Italien 2008 -Toskana-Umbrien-Marken mit dem Motorrad
Roselle (Grosseto) - Siena
Cinigiano - Grosseto - Roselle - Siena
4. Tag 25.09.2008 Grosseto - Roselle (archäologischer Ausgrabungsort)
Rolf und ich fahren gegen 8 Uhr ins Dorf um Brot, Schinken, Butter, Kaffee, Milch und Wasser zu kaufen. Ins Dorf sind es 1,2 km, sehr steil und kurvig, eine sehr sehr schlechte Schotterstraße vom Haus bis zur Hauptstraße, die ins Dorf führt. Das ist ein kleiner Wehmutstropfen. Doch die Landschaft um uns herum ist einmalig. Wir frühstücken dann gemütlich mit Inge und Günter und fahren gegen 10 Uhr nach Grosseto zum Einkaufen, denn ich will abends kochen bzw. Rolf wird grillen und dazu gibt es nur Salat und Brot. Dann haben wir nicht so viel zu Spülen. Rolf hat sich angeboten, diese Aufgabe zu übernehmen. Denn so gerne ich koche: Spülen und Abtrocknen sind mir ein Greuel. Wir fahren zuerst in einen Supermarkt, wo wir einen Großeinkauf tätigen, den wir dann in beiden Motorrädern unterbringen. Nun wollen wir in die Altstadt von Grosseto. Die Stadt hat ca. 70.000 Einwohner. Die Gründung Grossetos geht auf das 9. Jahrh. v. Chr. zurück. Die Reisenden nutzen die Via Aurelia als Rastort. Die Via Aurelia war vom 3. Jahrh. v. Chr. an die Verbindungsstraße von Rom über Populonia bis Pisa. Damals befand sich Grosseto wesentlich näher am Meer als heute. Ende des 1. Jahrh. n. Chr. wurde das nahegelegene Roselle von den Sarazenen zerstört und Grosseto damit immer wichtiger. Die Stadt stand unter der Herrschaft der Aldobrandeschi bis sie 1336 von den Sienesen erobert und bis zur Armut ausgebeutet wurde. Erst unter der Herrschaft der Medici begannen sich die Lebensbedingungen wieder zu verbessern. 1766 begann man mit der Trockenlegung des Bodens, indem man Flüsse verlegte und die Sümpfe mit Geröll auffüllte. Das war der Beginn des Aufstieges dieser Region. Der wahnsinnige Verkehr in Grosseto nervt uns, so dass wir aus der Stadt flüchten und in einer kleinen Bar Espresso trinken, ehe wir weiterfahren nach Roselle, etruskische und römische Ausgrabungen aus dem 6. Jahrh. v. Chr.. Roselle wurde in der Antike "Russellae" genannt und befindet sich ca. 10 km nördlich von Grosseto. Roselle war eine der wichtigsten Städte des etruskischen Bundes, bis es 294 v. Chr. von den Römern zerstört wurde. Der Fluss Ombrone verband Roselle mit Chiusi und durch die Via Aurelia war der Ort mit den Städten entlang der tyrrhenischen Küste verbunden. Bis zum Jahre 935, als Roselle von den Sarazenen zerstört wurde, war der Ort Bischofssitz. Heute ist Roselle einer der wichtigsten Orte etruskischer Ausgrabungen in der Toskana. Die bedeutendste Entdeckung Roselles ist das Wohnhaus aus dem 7. Jahr. v. Chr., welches das Bausystem der Etrusker sehr deutlich veranschaulicht. Wir machen ja zurzeit Urlaub im Land der Etrusker. Mir hat diese abgelegene Region der Toskana schon immer mehr gefallen, als die Toskana, die den meisten bekannt ist. Ich war viele Male hier, 1967 zum ersten Mal. Vieles hat sich verändert, aber es ist immer noch eine Landschaft, die nicht vom Massentourismus zerstört wurde. Vor dem Eingang zu dem Park Roselle parken wir, lassen unsere Lederklamotten und Helme bei der netten Frau am Ticketschalter und besichtigen bei angenehmen Temperaturen diesen interessanten Ort. Es ist nicht möglich, auf einer einzigen Reise alle Ausgrabungsstätten und Museen der etruskischen Toskana zu besuchen. Aber Roselle macht es uns leichter, Geschichte zu verstehen. Mit den Ausgrabungen begann man hier erst im Jahr 1959 und noch heute werden die erstaunlichsten Funde ans Licht geholt. Roselle war bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. von einer drei Kilometer langen, aus meterhohen Steinblöcken geschichteten Mauer umgeben. Heute sind Reste dieser alten Mauer, gepflasterte Straßen, Zisternen und Kanäle aus der Zeit der etruskischen Besiedlung zu sehen. Nach unserer Besichtigung (ca. gegen 14.30 Uhr) verlassen wir diese beeindruckende Stätte. Eine schlechte Straße, mit losem Schotter, beendet diesen so schön begonnenen Tag. Rolf und ich fahren voraus, weil Rolf sich mit den Straßen auskennt. Wie wir abfahren, schlittert unser Motorrad ganz arg, Rolf muss sich anstrengen, es zu halten. Ich sitze ganz ruhig, es ist ein komisches Gefühl. Plötzlich, als wir den Schotterweg hinter uns haben, sagt Rolf: Günter ist gestürzt. Er hält und wir rennen zurück. Günter liegt auf dem Boden, er bewegt sich nicht, gibt keinen Laut von sich. Inge weint: mein Arm, mein Arm. Die Leute des Parkes, voran der Leiter, kommen zu Hilfe. Sie haben sofort einen Notruf abgesetzt, denn wir sind hier in der Pampa. Günter bekommt kaum Luft, man nimmt ihm vorsichtig den Helm ab, bettet ihn sachgemäß. Ich bin entsetzt, ich kann es einfach nicht fassen. Gerade haben wir noch gelacht, waren fröhlich und jetzt haben wir Angst. Plötzlich bewegt sich Günter, steht auf und sagt: ich hab doch nichts. Nur etwas Blut ist an seinem Kinn. Wir sind fassungslos, aber heilfroh. Inge, die starke Schmerzen hat, wird von den Frauen des Parkes mitgenommen, damit sie sich setzen und ausruhen kann. Mit vereinten Kräften von mehreren starken Männern, u. a. Günter und Rolf, wird die schwere Maschine (ca. 345 kg) aus dem Graben gehoben. Sie ist kaum beschädigt, der Sturzbügel ist verbogen und einiges verzogen, aber sonst ist alles ok. Rolf fährt die Maschine an die Seite auf den Parkplatz. Inzwischen sind die Feuerwehr, die Polizei, ein Notarztwagen und ein Hubschrauber da. Es wird in Italien immer ein Hubschrauber geschickt, wenn Motorräder in einen Unfall verwickelt sind, weil diese Unfälle meist schwerwiegend sind und schnellste Hilfe angesagt ist. Da ich die einzige bin, die Italienisch spricht, muss ich alles und jedem übersetzen. Der Arzt untersucht Inge und äußert die Befürchtung, dass der Arm nicht nur gebrochen, sondern auch was mit dem Schultergelenk ist. Sie muss mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus nach Grosseto gebracht werden. Leider darf ich sie nicht begleiten, da die Carabinieri darauf bestehen, dass ich zum Übersetzen da bleibe. Günter ist etwas desorientiert, die Polizei entscheidet daher, dass er nicht mehr fahren darf (auch kein Auto, für mind. 2 Tage), weil er sich nicht vom Arzt untersuchen lassen will. Der Unfall wird sofort in einem Protokoll in einen Computer aufgenommen, was jedoch ziemlich lange dauert. Der Hauptverantwortliche der Carabinieri ist sehr hilfsbereit, er ruft einen Bekannten an, der ein Motorradgeschäft besitzt und zu diesem Dealer soll das Motorrad abgeschleppt werden. Rolf kümmert sich die ganze Zeit um die Motorräder und um Günter, während ich mit der Polizei und dem Arzt den Papierkram erledige. Endlich kommt der Abschleppwagen, doch die Männer können das schwere Motorrad nicht auf den Wagen bringen. Wieder heißt es warten auf einen anderen Abschlepper. Als dieser endlich kommt, fährt Günter mit dem Abschlepper mit und Rolf und ich folgen auf unserem Motorrad. Der Dealer in Grosseto ist sehr nett und hilfs-bereit. Er sieht sich den Schaden an und will ihn spätestens bis Montag beheben. In dieser Zeit kann auch Rolf sein Motorrad bei ihm stehen lassen, denn Günter und Rolf haben entschieden, einen Mietwagen zu nehmen. Wir wohnen schließlich am Ende der Welt und können nicht mit 4 Personen auf dem Motorrad fahren. Der Dealer lässt uns von einem Mitarbeiter auf seine Kosten zu der Mietwagenfirma nach Grosseto bringen, was ein Heidenaufwand ist, weil wir ja unseren Rieseneinkauf, den wir nicht in Tüten haben, umladen müssen. Nachdem wir den Mietwagen haben, alles eingeladen ist, fahren wir ins Krankenhaus, denn es ist schon spät, 18.30 Uhr und Inge wird sicher auf uns warten. Leider erfahren wir im Krankenhaus nichts Gutes: Inge hat einen komplizierten Oberarmbruch und das Schultergelenk ist auch kaputt. Sie muss innerhalb der nächsten 8 Tage von einem Spezialisten operiert werden. Die Ärzte und die deutsche Krankenschwester, die Inge betreut, raten zur sofortigen Rückkehr nach Deutschland. Wir stehen alle unter Schock, sind aggressiv. Trotzdem: soviel Hilfsbereitschaft - angefangen von den Leuten des Parkes, über die Carabinieri, die Leute des Abschleppdienstes, den Dealer - ist selten. Um 20 Uhr sind wir mit dem Mietwagen zurück in Cinigiano. Gott sei Dank hat die Apotheke noch auf, so dass wir für Inge die verschriebenen Schmerzmittel holen können. Nun muss die Rückreise von Inge und Günter mit dem ADAC organisiert werden und natürlich auch der Rücktransport des Motorrades nach Mannheim. Aber erst mal essen wir zu Abend, dann folgen endlose Telefonate mit dem ADAC. Um 23 Uhr gehen wir schlafen. Morgen ist ein neuer Tag. Tagesmeilen: ca. 50 (81 km)
5. Tag 26.09.2008 Cinigiano
Inge hat verständlicherweise nicht gut geschlafen, die Schmerzen sind stark. Um 9 Uhr frühstücken wir, dann fahren Rolf und ich ins Dorf, um in der Apotheke eine bestellte Bandage für Inges Arm zu holen, damit dieser gefestigt ist. Außerdem müssen wir einige Unterlagen an den ADAC faxen. Um 11.25 Uhr sind wir zurück, sitzen im Garten, genießen die warme Sonne und den traumhaften Blick auf die Hügel der Maremma. Es könnte so schön sein, wenn der gebrochene Arm nicht wäre. Wieder folgen unzählige Telefonate mit der Polizei, dem ADAC. Inge und Günter müssen zurückfliegen. Sie werden in Cinigiano abgeholt und nach Deutschland geflogen, wo Inge nach Ankunft schnell operiert werden muss. Wir sind alle bedrückt. So hatten wir uns den gemeinsamen Urlaub nicht vorgestellt. Um 14.30 Uhr wirft Rolf den Grill draußen an. Wir haben zwei riesige Bistecca Fiorentina, Endiviensalat, Brot und guten toskanischen Wein. Rolf übernimmt das Spülen, was mich sehr froh macht. Anschließend halten wir Siesta. Rolf macht später den offenen Kamin an, denn im Haus ist es kalt. Aber der Kamin zieht nicht richtig. Wir fühlen uns geräuchert. Abends picknicken wir Käse, Salami, sehen div. Krimis im Fernsehen an und gehen dann früh schlafen. Das Warten auf den Anruf des ADAC, wann der Rückflug für Inge und Günter geht, nervt.
6. Tag 27.09.2008 Cinigiano und die Hügel der Maremma
Um 8.30 Uhr aufstehen. Natürlich war Inges Nacht nicht gut. Ich fühle mich so hilflos, denn ich kann nichts tun, damit es Inge besser geht. Rolf und ich fahren ins Dorf, frisches Brot kaufen. Das Brot hier ist sehr lecker und knusprig, aber salzlos. Dann frühstücken wir und es folgen weitere Telefonate mit allen möglichen Stellen des ADAC. Wir wollen mit dem Mietwagen einen Ausflug ins Nachbardorf machen, damit wir auf andere Gedanken kommen. Doch zuerst geht es nach Grosseto zu dem Dealer. Günter will sehen, was mit seinem Motorrad ist. Am Telefon nannte uns der Dealer den Rechnungsbetrag, 236 Euro. Schien uns hoch, aber Günter ist zufrieden. Das Motorrad ist gerichtet und fertig für den Rücktransport nach Deutschland, wo der Sturzbügel erneuert werden muss. Der Dealer hatte ihn nicht vorrätig und mit dem Harley-Dealer in Viterbo liegen sie im Krieg: sie machen nicht nur keine Geschäfte mit denen, sondern prügeln sich auch!
Rolf und Günter packen Helme, Regenklamotten etc. ins Motorrad, das der ADAC in den nächsten 5 Tagen bei dem Dealer abholen lassen und nach Mannheim bringen lassen wird. Um 12.30 Uhr erreicht uns ein ADAC Anruf: Wir müssen um 13.15 Uhr am Ferienhaus sein. Ein Auto holt Inge und Günter ab. Ihr Flug geht um 18 Uhr von Rom nach Frankfurt. Dann wird Inge in die Klinik gebracht. Wir hoffen, dass mit der Operation alles gut geht und ihr Arm wieder voll in Ordnung kommt. Nach dem Abschied fahren Rolf und ich mit dem Mietwagen durch die Maremma, eine wunderschöne wilde Landschaft, kleine Dörfer, wie an die Berge geklebt. In einem Bergdorf sitzen wir mit den Alten des Dorfes in der Sonne, genießen Cappuccino, Wasser und Rotwein für 2,50 Euro! Hier ist die Welt, auch preislich, noch in Ordnung. Man sieht überall sehr viele alte Menschen, Frauen und Männer. Alle sind gut zu Fuß und geistig voll da. Sie leben im Umfeld der Familie, Altersheim - nein Danke. Um 17.30 Uhr sind wir zurück in Cinigiano, duschen, sehen fern. Gegen 19 Uhr fahren wir ins Dorf, um in der kleinen Trattoria den Abend ausklingen zu lassen. Wir müssen uns von dem Stress erholen, denn das Ganze hat uns beide sehr mitgenommen. Unser tolles Menü: Peccorino mit scharfem Öl zur Vorspeise, dann Farfalle mit frischen Steinpilzen der Region bzw. Spaghetti con Vongole und als Hauptgang Dorade mit Spinat und gegrilltem Gemüse. Die Dorade - ein Gedicht. Wir haben in der kleinen gemütlichen Trattoria, die sich in einem alten Gewölbe befindet, einen tollen Tisch, ganz am Ende, von wo wir das komplette Geschehen im Lokal überblicken können. Für uns beide, die wir ja immer neugierig sind, ideal. Ein sehr schöner Abend, trotz der Gedanken an Inge.
7. Tag 28.09.2008 Cinigiano - Siena
Wir schlafen lange, haben noch keinen Anruf von Günter bekommen, was uns beunruhigt. Wir frühstücken draußen, es ist ein herrlicher Blick in die Landschaft. Um 10.30 Uhr fahren wir los, Richtung Siena, ca. 70 km, wo wir um 11.30 Uhr ankommen. Geparkt wird auf dem Parkplatz Santa Catarina. Von dort fahren Rolltreppen hoch in die Stadt. Parkgebühr 1,60 Euro/Stunde. Ich war schon mehrere Male in Siena, trotzdem gefällt es mir hier immer wieder. Rolf ist zum ersten Mal da und so machen wir eine Rundwanderung zu den wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten Sienas. Mit seiner verwinkelten Altstadt und den engen Gassen erweckt Siena den Eindruck einer mittelalterlichen Stadt, ein Stadtkunstwerk der Gotik. An der Piazza del Campo trinken wir unseren teuersten Cappuccino (4,00 Euro) und Espresso (2,50 Euro) auf dieser Reise! Aber dafür sitzen wir ja auch hier an dem Platz, wo jährlich der berühmte Palio- ein Reiterkampf - stattfindet. Es ist angenehm, zu dieser Jahreszeit Siena zu besuchen. Es gibt nicht so viele Menschen hier wie in der Hauptsaison. Die Sonne kann sich nicht richtig durchsetzen, es ist ziemlich frisch und so machen wir einen weiteren Stadtrundgang, sehen uns die schönen Geschäfte an: Kleidung, Lederwaren - sehr ausgefallen und NICHT teuer! In einem urigen Laden erstehen wir eine kleine Zeichnung von Siena für unsere Italienwand in unserem Haus. Später sitzen wir am Dom in der Sonne, um uns aufzuwärmen. Nach 3 Stunden fahren wir gemütlich Richtung Cinigiano. Unterwegs halten wir in einem malerischen Ort - Paganico - an der Piazza, trinken Cappuccino (1 €) und Rotwein (1,50 €) und genießen die Sonne. Einige einheimische Jäger in ihren Tarnanzügen sitzen auch dort und tauschen ihre Erlebnisse der heutigen Jagd aus. Gegen 16 Uhr sind wir Zuhause. Ich bin heilfroh, denn die kurvigen Straßen machen mir zu schaffen. Im Auto wird mir übel, wie in meinen Kindertagen. Gott sei Dank bringen wir morgen das Auto zurück und fahren wieder mit dem Motorrad. Da merke ich nichts. Heute gegen 19 Uhr gehen wir nochmals in die Trattoria im Ort zum Essen. Wir nutzen es aus, dass wir noch das Auto haben, denn mit dem Motorrad die schlechte Straße zu unserem Haus in der Dunkelheit zu fahren ist zu gefährlich. Wir essen eine gemischte Vorspeise mit Fisch, Nudeln mit Wildschwein, ein 300 gr.-Filet (9 €!) bzw. Schweinebraten, Wein, Wasser, Kaffee. Einfach super.
Aufbruch: | 22.09.2008 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 09.10.2008 |