...lului - transsilvanische Verwirrungen

Reisezeit: Juli 2008  |  von Norbert Wallner

Found Before Lost

Nach ruhigem, ereignislosem Flug landen wir in Otopeni, dem internationalen Flughafen von Bukarest, der das Flair eines Provinzflughafens der 80er-Jahre verbreitet. Immerhin sieht man durch den Gepäcksfördertunnel aufs Flugfeld. Und da ist zwanzig Minuten nach der Landung gähnende Leere, sieht nicht so aus, als würde Elfis Tasche noch kommen. Rechts hinten Lost & Found. Hier warten die Leute, die die Warteposition am Förderband verlassen haben. In göttlicher Eingebung schwindle ich mich in den Raum, um zu fragen, ob ich hier richtig bin. Nein, gegenüber, hier ist nur Tarom. Okay, EU hin, EU her, ich erwarte eh keine Hinweisschilder. Sorry liebe Wartende, findet es selbst heraus, wenn ich Euch was sage, muss ich rennen, und das will ich nicht. Kann also gemütlich, mit Elfi im Schlepptau ans andere Ende der Halle schlendern, wo man auf jedwede Hinweise verzichtet.
Your baggage is in Vienna, informiert uns eine typisch sauer blickende Beamtin. Schön, dass es gefunden ist noch bevor wir den Verlust bemerkt haben. Das kleine Büro müsste Found Before Lost heißen. Wahrscheinlich ist die neue Hinweistafel gerade in Produktion und hängt deswegen gar keine dort. Beruhigend, dass man weiß, wo die Tasche ist. Sie könnte ja auch in Moskau oder Tiflis sein.
Die Tasche kommt am Abend. Aber wir bleiben nicht in Bukarest. Wir können sie spätabends am Flughafen in Sibiu abholen. Also eigentlich bin ich hier, um das Land zu besichtigen und nicht zwischen verschiedenen Flughäfen zu pendeln. Also Zustellung in unser Quartier oder Geld fürs Taxi! Geld gibt's bei ihr keines, und Zustellung ins Quartier auch nicht. Langsam werde ich ungemütlich. Das ist nicht EU-konform, auch Rumänien ist in der EU, liebe Dame. Nun rückt sie einen Notfallsbeutel mit T-Shirt und Zahnbürste heraus. Sicherheitshalber gleich einen zweiten, weil wir zu zweit erschienen sind. Schaut so aus, als würde die gute Frau schon leicht genervt sein. Stell mir gerade einen Geschäftsreisenden vor, wie er im T-Shirt auf der Vorstandssitzung erscheint. Und wir bekommen zwei Telefonnummern. Wenn man nicht eine Nummer bekommt, sondern zwei, weckt das prinzipiell meinen Verdacht. Ich meine daher, ich will Geld von den Austrian Airlines. Madame verdreht die Augen und schickt uns ins benachbarte Flughafengebäude. Mir ist schon alles Wurscht, die Olt-Klöster habe ich ohnehin schon aus dem heutigen Programm gestrichen. Ich stelle mit Erstaunen und Ärger fest, dass die Austrian Airlines in einem Land mit deutscher Minderheit niemanden am Schalter haben, der meine Muttersprache spricht. Wenigstens gutes Englisch. Doch, die AUA-Frau kann uns schon Geld fürs Taxi geben, aber heute Abend wird so spät niemand mehr am Flughafen in Sibiu sein, der uns die Tasche geben könnte. Morgen Früh. Nein danke, noch einmal einen halben Tag wollen wir eigentlich nicht verschwenden, bitte - wie es international üblich ist - um Zustellung. Dann kommt die Tasche aber erst am späten Nachmittag. - ??? - Der Zustelldienst kann erst am späten Nachmittag zustellen. Diese Logik verstehe ich nicht. Sollen sie halt die Tasche mit einem Taxi schicken. Ob sie mir das Taxi zum Flughafen zahlen oder ein Taxi vom Flughafen zu mir schicken sollte ja wohl aufs Gleiche heraus kommen. Tut es aber nicht. Entweder in der Früh selbst holen oder Zustellung später Nachmittag. Mrs. AUA hat auf tibetische Gebetsmühle umgeschaltet. Endlich hat sie mich mürbe. Sie gibt mir eine dritte Telefonnummer, falls mit den ersten beiden etwas nicht klappen sollte. Ich denk mir, es hat sich also doch etwas geändert seit dem Kommunismus. Damals war die erste Nummer immer vom Salzamt und die zweite von der jeweiligen KGB-Außenstelle. Als dritte Nummer konntest Du dann drei Wochen später deinen Anwalt in Österreich anrufen. Oops, das war jetzt böse!

Also zurück in die Ankunftshalle, wo Manfred inzwischen den Autoverleih gesucht hat. Er hat seinen Führerschein gesucht. Okay, irgendwo auf dem Weg hab ich eine Abzweigung zu Rent A Car gesehen. Und Elfi hat ihren Führerschein mit. Egal, meine Drogen wirken, ich werde ohnehin keinen zweiten Fahrer brauchen, also ist es mir egal, ob Manfred nicht fährt oder Elfi nicht fährt.
Es dauert nur noch eine weitere Stunde, bis der junge Mann am Mietwagen-Schalter Zeit für uns hat, die meiste Zeit wühlt er verzweifelt in einem Berg von Unterlagen, die sich unter und hinter dem Tisch in wildem Durcheinander stapeln.
Zumindest die Übergabe unseres knallroten Opel Astra erfolgt zügig. Wir protokollieren alle Schrammen rund ums Auto. Eigentlich hätte er nur mit seinem Stift einen Kreis ums Auto malen müssen, ist eh überall eine Schramme. Naja, er nimmt's ganz genau. Also wenn die jedes Mal 300 Euro Kaution einbehalten, brauchen sie nimmer reparieren, da geht sich bald ein neues Auto aus. Auch nicht unser Problem, meine Internet-Agentur übernimmt sowieso den Selbstbehalt. Ansonsten ist das Auto aber gut in Schuss und endlich um halb eins statt zwischen halb zehn und zehn können wir starten. Auf ins Abenteuer!

© Norbert Wallner, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine zehntägige Reise durch Siebenbürgen. Ahnenforschung und Besuche von Kinderheimen wurden mit einem touristischen Programm verknüpft, das nicht nur die Highlights umfasste. Städte, Burgen, Menschen: Abenteuer am Rande Europas.
Details:
Aufbruch: 02.07.2008
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 11.07.2008
Reiseziele: Rumänien
Der Autor
 
Norbert Wallner berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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