Westaustralien 2004
Tanami Track & Alice Springs
Für uns geht der Weg noch einige Kilometer auf dem Northern Highway weiter nach Süden. Dann zweigen wir auf den Tanami Track (sprich: Tänemei Träkk) ab. Der kürzesten Verbindung von der Kimberley Region ins Zentrum Australiens. Rund 1'000 Kilometer sind es vom Abzweig bis Alice Springs. Der weitaus grösste Teil der Strecke ist Naturstrasse. Eine rote Lebensader quer durch das Outback.
Nach 170 Kilometern nicht gerade besonders guter Piste und nicht gerade besonders aufregender Landschaft erreichen wir den Abzweig zum Wolfe Meteorite Crater. Nach dem Abzweig scheint natürlich die Abendsonne in einem anderen Winkel auf die Piste, sodass ich zunächst kaum einen Unterschied im Fahrbahnzustand merke. Aber schon nach wenigen hundert Metern und verschiedenen Geschwindigkeiten bin ich kurz davor, aufzugeben. Die 20 Kilometer lange Piste zum Krater ist völlig zerfahren. Egal bei welcher Geschwindigkeit, das Wellblech rüttelt den Wagen und damit auch uns auf brutalste Weise durch. Selbst erneutes Luftablassen aus den Reifen bringt nicht den erhofften Erfolg. Es ist zum wahnsinnig werden.
Der Krater ist zwar nur 50 Meter tief, verfügt mit über 800 Metern aber einen beeindruckenden Durchmesser. Schnell sind wir auf den Kraterrand gestiegen und staunen nicht schlecht. Seitdem um den Meteoritenkrater ein Naturschutzgebiet eingerichtet wurde, durch dessen Zaun streunende Ziege und Kühe abgehalten wurden, den Kraterboden leer zu fressen, hat sich eine Grünfläche mit der Zeichnung einer riesigen Zielscheibe im Krater gebildet. Aus der Luft muss dieser Flecken Erde wohl ganz merkwürdig aussehen.
Wolfe Meteorite Krater
Die Nacht verbringen wir auf dem nahegelegenen Campsite. So eindrucksvoll die Lage in der Ebene und der wunderbare Sonnenuntergang auch sind, die Toiletten der Anlage (Plumpsklos) gehören definitiv nicht mehr zur Kategorie "geht noch". Aber welcher Ranger verirrt sich schon in diese Einöde um ab und an nach dem rechten zu sehen.
Für die Rückfahrt am Morgen - nachdem wir nun die Piste kennen und wissen, dass keine bösen Löcher oder grossen Steinbrocken auf uns lauern - wähle ich die materialschonendste Art und brause mit höchstmöglicher Geschwindigkeit zum Tanami Track zurück. Die 200 Kilometer bis zur Grenze von Western Australia zum Northern Territory wären keine Erwähnung wert, wenn die Piste nicht kontinuierlich schlechter geworden wäre und wir gegen Ende ein regelrechtes Bockspringen auf der Fahrbahn veranstaltet hätten. West Australia rechnet dieser Piste wohl keine grössere Bedeutung zu.
Ganz anders das Northern Territory. Auf den Grenzübertritt weisen zwar nur ganz kleine Hinweisschilder hin, die Veränderung der Fahrbahn ist jedoch nicht zu übersehen. Frisch gehobelt, nahezu doppelt so breit und eben wie ein Küchenbrett gleiten wir auf der Piste weiter nach Osten. Was ein angenehmes Gefühl. Endlich bleibt auch ein wenig Zeit, etwas durch die grüne Landschaft zu schauen. Dabei sollte doch gerade die Tanami Wüste eine der unwirtlichsten Ecken des roten Kontinents sein. Aber nein, alles grünt und blüht. Kaum vier Wochen ist es her (so erfuhren wir es zuvor), dass die halbe Piste unter Wasser gestanden hatte, als eine grosses Regengebiet durch das Zentrum Australiens zog. Dabei sollte es zwischen März und September im Outback überhaupt nicht regnen. Laut Reiseführer zumindest.
Mit der Zeit muss ich mich aber wieder stärker auf das Fahren konzentrieren. Allmählich nimmt der Verkehr auf der Piste zu. Nicht nur Kängurus, auch Kamele kreuzen die Piste. Im Gebiet der grossen Goldminen kommt uns dann gar der erste Roadtrain mit 4 Anhängern entgegen. Diese gut 50 Meter langen und 150 Tonnen schweren Ungetüme stellen die Versorgung im gesamten Outback dar. Der Name Roadtrain passt dabei vorzüglich. Nicht nur dass die LKW mit den Anhängern aussehen wie ein Eisenbahnzug, sie verhalten sich auch so. Gebremst wird nicht, denn alles andere auf der Strasse geht von alleine aus dem Weg. Und falls nicht, räumt der riesige Bullbar alle Hindernisse aus dem Weg (so das Schicksal unzähliger Kängurus, die am Strassenrand verwesen). Wir wollen es erst gar nicht darauf ankommen lassen, nähere Bekanntschaft mit einem Roadtrain zu machen und verlassen bereits die Piste, als wir die massive Staubwolke sehen. Denn nicht nur dass die LKW einen mit massivem Steinschlag eindecken, der letzte Anhänger kann auch schon einmal so über die Piste schleudern, dass er die gesamte Fahrbahnbreite braucht. Daher sind auch abrupte Bremsmanöver nahezu ausgeschlossen. Die Anhänger kämen schlichtweg an der Zugmaschine vorbei.
Gegen Mittag erreichen wir den Flecken auf der Landkarte, der mit Rabbit Flat bezeichnet ist. Anscheinend ist der Grundwasserspiegel hier nicht allzu tief, so dass das kostbare Nass per Pumpe an die Oberfläche geholt werden konnte und zur Anlage eines kleinen, dichten Wäldchens gedient hat. Zwischen den Bäumen versteckt liegt eine kleine Hütte. Ein Roadhouse. Die einzige menschliche Behausung entlang dieser Strasse. Auf 300 Kilometern. In beide Richtungen des Tanami Track.
Am Roadhouse wird der Reisende mit dem nötigsten versorgt. Wasser, Treibstoff aus kleinen oberirdischen Tanks, hausgemachten Speisen und.... Bier. Die LKW Paletten voller Bier, die vor dem Gebäude stehen dürfen in der Menge mehr Flüssigkeit ausmachen als der Dieselvorrat über uns. Mit einem Gabelstapler verräumt der bärtige Roadhousebesitzer die unzähligen Dosen in einem Kühlraum. Zwar befinden sich in der Nähe von Rabbit Flats einige Goldminen, aber die Menge des alkoholischen Gebräus verschlägt uns den Atem.
Nachdem wir 20 Liter (sehr teuren) Diesel zur Sicherheit aufgefüllt haben, setzen wir unsere Fahrt fort und sehen schon bald, wie die Bierdosen, deren Herkunft wir nun ja kennen, in der Landschaft verteilt werden. Mit schöner Regelmässigkeit liegt alle 4 bis 5 Kilometer eine glänzend rote Bierdose der Marke XXXX (sagt schon alles) auf der Piste. Nach 12 Dosen folgt zu unserer Überraschung auch noch der Pappkarton, der mitten auf der Gasse liegt. Der Rhythmus wiederholt sich knapp 200 Kilometer, bis wir am Horizont einen kleinen weissen Punkt auf der Fahrbahn ausmachen.
Als wir näher kommen, können wir unseren Augen kaum glauben. Der abgewrackte alte Ford Taunus steht mitten auf der Piste mit leichter Neigung nach links. Der Lack ist zerkratzt, die Scheiben teils zerbrochen, teils fehlen sie ganz. Die Fahrertüre ist offen und gibt den Blick auf die völlig zerfetzten Sitzpolster frei. Er ist leer. Dafür finden sich auf dem Boden um den Wagen herum jede Menge weitere (leere) Bierdosen. Vom Fahrer allerdings fehlt jede Spur. Dabei gibt es weit und breit keine menschliche Behausung. Der Ford Taunus ist dann übrigens nicht der einzige Wagen, der wahllos irgendwo auf der Piste stehen gelassen wurde. Wir sehen noch andere Fahrzeuge, an denen ein Rad fehlt, die Tür ausgerissen ist oder die schlicht und einfach "vergessen" worden sind.
Sauwetter
Wir sind so mit dem ruhenden Fahrzeugpark beschäftigt, dass wir gar nicht mitbekommen, dass sich allmählich der Himmel verdunkelt. Von Südwesten ziehen Wolken auf. Sie wirken zwar nicht bedrohlich, aber merkwürdig erscheinen sie uns schon. Bald ist der ganze Himmel bedeckt und die Nacht ereilt uns früher, als uns lieb ist. Im allerletzten Abendlicht passieren wir den GPS Punkt, der als Mt. Doreen Ruins beschrieben wird. Hier soll es eine gute Möglichkeit zum wild campen geben. Und tatsächlich stehen bereits einige Fahrzeuge einheimischer Reisender in den Büschen. Wir stellen uns etwas abseits und genehmigen uns wegen des zunehmend kalten Windes als erstes eine kurze Dusche. Kaum sind wir fertig, beginnt es erst harmlos, dann etwas heftiger und schliesslich vehement zu regnen. Es regnet! Im Zentrum Australiens. Wir können es kaum fassen und nehmen das Abendessen im Wagen ein.
Öfters werden wir in der Nacht wach und lauschen den Regentropfen, wie sie auf das Kunststoffdach des Wagens trommeln. Das ist kein Regenschauer, das ist eine ganze Schlechtwetterfront. Mit Schaudern denke ich daran, dass es bis zum Asphalt noch 220 Kilometer sind. Aber vielleicht hört der Regen ja auch wieder auch. Immerhin soll es zwischen März und September im Outback nicht regnen. Sagt unser Reiseführer.
Am nächsten Morgen streichen wir die entsprechende Passage im Reiseführer zum Klima. Es regnet noch immer. Die am Vorabend noch ganz passable Piste hat sich über Nacht in Wohlgefallen aufgelöst. Die Oberfläche ist aufgeweicht und schmierig. Zum Glück ist der Boden sehr sandhaltig und bleibt nur selten an den Reifen kleben. Ohne Möglichkeit, in den ebenen Landschaft abzulaufen hat sich das Wasser in riesigen Wasserlöchern auf der Piste gesammelt. Oftmals breiten sich über 50 Meter lange Wasserflächen über die ganze Pistenbreite aus. Schneller als im 3. Gang geht es heute nicht mehr vorwärts. Zum Glück hatten wir unsere grosse Etappe mit 600 Kilometern Piste gestern bewältigt. So sind wir guten Mutes, das bessere Stück der Piste vor uns zu haben und krabbeln Kilometer um Kilometer dem Asphalt entgegen.
Glücklich erreichen wir das Tilmouth Roadhouse. Noch immer regnet es in Strömen. Wir sind schon auf dem Weg vom (mittlerweile tiefroten) Wagen bis in die Tankstelle durchnässt. Ein Besuch des Roadhouses lohnt sich aber sehr. Gibt es doch hier eine grosse Auswahl (preiswerter) Aboriginalkunst, die aus der Umgegend stammt. Insbesondere die Punktmalereien haben es uns angetan. (Die Bilder im Bericht sind das Ergebnis unseres Einkaufsbummels.)
Wir pumpen noch die Reifen auf und sind dann nach weiteren 10 Kilometern endlich wieder auf festem Untergrund. Das Wetter ändert sich allerdings nicht. Von Horizont zu Horizont ist der Himmel dunkel und grau. Erst in Alice Springs gibt es eine kurze Regenpause. Zu unserem Schrecken ist der Camping in der Stadtmitte völlig ausgebucht. Anscheinend verlassen alle Reisenden das Umland und flüchten bei dem schlechten Wetter in die Stadt. Zumal auch die Wetteraussichten keine Besserung versprechen. Zumindest einen weiteren Tag soll sich das Regenband, das von Sydney bis Broome reicht, noch halten.
Nachdem wir uns am Stadtrand auf einem anderen Camping eingemietet haben, muss ich als erstes den Wagen waschen. Wir sind zwar nicht gerade zimperlich, was das Aussehen des Wagens betrifft (im Gegensatz zu den Australiern, deren Fahrzeuge augenscheinlich nie mit Dreck in Berührung kommen), aber der rote Sand muss runter, bevor wir selbst und damit auch das Wageninnere die gleiche Farbe übernehmen.
Nachdem wir am Camping auch noch unsere Gasflasche haben füllen lassen, fahren wir etwas gehetzt in die Stadt. Wir hoffen, heute noch einkaufen zu können. Leider macht der Target Supermarkt aber schon um 17.00 Uhr also in 5 Minuten zu. Direkt nebenan liegt Coles. Den Supermarkt ziehen wir dank der günstigen Hausmarken eh vor. Während Joly bereits mit dem Einkaufswagen durch die Gänge eilt, frage ich zunächst einen Wachmann, wie lange den das Geschäft überhaupt geöffnet sei. Mit hochgezogenen Augenbrauen antwortet mit der erschöpft wirkende Mitarbeiter "Bis 23.00 Uhr natürlich. 7 Tage die Woche." Ich beruhige erst einmal Joly und nehme sie an die Hand, um ihr Tempo zu drosseln. Wir haben Zeit zum einkaufen. Draussen verpassen wir eh nichts. Einem tropischen Unwetter gleich stürzt das Wasser aus dem schwarzen Himmel.
Land unter im "Wet Center"
Mit Blick auf das Wetter entscheiden wir uns, Essen zu gehen. Leider ist das kulinarische Angebot in Alice Springs nicht gerade üppig. Und so landen wir nach einigen Minuten im zentral gelegenen McDonalds. Das Essen ist bekannt pappig, nur dass man hier bis zur Gaumenfreude eine ganze Weile warten muss. Im Gegensatz zu anderen Filialen der globalen Frittenbude scheint diese Verkaufsmannschaft hoffnungslos überfordert zu sein. Aber wir wollen nicht meckern, warten artig und fahren mit den üblichen Völlegefühl zurück zum Camping.
Outback - wieder trocken -
Aufbruch: | 26.04.2004 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 10.06.2004 |