Westaustralien 2004
Bungle Bungle N.P.
Als eine der wenigen Städte in Westaustralien liegt Kununarra nicht an der Küste. Das 6'000 Seelen zählende Städtchen liegt malerisch am Ufer des Ord River und gilt als Zentrum des umliegenden Farmlandes. Nach Kununarra kommen wir aber nicht in erster Linie wegen der Versorgungsmöglichkeiten. Hier haben wir uns für heute mit einem Freund aus der Schweiz verabredet, der seit 3 Monaten auf einer Farm in den Kimberleys lebt. Da die Farm aber nur mit dem Flugzeug erreicht bzw. verlassen werden kann, sind wir gespannt, ob das von langer Hand vorbereitete Treffen nun auch tatsächlich klappt.
Noch während wir unsere Einkäufe tätigen, fängt Eric uns ab und löst die Spannung, ob wir uns nun treffen oder nicht. Nach einem grossen Hallo und der allgemeinen Freude, dass eine so komplizierte Verabredung tatsächlich geklappt hat, ziehen wir uns auf einen der örtlichen Campingplätze zurück und lauschen gebannt Erics Erzählungen von der Farm, wo das Leben so ganz anders ist, als wir es gewohnt sind oder auch nur vorstellen könnten.
Wie hart das Leben in einer so harschen Umwelt sein muss, können wir am ehesten an Erics Füssen ablesen. Ohne Fahrzeuge oder sogar Wege auf der Farm müssen alle Arbeiten und Besorgungen zu Fuss erledigt werden. Zwischen dem stechenden Spinifex Grass an messerscharfen Felskanten balancierend hat Eric nicht nur seine Turnschuhe sondern auch seine Teva Sandahlen zerschlissen und hält deren Sohle nun nur noch mit Draht am restlichen Schuh. Da sich die Schuhe als unzweckmässig herausgestellt hatten, war Eric mit der Zeit dann zum Verhalten der Farmer gewechselt und ist nur noch barfuss gelaufen. Nach etlichen harten Wochen mit vereiterten Schnitten und Pusteln sehen seine Füsse mittlerweile wie die eines Kamels. Natürlich nicht ganz so, aber die Hornhaut dürfte beim Höckertier kaum dicker sein.
Zum Abendessen lädt Eric uns in das Restaurant des Ferienressorts ein. So haben wir mehr Zeit zum erzählen und müssen uns nicht um den Abwasch kümmern. Die Bestellprozedur im Restaurant nimmt dann aber doch eine ganze Zeit ein, bis wir verstanden haben, wie man hier an sein Essen kommt. Zwar wird uns von einer Bedienung die Speisekarte an den Tisch gebracht. Bestellen müssen wir aber an einem separaten Tisch. Dass die Bestellung dann auch tatsächlich in die Küche weiter gereicht wird, muss nun aber zuerst bezahlt werden. Serviert wird das Essen dann wieder am Tisch. Allerdings ohne Getränke. Die muss man sich selber an der Bar holen. Eine Ausschankgenehmigung hat das Restaurant nämlich nicht. Mir liegt ein Zitat von Asterix und Obelix auf den Lippen. "Die spinnen, die Aussies".
Anfahrt zum Bungle Bungle N.P.
Gemeinsam fahren wir am nächsten Morgen von Kununarra nach Süden. Zwar ist der Toyota mit dem etwas breiteren Vordersitz für 3 Personen geeignet. Sonderlich bequem sitzt es sich für meine beiden Mitfahrer natürlich nicht. Eric klebt an der Beifahrertüre und Jolys Beine muss ich immer erst zur Seite sortieren, wenn ich schalten will. Zum Glück beträgt die Strecke bis zur Abzweigung zum Bungle Bungle N.P. Nur 250 Kilometer und ist in weniger als 3 Stunden geschafft. Etwa die gleiche Zeit brauchen wir dann noch einmal, um die letzten 50 Kilometer in den Park zu fahren. Der schmale Weg geht über den nackten Fels, mal in Sandlöcher, dann wieder durch eine Flussdurchquerung, die Hügel rauf und wieder herunter. So aufwendig die Anfahrt ist, hat sie den Vorteil, dass sie nur allradgängigen Fahrzeugen Vorbehalten ist. Der Besucheransturm auf den Park, dessen landschaftliche Schönheit erst in den 80er Jahren per Zufall entdeckt worden war, wird dadurch aber "natürlich" reduziert.
Unser erster Ausflug führt uns am nächsten Morgen in den Norden des Bungle Bungle N.P. Die für den Park so typischen bienenkorbartigen und mehrfarbigen Felsformationen suchen wir hier aber umsonst. Statt dessen wandern wir in der frühen Morgensonne ein trockenes Flussbett entlang zum Mini Palms Gorge. Anfangs noch ziemlich gewöhnlich, wird die Landschaft schnell spektakulär. Bereits am Eingang zu der Schlucht sind wir fasziniert von den steilen, rot leuchtenden Felswänden, die gut 100 Meter in den Himmel ragen. Die verschiedenen Wände, die sich in Schlucht aneinanderreihen werfen zudem herrliche Schatten. Das wahre Wunder dieser Landschaft sind jedoch die unzähligen Palmen, die nicht nur den Talboden bedecken, sondern sich auch an den unmöglichsten Stellen in die Felswände krallen. Der Farbkontrast der hell erleuchteten Stämme und grünen Blätter vor dem wechselvollen rot der Felsen ist berauschend. Hier hat die Natur grosses geleistet.
Eingang zum Mini Palms Gorge
Immer tiefer dringen wir in die Schlucht vor. Der Pfad führt über Stuck und Stein, oftmals durch extrem enge Felsspalten hindurch, die für viele "horizontal herausgeforderte" Personen wohl die Endstation des Weges bedeuten. Bald öffnen sich aber die Felswände und wird treten in ein grösseres Tal, das rundum mit Palmen bestanden ist. Selbst auf den höchsten Punkten der umliegenden Felskämme stehen die Palmen und geben verlockende Fotomotive ab. Bald windet sich der Weg eine kleine Geröllhalde hoch, um in eine Holztreppe zu münden. Unvermittelt stehen wir kurze Zeit später am Ende der Wanderung. Von einer Aussichtsplattform blicken wir in einen kirchenschiffähnlichen Raum, über dem sich die Felswände nahezu schliessen. Die Frage, was sich hinter dem linken Felsvorsprung oder am Ende der Felskammer im Dunkeln befindet muss leider unbeantwortet bleiben. Während wir zurückgehen und eine kleine Mittagsrast einlegen, macht Eric noch eine kleine Sondertour. Später wissen wir, was sich in dem "Kirchenschiff" noch verbirgt: nichts.
Nach einem kurzen Abstecher im Froghole Gorge, der leider wegen der Gefahr eines Felssturzes weitgehend gesperrt ist, fahren wir zum Nachmittag einige Kilometer weiter zum Echidna Chasm, was so viel wie "Erdspalt" bedeutet. Eine Schlucht kann man diesen Ort auch nicht nennen. Wie mit einer Axt in die Felswand geschlagen windet sich der Spalt manchmal nur einen Meter breit durch die Berge des Bungle Bungle. Tiefer und tiefer dringen wir in den Fels vor. Manchmal ist das Blau des Himmels kaum noch zu erkennen. Im Dunkel des Spalts wirkt der Himmel nur als heller Riss über unseren Köpfen. An einer topfartigen Verbreiterung des Spaltes glauben wir, an das Ende des Weges gelangt zu sein. Beeindruckt setzen wir uns ab und warten, bis die sich die geführte Gruppe vor uns auf den Rückweg begibt.
Mini Palms Gorge
Fast wollen auch wir den Rückweg antreten, da entdecken wir an dem einen Ende des Topfes einen schmalen Spalt im Fels, wo der Weg anscheinend weiter geht. Wir folgen der schmalen Sandbahn in das gedämpfte Licht des Felsüberhangs. Bald müssen wir uns an Felsstufen gegenseitig hochziehen, über dicke Felsen klettern, die in den Spalt gestürzt sind und auf Baumstämmen balancieren, die die Parkverwaltung für Besucher an der steilsten Stellen angebracht hat. Unsere Mühe wird belohnt. Der Spalt mündet in ein riesiges Amphitheater, in das während der Regenzeit ein traumhafter Wasserfall stürzen muss. Dieses Wasser ist wohl auch für den Spalt verantwortlich. Nun ist jedoch nur ein kleiner grüner Tümpel geblieben, der mit seinem leicht fauligen Geruch aber unsere Freude über diesen aussergewöhnlichen Ort nicht schmälern kann.
Zum Abend gehen Erich und ich dann noch getrennter Wege vom Camping zu einer nahegelegenen Hügelkette, um den Sonnenuntergang abzulichten. Während ich Eric bereits auf den Hügeln herumspringen sehe, muss ich resigniert feststellen, dass der Abstecher für mich nur Plan bleiben wird. Quer durch das stechende Spinifex Grass und durch das Unterholz mag ich nicht hetzen. Drei Monate Buscherfahrung kann ich nicht aufholen. Ganz zu schweigen von der Kondition....
Echidna Chasm
Erst nach der 2. Übernachtung fahren wir zur Südhälfte des Bungle Bungle N.P. Schon von der Piste aus können wir die berühmten caramelbonbonfarbenen Felskuppeln sehen. Leider ist es am Morgen noch recht bewölkt und uns fehlt - wie Eric und ich gleichzeitig bemerken - das "richtige" Licht. Joly als Nicht-Fotonarrin kann da nur den Kopf schütteln. Schön ist es aber allemal.
Der Weg zum Cathedrale Gorge führt hautnah durch diese einmalige Landschaft, die durch die Eigenart des Gesteins geformt wurde, teilweise keine Silikate zu enthalten. Ohne dieses "Bindemittel" sind die Felsen sehr brüchig, ein Besteigen deshalb auch streng verboten. Aber wir müssen auch gar nicht auf die Felsen klettern, um uns an der Landschaft zu erfreuen. Und als dann noch für 2 Stunden über den Mittag der Himmel aufreisst und uns das "richtige" Licht schenkt, strahlen wir alle bis über beide Ohren. Zum Piccaninny Gorge ist es uns leider zu weit. Die Schlucht ist zu Fuss eine Tagestour entfernt. Aber schon die ersten zwei Kilometer dieses Weges gefallen uns richtig gut. Auch hier hin werden wir wieder kommen. Eines Tages mit mehr Zeit....
Typische Felslandschaft im Bungle Bungle
Nach einem weiteren wunderbaren Abend im Camp, treiben wir den Wagen drei holperige Stunden zurück zum Northern Highway. Obwohl wir vor wenigen Wochen noch gar nicht wussten ob ein Treffen mit Eric überhaupt möglich sein würde, kurz vor der Reise zunächst mit 24 Stunden zusammen gerechnet hatten, fällt uns nun der Abschied nach vier Tagen von unserem guten Freund in Halls Creek schwer. Insbesondere da das 1'500 Seelenkaff Halls Creek nicht gerade einladend wirkt und wir Eric quasi an der Tankstelle stehen lassen müssen. Nach einer letzten festen Umarmung fliessen doch ein paar Tränen, wissen wir doch nicht wann und wo wir uns eines Tages mal wieder sehen. Schon zwei Tage später ist Eric aber wieder auf der Farm, nachdem er per Zufall einen guten Flug erwischt hat, was gar nicht selbstverständlich ist und auch rund 2 Wochen hätte dauern können.
Aufbruch: | 26.04.2004 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 10.06.2004 |