in Alice Springs. Mehr als eine günstige Tankgelegenheit kann uns der Ort aber nun aber auch nicht mehr bieten. Wir entscheiden, direkt zum Ayers Rock zu fahren und das schlechte Wetter dort auszusitzen.
Nach dem Abstecher zum Finke Gorge sind die 450 Kilometer bis zum grossen Felsen für heute allerdings zu weit. Die Helligkeit reicht gerade noch bis zum Roadhouse von Stuarts Well. Die typische Fernfahrerkneipe (vor allem auf üppiges, fettiges Essen und erhöhten Bierkonsum eingestellt) hat hinter dem Haus einen bescheidenen Camping. Ein kleines Vordach, unter dem wir unser Essen zubereiten können und eine in Aussicht gestellte Dusche bilden die Highlights des Abends.
Mit ziemlich verzerrter Mine kommt Joly von den Toiletten zurück. Sie sind auch von der Tankstelle aus zugänglich und haben die Grenze für "geht noch" weit hinter sich gelassen. Während Joly bereits die Toilettenschaufel aus dem Wagen kramt, finde ich noch eine anständige Sanitäranlage. Mit dem Behindertenzeichen gekennzeichnet enthält der Container auch einige saubere WC und etliche Duschkabinen, die aber alle nicht rollstuhlfähig sind. Damit ist nicht nur unser Abend gerettet. Auch ein holländisches Paar, was nach uns auf den Camping kommt und angesichts des Wetters bereits schon sichtlich verzweifelt ist, nimmt dankbar den "Insidertip" entgegen.
Regen am Ayers Rock
Der Regen sollte uns noch weitere 100 Kilometer verfolgen, bis wir vom Stuart auf den Lasseter Highway abbiegen. Unsere Zuversicht wird belohnt. Schlagartig reisst der Himmel auf. Bei der ersten Möglichkeit halten wir an und stellen uns in die warme Morgensonne. Auch die Landschaft atmet auf. Überall glucks und gluckert es. Ob in den Wassertropfen an den Spinnweben oder den auf den unzähligen kleinen Salzmelonen, überall spiegelt sich das Licht der Sonne am Boden.
Nachdem wir am Mt. Conner Lookout (auch ein sehr schöner Berg) uns zunächst etwas irritieren liessen, was für ein Berg denn nun vor uns liegt, entdecken wir kaum eine Stunde später den grossen roten Felsen am Horizont. Je näher wir kommen, desto eindrucksvoller wächst der Ayers Rock in den Himmel. Zunächst besorgen wir uns in Yulara, dem Ferienressort vor dem Eingang zum Nationalpark einen Standplatz auf dem weitläufigen Campingplatz. Nachdem bislang eigentlich überall die Campingplätze nach den Bedürfnissen der Kunden stark unterteilt aufgebaut waren (Separate Stellplätze für Individualreisende, für Individualreisende mit Stromgenerator und für Gruppenreisen), stehen in Yulara alle Gruppen trotz der grosszügigen Anlage auf einem Fleck. Sodass wir am Abend von links mit dem saugenden Geräusch einer Klimaanlage und von rechts mit dem Gekreische einer Schülergruppe eingekreist werden. Wer Ruhe haben möchte, muss sich anscheinend im Sails in the Desert einquartieren. Das Hotel bietet für Zimmerpreis ab AUD 450 pro Nacht und Nase jeden erdenklichen Luxus. Auch Ruhe.
Wow! Was ein Riesenkiesel!
Der grosse rote Fels, der überall auf der Welt als Ayers Rock bekannt ist (typisch im Kolonialstil nach einem Provinzgouverneur benannt) heisst in Australien nur noch Uluru. Das mag zwar formell korrekt sein, wurde doch der Fels in den 80ger Jahren an die Aborigenes zurück gegeben, aber irgendwie etwas langweilig hört er sich schon an. Ganz zu schweigen von den Olgas, einer majestätischen Berggruppe 40 Kilometer entfernt. Sie heissen heute Kata Tjuta. Könnte auch irgendwo in Russland liegen. Aber nicht nur an der Namensgebung wird deutlich, dass das Land den Aborigines gehört. Überall auf Tafeln, Broschüren und Eintrittskarten wird der Besucher darauf hingewiesen, wer der Besitzer des grossen Steines ist. Irgendwie entbehrt das nicht einer gewissen Ironie, baut doch die mit 40'000 Jahren älteste Kultur der Menschheitsgeschichte auf Grundsätzen auf, die Eigentum von Grund und Boden nicht kennen. Was auch durchaus einleuchtend ist. Sich darum zu streiten, wem ein Berg gehört, kommt in etwa der Diskussion zwischen zwei Flöhen gleich, wem nun der Hund gehört, auf dem man hockt.
Sei es drum. Das Probleme betrifft uns ja nicht. Denken wir. Bis zur Parkeinfahrt. Da bekommt man dann gegen die Übereignung von AUD 25 pro Kopf nicht nur die Eintrittskarte und eine kleines Farbprospekt sondern auch noch einen Strafenkatalog im A4 Format für Verfehlungen im Park überreicht.
Nachdem wir den Strafenkatalog eingehend studiert und unsere Reisekasse nachgeprüft haben, fahren wir am späten Nachmittag doch noch in den Uluru National Park. Weiter als bis zum "Sonnenuntergangsparkplatz" kommen wir aber nicht. Noch immer einige Kilometer vom Fels entfernt zieht uns der Fels in seinen magischen Bann. Wir lassen uns Zeit und bleiben den ganzen Nachmittag. Beobachten, wie die Sonne sich senkt, der Parkplatz sich füllt und schliesslich der Ayers Rock von den warmen Strahlen der Abendsonne erleuchtet wird. Ein Schauspiel, das den Menschen ganz klein macht. So etwas bringt nur die Natur zu Stande.
Um 4.45 Uhr klingelt unser Wecker in der Frühe (Westaustralien Zeit, die Zeitverschiebung von 90 Minuten im Northern Territory ist uns einfach zu dämlich). Wir wollen auch den Sonnenaufgang am Ayers Rock erleben. Doch diese Ausfahrt fällt buchstäblich ins Wasser. In der Nacht hat es wieder begonnen zu regnen. Bleiern hängen die Wolken über dem Land. Wir sind gar nicht so unglücklich und drehen uns auf die andere Seite.
Der Berg hat sein Aussehen gegenüber dem Vortag vollkommen verändert. Das Rot des Gesteins ist gewichten. Grau fast mit einem Hang zum Blau erhebt sich der Ayers Rock und schliesst die Lücke zwischen Himmel und Erde. Meist verhängen die tiefliegenden Wolken den oberen Teil des Felsens. Dennoch fahren wir in den Park, der heute weitgehend menschenleer ist. Weit laufen können wir allerdings nicht. Die Fusswege sind weitläufig überflutet und eine Umgehung der Pfützen ist teuer. (s.o.) Zumindest können wir am Mutitjulu Walk bis zu der Wasserstelle am Ende laufen. Leise plätschert hier ein kleiner Wasserfall den Fels hinab. Auf der ungeheuren Fläche sammelt sich das Wasser, vereinigt sich zu Rinnsalen und frisst langsam, über Jahrtausende hinweg Spalten und Höhlen in den Monolithen. So trocken es im Red Center auch statistisch sein mag, die breiten Narben des Felsens belegen, dass es hier Wasser immer wieder gibt.
Schön bei jedem Licht...
Den Nachmittag verbringen wir im Ressort in Yulara. Neben der Jagd nach passenden Souvenirs müssen wir auch noch unsere Lebensmittel für den letzten Reiseabschnitt auffrischen und das Transitpermit für die Warburton Road um einen Tag nach vorne verlegen. Da die Warburton Road (Verbindungspiste von den Olgas bis nach Kalgoorlie) durch Aboriginal Land verläuft, braucht man für den Transit eine Genehmigung des Central Land Council in Alice Springs. Während diese Genehmigungen (die später nie nachgeprüft wurden - aber Vorsicht, hohe Strafen!) In West Australien bequem per Internet angefordert werden können, müht man sich im Northern Territory noch mit dem Fax ab. Angesichts der Wetterkapriolen wollen wir nun unseren Fahrtermin um einen Tag vorverlegen, was nach telefonischer Rücksprache mit Alice Springs auch problemlos klappt (die ursprünglichen Permits hatten wir schon von der Schweiz aus besorgt). Lediglich im Visitors Center in Yulara, wo das neue Permit per Fax für uns eingehen soll, stossen wir auf ungeahnte Probleme. Vergeblich warten wir auf das Fax. Unsere Fragen werden aber mit viel Fantasie beantwortet: das Fax steht in einem anderen Büro, das Fax ist kaputt, das Fax hat kein Farbband mehr, keiner weiss, wie das Farbband eingelegt wird, das Papier ist weiss... Nun, wir haben nicht nachgegeben und irgendwann hat eine der Damen am Schalter die Bedienungsanleitung vom Fax gelesen und technisches Genie bewiesen. Wir hatten unser neues Permit.
...wobei die Morgende schon etwas ganz besonderes sind.
Um 4.45 Uhr reisst uns wieder der Wecker aus den Träumen. Verschlafen und mit verklebten Augen suchen wir den Himmel ab. Es ist dunkel. So viel können wir sehen. Als sich allmählich das Sehvermögen richtig einstellt, erkennen wir blitzende Sterne und nur noch einige Wolkenfetzen über uns. Wir sind hellwach. Rund 45 Minuten und 25 Kilometer später stehen wir auf der östlichen Seite des Ayers Rock und fiebern dem Sonnenaufgang entgegen. Leider verdecken nach Osten hin noch etliche Wolkenfelder die Morgensonne, sodass die Farbentfaltung des Felsens eher fahl und unspektakulär wird. Joly schaut mich ziemlich zerknirscht an, aber ich kann ihr das Versprechen entlocken: "Morgen wieder".
Weniger bekannte Blickrichtung
Aufbruch: | 26.04.2004 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 10.06.2004 |