...lului - transsilvanische Verwirrungen

Reisezeit: Juli 2008  |  von Norbert Wallner

Hermannstadt

In Sibiu übersehen wir Gott sei Dank die richtige Abzweigung. Die hätte uns nie und nimmer zum Ziel geführt. Schon überhaupt, da auch in Sibiu kaum Straßenbezeichnungen vorhanden sind. Nach der zweiten Ehrenrunde parke ich mich nur ein Eck vom Bischofspalais ein.

In diesem sind wir nämlich untergebracht. Zumindest war dort reserviert. Leider ist da keiner mehr. Auch der liebe Gott hört unser Klingeln nicht. Als einige Leute aus dem Haus kommen, huschen wir schnell hinein.

Irgendein im selben Haus untergebrachtes Institut hat noch offen, und die verständigen den Hausmeister. Und schon wieder ein Wunder. Der Hausmeister weiß, dass wir kommen und hat die Schlüssel für unsere Zimmer, die sich als sehr geräumig erweisen.

Im Abendrot erkunden wir das erste Mal den renovierten Teil der europäischen Kulturhauptstadt 2007 - des ehemals "sächsischen" mittelalterlichen Hermannstadt.

Die Oberstadt ist bereits zu zirka zwei Drittel renoviert und erstrahlt in neuem Glanz. In der wesentlich größeren Unterstadt jedoch sind nur einzelne Häuser saniert. Die verfallenden Häuser versprühen zwar einen gewissen optischen Charme, bieten aber mit Sicherheit eine katastrophale Wohnqualität. Da Sibiu insgesamt eine aufstrebende Stadt ist, in der im Unterschied zu anderen Städten offensichtlich neue, auch qualitativ gute Arbeitsplätze geschaffen werden, ist zu befürchten, dass die Grundstückspreise entsprechend steigen werden und viele alte Häuser in der Unterstadt der Spitzhacke zum Opfer fallen werden, um neueren, größeren, "schöneren" zu weichen. Noch jedenfalls bildet das ganze ein geschlossenes Ortsbild.

In einem Schanigarten an der Piata Mica verwöhnen wir uns zum Abschluss dieses Tages mit einem guten Abendessen, wobei vor allem ich mit einem exquisiten Schwammerlgulasch einen Goldgriff lande. Das Essen an diesem lauen Sommerabend sollte sich als das beste unserer gesamten Reise erweisen.

Am nächsten Morgen eile ich kurz vor acht schnell zum Auto, da man fürs Parken in der Innenstadt Parkscheine benötigt. Nur wo herkriegen? Ich frage auf der gegenüberliegenden Polizeiwachstube. Die nette Polizistin ist zwar liebenswürdig, kann auf Englisch aber nur grüßen. Sie ruft ihren Kollegen, einen gemütlichen, etwas in die Breite gegangenen Kumpeltypen, der mir mit drei Brocken Deutsch und zwanzig Brocken Englisch weiterhelfen kann und mich aufs Gemeindeamt an der Piata Mica schickt.

Dort ist auch wirklich schon geöffnet und ich bekomme für einen Lei (also 30 Eurocent) ein Tagesticket. Als ich endlich wieder beim Auto zurück bin, ist es zwanzig nach acht und ich hab bereits einen Strafzettel hinterm Scheibenwischer. Mit Parkschein und Strafzettel in der Hand suche ich wieder die Wachstube auf, wo man sich königlich amüsiert. Ich möchte gerne mitlachen und frage, was ich machen soll. Mein lieber Schwejk macht eine Wegwerfbewegung, während mir die Kollegin mit wilden Gesten zeigt, ich soll das Parkticket hinter die Windschutzscheibe legen. Das ist mir ein bissl zu unsicher. Wo kann ich die Strafe zahlen? Er erklärt mir kopfschüttelnd wieder irgendwas mit der Piata Mica. Auto rentata? Ja, Auto rentata! No problem, und er macht wieder die Wegwerfbewegung. No problem, wiederholt er.
Ich bedanke mich mit artigem Grinsen und begebe mich noch auf einen kleinen Spaziergang, da ich neun Uhr Treffen mit meinen Mitreisenden vereinbart habe.

Bei einer verfallenen Klosterkirche ist das Vorhangschloss geöffnet. Ich kann nicht widerstehen und husche durch die angelehnte Tür ins Innere.

Es ist ein romanischer Bau, der nur wenige gotische Stilelemente aufweist, muss also zu den ältesten der Stadt gehören. Das Innere der Kirche wirkt sehr verfallen, sehr nass, und hat eine orthodoxe Einrichtung. Der Boden ist dick mit Teppichen ausgelegt, es sieht aus, als wäre großteils nackter Lehmboden darunter.

An der Altarwand macht sich eine ältere Frau zu schaffen, mehr betend und verneigend als putzend. Nach dem hundertsten Kreuzzeichen wendet sie sich mir zu. Sie spricht ein wenig deutsch und erklärt mir, dass die Kirche aus dem Jahr 1285 stammt und erst katholisch, dann protestantisch war, und jetzt orthodox. Als ich meine, ist egal, ist ja alles christlich, nickt sie mir lächelnd zu und führt mich durch die Kirche, zeigt mir mit geheimnisvollen Handbewegungen den Altarraum und führt mich dann in den Klosterhof hinaus, wo eine uralte Glocke hängt.

Mit kindlicher Freude schlägt sie die Glocke an, die mit hellem Klang einen alten Mann herbeiruft. Der ist überglücklich, jemanden zu finden, der deutsch spricht. Viele sprechen nicht mehr deutsch hier, meint er. Ja, diesen Eindruck habe ich auch.
Er erzählt mir noch ein bisschen über die Kirche und die beiden alten Leute führen mich in die Apsis hinter der Kirche, wo sie einen kleinen familiären Altar eingerichtet haben.

Als er mich um eine kleine Spende für die Kirche bittet, zücke ich meine Geldbörse. Nein, er kann das nicht nehmen, ich soll es drinnen in der Hauptkirche auf den Altar legen, die Frau soll mich wieder hineinführen. Sie sperrt mir die Kirche wieder auf. Ich will das Geld wo hinlegen. Nein, nein, bedeutet sie mir, ich soll es im Altarraum auf den Tisch legen. Na soll sie es halt dort hinlegen. Nein, das geht nicht, Frauen dürfen nicht in den Altarraum. Also öffnet sie mir die Tür und schiebt mich hinein, wo ich endlich meine Spende loswerden kann.

Ich bedanke mich nochmals für die Führung und verlasse den Klosterhof, als mir ein junger Mann mit einem Becher Wasser nachläuft. Man hat verabsäumt, mich zu bewirten, also trinke ich das Wasser, damit die gute Seele Ruhe hat.

Mit einer Viertelstunde Verspätung hole ich nun meine Mitreisenden zum Frühstück ab. Vor zehn Uhr hat natürlich kein Café offen, daher trinken wir im Schanigarten der Pizzeria hinter der katholischen Kirche unseren Cafe Macchiato.

Da wir am Morgen keinen Gusto auf Pizza haben, müssen wir uns noch in der Bäckerei in der Strada N. Balcescu Schokocroissants kaufen, bevor wir die prächtig ausgestattete Metropolitankirche besichtigen.

Im Kirchhof können wir die Rettung eines erkrankten kleinen Straßenhundes beobachten. Mehrere ältere Leute beraten, wie sie ihn am behutsamsten hochheben und transportieren können. Wir hoffen, die Rettung gelingt.

Unser nächstes Ziel ist die gotische evangelische Stadtpfarrkirche.

Manfred verweigert den Aufstieg auf den Turm, also genießen wir zu dritt den wundervollen Ausblick über die Altstadtdächer.

Ursulinenkirche, Franziskanerkirche, zur Stadtmauer mit den schön renovierten Türmen und es geht sich gerade noch ein Bier und ein Eis in der Fußgängerzone aus.

Da das Sekretariat unseres Gästehauses bekanntlich nur bis 15 Uhr besetzt ist, müssen wir wegen Elfis Tasche rechtzeitig zurück sein.

© Norbert Wallner, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine zehntägige Reise durch Siebenbürgen. Ahnenforschung und Besuche von Kinderheimen wurden mit einem touristischen Programm verknüpft, das nicht nur die Highlights umfasste. Städte, Burgen, Menschen: Abenteuer am Rande Europas.
Details:
Aufbruch: 02.07.2008
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 11.07.2008
Reiseziele: Rumänien
Der Autor
 
Norbert Wallner berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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