Westaustralien 2004
The Kimberley
Die Strecke zur 80 Mile Beach, auf halbem Weg zwischen Port Hedland und Broome, sieht in unserem Strassenatlas recht harmlos aus. Kaum 12 Zentimeter trennen unseren Übernachtungsplatz von unserem heutigen Ziel. Das täuscht jedoch kräftig, bezieht sich die Entfernungsangabe doch auf einen Massstab 1:4 Mio. Das sind die Tücken eines Strassenatlas, der auf jeder Seite einen anderen Massstab anwendet, um auf 118 Seiten dem riesigen Kontinent gerecht zu werden. Dementsprechend kaufen wir auch immer wieder einige Hema-Strassenkarten, aus deren Details wertvolle Informationen abzulesen sind.
Nach einer kurzen Rundfahrt über den Snappy Gum Drive (was auch immer das heissen soll) am Morgen erfreuen wir uns an der vielfältigen Landschaft im Tagesverlauf und dem ebenfalls traumhaft gelegenen Python Pool, wo wir uns ein Bad (man beachte den Namen!) aber verkneifen.
Auf dem Weg nach Port Hedland teilt sich erstmal der bislang lupenrein blaue Himmel und dicke Gewitterwolken ziehen vor uns über das Land. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir wieder die Nationalstrasse 1 und ändern die Richtung nach Norden und fahren dem schlechten Wetter davon. Port Hedland bietet (obwohl auch nur von 15'000 Menschen bewohnt) gute Versorgungsmöglichkeiten und zivile Preise. Lediglich die Frischprodukte erreichen aufgrund der Transportkosten indiskutable Höhen. Mit Blick auf die tropischen Temperaturen und der extrem hohen Luftfeuchtigkeit, die erahnen lässt, dass wir die Gewitterfront nicht abschütteln konnten, ziehen wir uns zum Essen in den "Red Rooster" zurück. Eine australientypische Fast Food Kette, die sich jedoch bei Produktauswahl- und Qualität von den amerikanischen Anbietern nur unwesentlich unterscheidet. Zumindest haben wir einen Sitzplatz in einem kühlfachähnlich temperierten Raum und zerfliessen nicht im freien. Erstmals kommt auch die Klimaanlage im Wagen zum Einsatz. Ein Luxus, auf den wir zu Hause verzichten müssen, dessen Erwerb aber vielleicht gar nicht so falsch gewesen wäre.
Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir den hervorragend gestalteten Camping an der 80 Mile Beach (abgesehen vom knatternden Stromgenerator, der sich natürlich wieder mitten auf dem Platz befindet). Im kleinen Lädchen gibt es allerhand zu kaufen, so dass unser Abendessen heute zugunsten eines grossen Eiscornet ausfällt. Nachdem wir per Internet unsere Post zu Hause kontrolliert haben, können wir am nächsten Morgen sogar noch das Gas für unseren Kocher auffüllen. Die abgelegenen Campingplätze in Australien (als naheste Städte liegen Port Hedland im Süden 300 Kilometer und Broome im Norden 350 Kilometer entfernt) funktionieren wie kleine Ortschaften.
Kunstvolle Termitenhügel
Nach einem frühen Spaziergang über den unendlich scheinenden Strand (ist nicht nur 80 Meilen lang, sondern bei Ebbe auch rund 250 Meter breit), bei dem wir etliche farbige Muscheln auflesen, begeben wir uns auf die Fahrt nach Broome. Die Nationalstrasse 1 führt durch weitläufige Ebenen, deren Monotonie nicht gerade die Wachsamkeit des Fahrers begünstigt. Kilometer lang aufgereihte Überflutungsmassstäbe zeigen an, dass zur Regenzeit (Monsun aus Asien) hier ganze Landstriche unter Wasser stehen und Broome von Süden her nicht erreichbar ist.
Nach der reizlosen Landschaft gefällt uns Broome mit seinen properen Häusern im Kolonialstil sehr gut. Trotz der tropischen Schwüle schauen wir uns etwas in der Stadt um und landen schliesslich in einem Einkaufszentrum, das keine Wünsche offen lässt. Auch der Campingplatz in der Stadt gefällt uns ausserordentlich gut, zumal wir in der 1. Reihe am Meer stehen und den Blick aufs Meer geniessen können.
Nachdem die Vorräte aufgefüllt, die Wäsche gewaschen und ein Treffen mit unserem Freund Eric in Kununarra arrangiert ist, machen wir uns auf in die Kimberley Region. Bereits auf der Fahrt nach Fitzroy Crossing wandelt sich die zuvor langweilige Landschaft und "zwingt" uns immer wieder zum Halten. So weit das Auge reicht, ist das Land mit gelben und orangen Termitenhügeln überzogen. Im weiteren Verlauf der reise sollten wir zwar noch grössere und fantastisch geformtere Miniatur-Millionenstädte sehen, doch kaum irgendwo erreichte der Termitenbestand eine derart hohe Intensität. Zudem schmücken die ersten majestätischen Boabs (so nennen die Australier ihre Baobabs) den Strassenrand. Teilweise ohne Blätter, teilweise voll belaubt sind wir von einzelnen Exemplaren dieser mächtigen Bäume regelrecht elektrisiert.
Boab auf Fels
Insbesondere mit der Wahl unseres Mittagsplatzes haben wir dabei heute ein glückliches Händchen. Nachdem wir willkürlich in einen der kleinen Schotterwege von der Strasse abgezweigt sind, führt uns die schmale Spur um einen mächtigen Fels herum in ein kleines Tal, welches mit etlichen Boabs bestanden ist. Selbst an und auf den Felsen haben sich mächtige Bäume im Lauf der vergangenen hundert Jahre festkrallen können. Bis ich von meinem Fotoexkurs in der prallen Mittagssonne zurück komme, ist Joly mit dem Essen fast fertig und ich reif für ein kühles Bad.
Der Tunnel Creek N.P. ist Teil des Devonian Reef Conservation Park. Was in dieser Gegend aussieht wie schroffes Gebirge, sind in Wahrheit die Überreste eines urzeitlichen Riffs, welches im Verlauf von Jahrmillionen durch die Anhebung des Meeresbodens zu Festland wurde. Der Tunnel Creek ist nun ein kleiner Fluss, der in (erdgeschichtlich) jüngerer Zeit sich einen Weg durch das poröse Material des Riffs gebohrt hat und dabei auf etlichen Kilometern unterirdisch fliesst.
Zunächst sind wir jedoch erst einmal geschockt, als wir den Parkplatz des Tunnel Creek N.P. Erreichen. Neben einem halben Dutzend Privatwagen stehen auch noch 2 Reisebusse und die Trucks von 3 Overland-Reiseveranstaltern vor dem Eingang zum Tunnel. Uns graut es vor diesen Menschenmassen, doch können wir ein Lücke zwischen den zwei grossen Reisegruppen nutzen und müssen nicht im Schlepptau der Neckermänner in die Dunkelheit der ersten Kaverne treten. Nicht nur das gewaltige Volumen der Höhle, auch die Stille - die nur durch das plätschernde Wasser unterbrochen wird - und der Blick in die absolute Dunkelheit sind ein Erlebnis. Leider stellen wir schon bald fest, dass wir mit unseren kleinen Lichtfunzeln nicht allzu weit in die Höhle vordringen können. Das Licht der Stirnlampe und der kleinen Halogenlampen wird vom Fels verschluckt. Kein Wunder, betreten die Einheimischen die Höhle nur mit Taschenlampen im Fernlichtformat. Dennoch war bereits der erste Eindruck den Zwischenstopp wert.
Rund 30 Kilometer weiter schlagen wir unser Nachtlager auf dem Campsite des Windjana Gorge N.P. Auf. Im warmen Abendlicht unternehmen wir einen ersten Spaziergang in die Schlucht, die der Fluss hier in das urzeitliche Riff gefräst hat. Über einen schmalen Pfad, der an der Flanke des Riffs vorbei führt und erstaunliche Einblicke in das ehemalige "Leben" des Riffs gibt, erreichen wird einen grösseren See, in dem sich nach Angaben eines Rangers rund 70 Süsswasserkrokodile tummeln. Nicht dass die Krokodile für einen Menschen gefährlich wären (die bis zu 2.50 Meter langen Tiere jagen zumeist Fische und Vögel), aber aufgrund möglicher Revierkämpfe sei es nach Auskunft des Rangers wenig ratsam, baden zu gehen. Wobei wir uns fragen, wer in dem grünlichen, mit Exkrementen durchsetzten Wasser überhaupt schwimmen gehen wollte.
Nicht nur die Abendsonne auch die Sonne am Morgen erleuchte die Flanken des Riffs wunderbar, so dass sich im Verlaufe von Sonnenuntergang und -aufgang immer wieder neue Farbkompositionen auf dem Fels einstellen. Die Wanderung am frühen Morgen in die Schlucht hinein wird dabei zu einem Erlebnis für alle Sinne. Nicht nur die Farb- und Formenvielfalt in der Schlucht, auch die Geräusche der Tiere, die aus der Nacht erwachen und der Duft der Erde, der in kleinen Nebelschwaden aufsteigt, sind ein Erlebnis. Ähnlich einer Wanderung im Urwald sind hier alle Sinne zudem aber auch gefordert, um unangenehme Begegnungen mit Tieren rechtzeitig aus dem Weg zu gehen.
Windjana Gorge N.P.
Es ist wohl rund 20 Jahre her, dass ich das erste Mal von der Gibb River Road gehört hatte. Eine Piste, die quer durch die "Wildnis" lief und auf einer Distanz von 5 Tagen nur eine Versorgungsmöglichkeit hat. Wahnsinn! Das muss ich sehen eines Tages. Nun gut, in den vergangenen 20 Jahren haben wir dann noch so einiges gemacht. Afrika, Sahara und letztlich waren meine Erwartungen an die Gibb River Road doch ziemlich stark gesunken.
Die Realität sieht dann aber noch ernüchternder aus. Der Pfad durch die Einsamkeit der Kimberley Region entpuppt sich als regelrechter Highway. Gute 10 Meter breit ist die Piste. Von Abenteuer keine Spur. Dafür um so mehr von nerven- und materialbelastendem Wellblech. Egal welche Geschwindigkeit wir auch gefahren sind, die Piste war auf weiten Strecken so stark zerfahren, dass die Fahrt auf ihr nur als Strafe bezeichnet werden kann. Dabei vermochte nicht einmal die Landschaft unsere Stimmung merklich zu heben, da mit dem Verlassen des Windjana Gorge N.P. die grosse Monotonie hereingebrochen war.
Nach dem Abzweig zum Bell Gorge bessert sich die Situation jedoch etwas. Die Piste wird kleiner und besser, die Landschaft wieder interessanter. Leider leidet auch der Bell Gorge unter zu hohem Besucherandrang. Zwar liegt eine grosser Wasserfall eingebettet in der Schlucht und ein üppiger Pool lädt zum baden ein, doch zwei Busladungen Touristen johlen und kreischen bereits wie im heimischen Freibad. Wir bleiben auf Distanz und geniessen die Szenerie aus der Ferne, auch wenn ein Sprung in das kühlende Nass bei dem erneut schwülen Wetter der absolute Tageshöhepunkt wäre.
Mit etwas Glück ergattern wir jedoch das letzte von 10 individuellen Campsites, das uns die Übernachtung in der Nähe des Bell Gorge sichert (ansonsten hätten wir im 10 Km entfernten Silent Grove campieren müssen). Zwischen hohen Bäumen und abgelegen von der Piste erscheint der Platz wie ein wildes Camp im Busch. Hier fühlen wir uns wohl und genehmigen und zunächst eine Dusche aus dem Eimer. Das Geschrei der Vögel zum Einbruch der Dunkelheit, das Rascheln im Gebüsch und auch die überdimensionalen Skelette der Käfer, die an den Bäumen kleben, mahnen uns jedoch daran, uns nicht allzu weit vom Lagerfeuer zu entfernen. Australien ist ein Kontinent mit einer ganz besonderen Tierwelt. Und die belauert uns in dem Moment wohl von allen Seiten.
Gekko
Der Morgen bringt etwas Abkühlung in Form einiger Regentropfen. Doch schon zwei Stunden nach Sonnenaufgang ist der Himmel wieder wolkenlos. Bereits am Mittag erreichen wir den Manning Gorge. Der Campingplatz ist wunderbar an einem Pool gelegen und grosse Boabs spenden genügend Schatten, um auch die Mittagshitze gut zu überstehen.
Der Platz ist gut besucht, wobei uns weniger ausländische Touristen in Mietwagen als einheimische Urlauber auffallen. Wobei wir kaum jüngere Australier sehen. Die meisten Einheimischen sind jenseits der Pensionsgrenze. Wie wir uns aufklären lassen, bilden sie in Australien eine soziologisch betrachtet eigene Gesellschaftsschicht. Die "grey nomads". Haben diese grauen Nomaden erst einmal das Pensionsalter erreicht, wird oftmals das Haus verkauft, ein dicker Geländewagen und ein noch dickerer, geländegängiger Wohnwagen gekauft und ab geht es, immer der Sonne hinterher. Die ist auch der Grund, warum Westaustralien - wo gerade das bevorzugte Reiseklima herrscht - zwar gemäss Papierform (1.8 Mio. Einwohner) quasi menschenleer ist, man aber dennoch keine Stelle findet, an der man tatsächlich alleine ist. Jede Piste, die befahrbar ist, ist auch kartographiert und Ziel eines Pensionärs, der nicht nur bessere Ortskenntnis hat als wir, sondern auch noch unbeschränkt Zeit. So einsam, wie wir uns Westaustralien vorgestellt hatten, ist es bei weitem nicht. Aber: die Mehrheit dieser "grey nomads" sind ganz herzliche Leute, mit denen man sich prächtig unterhalten kann. Nahe zu alle sind zwar hoffnungslos overequiped (alles dabei vom Generator über den Fernseher bis zum Motorboot - auch im Outback) und ziemlich lauffaul (100 Meter zur Toilettenanlage werden schon mal mit dem Wagen absolviert) aber sie sind zumeist angenehme Zeltnachbarn. Bis auf die 6 Leute an diesem Abend, die bierseelig am liebsten wohl unseren Standplatz gehabt hätten und uns - obwohl der Platz weitgehend leer ist - mächtig auf der Pelle hocken.
Manning Gorge ist wohl der am besten gelegene Campingplatz in der Kimberley Region. Keine 50 Meter von unserem Standplatz entfernt ist der Einstieg in einen weitläufigen Pool, der mit kristallklarem Wasser, vielen verschiedenen Fischarten (Klasse zum Schnorcheln) und einer hübschen Felseninsel zum Sonnenbaden lockt. Zwar muss man den Pool mit einigen Süsswasserkrokodilen teilen. Aber die seien - wie es auch hier so schön heisst - völlig harmlos, wenn man sie nicht aufscheucht. Dennoch starren alle Touristen gebannt in die eine Richtung, in der ein kleines Exemplar seine Zahnreihen auf einem Felsen sonnt. Man weiss ja nie...
Ein strenger Fussmarsch von eineinhalb Stunden führt uns über die sonnenverbrannte Ebene zu den Manning Falls. Mit allerei Hinweisobjekten ist der steinige Weg zu den Fällen ausgesteckt. So folgen wir Hinweistafeln, gelben Bändern, an Bäumen aufgehängten Getränkedosen und Steinmännchen durch die aufziehende Hitze. Oberhalb des Campingplatzes gelegen, ist der Wasserfall leider nicht entlang des schattigen Flussufers zu erreichen. Dennoch lohnt sich alle Mühe. Die Manning Falls sind fantastisch. Gross, majestätisch und wasserreich stürzen die Fälle in einen grossen Pool herab, in dem man hinter die grün schimmernde Wasserwand schwimmen kann. Viele kleinere Abzweigungen der Fälle bieten zudem ausgezeichnete Plätze für eine ausgiebige Rückenmassage, wenn einem das Wasser auf den Leib prasselt. Der schroffe, gelbe Fels und die wie in einem Garten angelegten Palmen vervollständigen das paradiesische Bild. Wir bleiben bis zum frühen Nachmittag und sind zumeist ungestört, da die geführten Gruppen, die zum Wasserfall kommen, nicht einmal eine Stunde bleiben, bevor sie sich auf den Rückweg machen müssen. Arme Neckermänner.
Mächtiger Boab auf dem Camping
Unser Rückweg wird durch die aufziehende Quellbewölkung etwas angenehmer. Immer wieder spenden uns flauschige Wolken etwas Schatten. Hin und wieder bleiben wir im Schatten eines Baumes stehen und warten auf die nächste Wolke. Die haben zwar keinen Fahrplan wie der Stadtbus, sind aber ähnlich zuverlässig. Der Weg zurück zum Camping gestaltet sich jedoch unerwartet kompliziert. Die Ausschilderung der Strecke erfolgte wohl nur in eine Richtung, so dass wir auf einer Felsplatte den Faden verlieren und uns nach den Himmelsrichtungen orientieren (mittlerweile hatten wir da den Bogen wie gewohnt wieder raus). Für Städter war die Wanderung also nicht gedacht, denn Platz genug zum Verlaufen hat es in Hülle und Fülle.
Auf einen Abstecher zu den Mitchell Falls müssen wir leider verzichten, da wir 3 Tage An- und Abfahrt nur für einen Wasserfall im Urlaub nicht in Kauf nehmen wollen. Der weitere Verlauf der Gibb River Road ist unspektakulär und nach Norden hin leider auch immer eintöniger. Einziges Highlight ist die Durchquerung des Durack River, der zusammen mit dem Pentecoast River für die lange Sperrung der Strecke während der Regenzeit ist. Auch heute noch, rund 5 Wochen nach dem Ende der Regenfälle misst der Durack an der Furt eine Tiefe von gut 60 Zentimetern. Zudem erstreckt sich der Fluss über eine Breite von gut und gerne 80 Metern. Wer es mit dem Minibus oder PKW über das Wellblech bis hier hin geschafft hat, für den ist nun definitiv Schluss. Ohne Ausreichende Bodenfreiheit, wasserresistente Elektrik und hochliegende Luftansaugung sollte sich niemand ins Wasser Wagen. Alle diese Empfehlungen sind angesichts der Wassermassen zwar einleuchtend, nicht jeder scheint aber die Konsequenzen zu bedenken, wenn man die Empfehlungen missachtet.
Paradiesischer Badeplatz
So auch der ältere Mann, der ratlos vor der geöffneten Motorhaube seines Subaru Forester steht und sich fragt, was seine Karosse wohl hat. Abgesehen davon, dass der Wagen ein wasseranfälliger Benziner und zudem vollgestopft mit Elektronik ist, befindet sich die Luftansaugung des Motors auf Höhe des Kühlergrills. Trocknen reicht bei dem Wagen wohl nicht mehr. Hat der Motor Wasser geschluckt, ist er reif für den Schrott, denn Wasser kann im Gegensatz zu Luft von den Kolben nicht komprimiert werden. Und wo rohe Kräfte walten, weichen dann halt Kolben oder Pleuel.
Nahe des Pentecoast River übernachten wir an einem typischen Outbackposten. Das Home Valley ist ein Traum aus Schrott. Abenteuerlich zusammengeschraubt aus Stahlrohren und Wellblechplatten lebt es von der Herzlichkeit und der unermüdlichen Arbeit seiner Bewohner, die mit ihren Händen dieses Stückchen Land der Natur abringen wollen. Die Räumlichkeiten reichen von einer Bar über meherer Gästezimmer, einen Pool, den Sanitäranlagen bis hin zu einem riesigen Ballsaal, der zu seinen besten Zeiten das gesellschaftliche Herz der ganzen Gegend gewesen sein muss. Heute erinnern nur noch die verstaubten Deckenlüfter und verrostete Bettgestelle an die einstigen Feste, die hier gefeiert worden sein müssen.
Unser besonderes Interesse gilt den Sanitäranlagen, die auf der bisherigen Reise sehr unterschiedliche Reinlichkeitsgrade aufwiesen. Von lupenreinen Badezimmern bis "geht noch" (Nase zu und wegschauen) durften wir dabei schon alles konsultieren und freuten uns nicht selten über die weitläufige, einsame Natur, die oftmals viel einladender wirkte. Hier im Home Valley ist jedoch alles rundweg sauber. Sogar Toilettenbürsten gibt es. Da haben die Australier irgendwie eine Eigenart. Während Plumpsklos in der Regel Bürsten hatten (die dann sogar - keine schlechte Idee - sogar angebunden waren), kamen Wasserklosetts nahezu immer ohne Bürsten aus. Oder eben nicht. "Geht noch..."
Aber nicht nur, dass die Sanitäranlagen im Home Valley sauber waren, sie waren sogar auch künstlerisch und wissenschaftlich wertvoll. Hört sich etwas übertrieben an? Nun, jeder Toilettenraum (bestehend aus Toilette, Waschbecken und Dusche) war von anderen "Künstlern" bemalt worden. Da gab es die Tierzeichnungen einer ganzen Schulklasse zu sehen (shool of the air), Impressionen von Meerestieren und Pflanzen aber auch moderne Kunst und im Boab-Raum einen wunderbaren Sonnenuntergang. Und die Wissenschaft? Nun, wer sich für Frösche, Amphibien und Echsen interessiert, ist im Home Valley Gold richtig. Egal in welchen der Räume man sich abends zum Duschen oder für andere Geschäfte zurück zog, man hatte dort ausgiebig Zeit die dutzenden Frösche und anderen Tiere zu studieren, die an den Wänden, auf und unter dem Klodeckel, im Ausguss, auf dem Spiel, auf den Wasserhähnen und sonstwo klebten, wo sie sich gerade halten konnten. Die Frösche - was eine Ausnahme! - waren zwar nicht giftig, aber wir können uns gut vorstellen, dass die Natur für den ein oder anderen Gast doch wieder einladender aussah. Das sollte man im Home Valley aber gleich mehrfach überdenken, liegt die Farm doch direkt an einem Wasserlauf mit Meereszugang. Salzwasserkrokodile (Salties) konnten wir zwar keine sichten, vertrauten aber voll und ganz auf die Auskunft des Farmer. "Auch wenn man sie nicht sieht. Sie sind da." "Garantiert".
Die Fahrt entlang des Pentecoast River zu den Perry Laggons entspricht genau unseren Vorstellungen von der australischen Wildnis. Die schmale Spur schlängelt sich über Stock und Stein am Flussufer entlang und offenbart immer wieder schöne Ausblicke auf den mächtigen Fluss, der zu Beginn der Flut am Ufer und in der Flussmitte gegenläufige Strömungen zeigt. Zwar dauert es einige Zeit, bis wir Wyndham erreichen (erstmals verfahren wir uns etwas gröber), doch auch in Wyndham nehmen wir uns noch die Zeit, den vom Tankwart gepriesenen Aussichtspunkt "5 Rivers" anzufahren.
Und tatsächlich, wir sollten nicht enttäuscht werden. Hoch oben über der kleinen Gemeinde haben wir einen wunderbaren Rundumblick. Insbesondere die weitläufige Küstenlinie mit den ausgedehnten Überschwemmungsgebieten hat einen aussergewöhnlichen Reiz aus der Vogelperspektive.
Aufbruch: | 26.04.2004 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 10.06.2004 |