Italien 2008 -Toskana-Umbrien-Marken mit dem Motorrad

Reisezeit: September / Oktober 2008  |  von Uschi Agboka

Norcia - Monti Sibillini - Gubbio

Norcia - Monti Sibillini (Piano Grande) - Montefalco - Gubbio - Citta di Castello

Norcia - Stadt des Heiligen Benedikt

Norcia - Stadt des Heiligen Benedikt

Kaffeepause in Norcia - Tagebuch und Karten schreiben

Kaffeepause in Norcia - Tagebuch und Karten schreiben

Norcia - auch bekannt durch seine Trüffeln und andere Leckereien

Norcia - auch bekannt durch seine Trüffeln und andere Leckereien

12. Tag 03.10.2008 Mantignana - Norcia - Monti Sibillini (Piano Grande) - Montefalco

Da wir beide nicht gut geschlafen haben (Günter erzählt uns, dass Inge evtl. Probleme mit dem Arm behalten wird), stehen wir früh auf, frühstücken auf der Terrasse und fahren um 9.40 Uhr los, Richtung Spoleto. Es geht in die Berge, auf einer schönen Straße, kaum Verkehr, Richtung Norcia, wo wir um 11.40 Uhr eintreffen. Eine faszinierende Landschaft ist das hier. 604 m hoch gelegen, am Rand der Marken, am Fuße der Sibillinischen Berge. Norcia hat ca. 5.000 Einwohner, die Nursini genannt werden. Der Ursprung des Ortes geht auf die Zeit der Sabiner zurück. Weit über Italien hinaus ist Norcia bekannt für seine schwarzen Trüffel und die hier in Handarbeit gefertigten Schweinewürste. 480 wurde der Heilige Benedikt, der Gründer des Benedikerordens, in Norcia geboren. In der Kirche San Benedetto zünde ich für Inge eine Kerze an. Auf einen Zettel schreibe ich eine Fürbitte in Italienisch. Diese Fürbitte wird eine Woche lang während der Messen verlesen. Ich bitte darum, dass Inges Arm wieder ganz in Ordnung kommt. In einem Kramsladen erstehe ich Handtücher, Topflappen und getrocknete Porcini (Steinpilze), die ein herrliches Aroma für viele Saucen geben. Unsere Fahrt geht weiter in den Parco Monti Sibillini, auf die Hochebene, den Piano Grande. Unterwegs sehen wir einige Drachenflieger. Es begegnet uns kaum ein Auto. Wir scheinen hier ganz allein zu sein. Der 70.000 ha große Nationalpark Monti Sibillini ist ein Teil des Apennins. Die unteren Lagen sind bewaldet. Die höheren Lagen sind mit Gras bewachsen. Der höchste Berg ist der Monte Vettore mit 2.476 m. Es gibt ein sagenumwobenes Wandergebiet, denn, so die Legende, die Zauberin Sibilla Apeninica soll den Sibillinischen Berg bewohnt haben. Man findet eine Höllenklamm mit dem Namen "Gola Infernacio" - Höllenschlund. Und der Sage nach soll Pontius Pilatus in den Pilatus-See gestürzt sein. Auf unserem Weg begegnen wir großen Schaf- und Rinderherden, die hier frei herumlaufen. Die furchterregenden Tiere mit ihren großen Hörnern machen mir ein bisschen Angst. Auf dem Motorrad ist man leichter angreifbar als im Auto. Aber die Viecher sind friedlich. Bald erreichen wir die Hochebene, den Piano Grande. Es bietet sich ein überwältigender Anblick. Im Sommer ist das hier ein Blütenmeer. Doch wir haben Oktober und es ist kalt, sehr kalt. Auf dieser fruchtbaren Hochebene (1.450 m) werden die berühmten Berglinsen angebaut. Wir fahren weiter und kommen nach Castelluccio, 1.452 m, das höchstgelegene Dorf Italiens, mit nur 152 Einwohnern. Die Landschaft ist unwirklich schön. Die Bewohner Castelluccios aber haben längst die negative Seite des Tourismus angenommen, völlig überteuerte Preise, für alles. So machen wir nur einen kurzen Stopp, ehe wir weiterfahren bis nach Visso, ein kleines verschlafenes Bergdorf. Dieser kleine Ort in den südlichen Marken liegt so weit ab von allen Touristenpfaden, dass er trotz seiner architektonischen Schönheit nur wenige Besucher anzieht. Man fährt durch die Porta Santa Maria und gelangt auf die Piazza Capuzi, ein intimer dreieckiger Platz, umstanden von stuckverzierten mittelalterlichen Gebäuden. Der Palazzo dei Governatori ist der prächtigste von allen. Links gegenüber an der angrenzenden Piazza Martiri Vissani liegt die romanisch-gotische Kirche Santa Maria, deren wunderschönes Portal von zwei Löwen flankiert wird. Direkt am Marktplatz sitzen wir, so dass wir das Ortsgeschehen im Blick haben und dem Markttreiben zusehen kön-nen. Hier ist die Welt, auch preislich, wieder in Ordnung: Wasser und Wein für 1,50 €. In der warmen Mittags-sonne wärmen wir uns auf, halten einen Plausch mit einigen Alten des Dorfes, die Rolfs Motorrad bewundern und ich erstehe im Gemüseladen des Ortes Salat und Obst für unser Abendessen. Die Sonne gewinnt Oberhand, die Regenwolken sind verschwunden. Wir fahren durch die Marken, eine landschaftlich sehr sehr schöne Strecke. Über Foligno gelangen wir nach Montefalco, einen bekannten Weinort. Den Namen "Falkenberg" erhielt die Stadt durch Kaiser Friedrich II, der hier oft zur Falkenjagd weilte. Der Falke ziert noch heute das Stadtwappen und eines der Stadttore. Auf unserem Rundgang durch das schöne Städtchen erstehe ich im Ausverkauf vier schöne gelbe Stoff-Servietten. Ich bin mal wieder happy. Nun geht die Fahrt Richtung Mantignana, wo wir um 17.15 Uhr eintreffen. Wir packen unsere Einkäufe aus, die wir unterwegs in einem Supermarkt erstanden ha-ben: Lachsforelle, Salat, alkoholfreies Bier, Baguette und Endiviensalat. Wir sitzen ein bisschen in unserem Garten, ehe Rolf mich um 18 Uhr ins Dorf zum Friseur fährt. In der Zwischenzeit fängt es an zu regnen. Ich muss Rolf anrufen, damit er mich abholt. Aber da es Freitagabend ist und alle Italiener sowieso Weltmeister im Telefonieren sind, erhalte ich keine Verbindung. Ich bin ziemlich verzweifelt. Doch endlich kann ich ein SMS absetzen und Rolf holt mich nach Hause. Heute gibt es zum Abendessen Kalbschnitzel, Nudeln, Rotwein, Bier und Pfirsiche. Gegen 22 Uhr liegen wir im Bett.

Tagesmeilen: 195 (314 km)

13. Tag 04.10.2008 Mantignana - Gubbio - Citta di Castello -

Da es in der Nacht stark gewittert hat, haben wir nicht so gut geschlafen. Darum bleiben wir heute Morgen länger im Bett, frühstücken dann auf unserer Terrasse und fahren erst um 10.30 Uhr los. Es geht über Umbertide nach Gubbio. Gestern haben wir im Fernsehen gehört, dass am Sonntag (morgen) dort ein großes Fest ist und mit vielen zusätzlichen Besuchern gerechnet wird. Darum fahren wir heute nach Gubbio. Es liegt in 522 m Höhe an den Hängen des Monte Ingino im Apennin. Auch der Ursprung dieses Ortes geht auf die Zeit der Etrusker zurück. Je näher wir der Stadt kommen, desto stärker der Verkehr. Doch wir haben Glück, finden einen guten Parkplatz für unser Motorrad und laufen zu Fuß in den Ort. Heute ist es warm, die Sonne scheint. Ein herrlicher Tag zum Motorradfahren. Wir sehen uns die Altstadt an, mittelalterlich, geprägt durch enge Gassen und goti-sche Bauten. Gubbio war ein bedeutendes Zentrum der Umbrer. Im Palazzo dei Consoli (Priorenpalast) werden die einzigen erhaltenen Gesetzestafeln der alten Umbrer, die Eugibinischen Tafeln, aufbewahrt. Die 7 Bronzeta-feln stammen aus dem 1. oder 2. Jahrhundert v. Chr.. Sie sind umbrisch-etruskisch und lateinisch beschriftet, teilweise in Spiegelschrift und das wichtigste Zeugnis der umbrischen Sprache. Die Texte berichten von Kulten und Verordnungen der Stadt. Die meisten Städte Umbriens liegen auf Berghängen und die damaligen Architek-ten haben die dadurch entstehenden Probleme hervorragend gelöst. Gubbio bietet hier Außergewöhnliches. Der Priorenpalast liegt auf halber Höhe des Berges und man sieht von weitem kaum, in welch extremer Hanglage er errichtet wurde. Er ist buchstäblich zum größten Teil "in die Luft hinein" gebaut worden. Er zählt zu den be-deutendsten mittelalterlichen Kommunalpalästen und gilt als eine der kühnsten städtebaulichen Unternehmungen des italienischen Mittelalters. Man nimmt an, dass er im Jahr 1332 von dem Stadtarchitekten Matteo di Giovannello, Gattapone genannt, erbaut wurde. Wir kommen zur Piazza della Signoria, die jedoch nicht die höchste Stelle Gubbios ist. Der Dom liegt noch höher. Enge, malerische Gassen weisen uns den Weg. Rolf läuft voraus, denn ich muss immer wieder die Auslagen der kleinen Geschäfte anschauen bzw. hineingehen und manchmal erstehe ich Kleinigkeiten. Gubbio ist auch bekannt durch den "Corsa dei Ceri", das Fest zu Ehren des Patrons der Stadt, des Heiligen Ubaldo von Gubbio. Dabei tragen drei Mannschaften, alle in historischen Gewändern, jeweils eine fünf Meter hohe und 400 Kilogramm schwere Statue (eine des Heiligen Ubaldo, eine des Heiligen Antonius und eine des Heiligen Georg) auf den Monte Ingino zur Basilika des Heiligen Ubaldo und das möglichst schnell. Der Gewinner steht jedoch schon vorher fest: Die Mannschaft, die die Statue des Heiligen Ubaldo trägt, muss gewinnen, weil dieser ja der Patron der Stadt ist! In einer der engen Gassen stoßen wir auf einen kleinen Platz mit dem "Fontana dei Matti". Wenn man den Brunnen dreimal umrundet und dabei den Brunnenrand berührt, bekommt man ein Zertifikat, das man zu den "Matti Gubbios" gehört. Die Einwohner Gubbios nennen sich ironisch selbst "Matti" (Verrückte!). Rolf hat vor Jahren das Zeremoniell durchgeführt, ich tue es heute. Immer wieder muss ich feststellen, dass man hier in diesen Städten gut zu Fuß sein muss. Es geht steil bergauf, bergab. Gegen 12.40 Uhr sitzen wir auf einer Piazza mit Blick auf die Stadt am Berg und genießen unseren Kaffee. Nach einer längeren Pause - wir nutzen die Sonne aus - geht die Fahrt ins Gebirge, über mehrere kleine Pässe, auf zum Teil abenteuerlichen Straßen in die Marken. Es ist eine fast menschenleere Gegend, nur hin und wieder sehen wir mal ein kleines Haus. Wir befinden uns im Apennin Umbro. Dieses Gebirge zieht leider auch viele Motorradraser an. Wir lassen es jedoch gemütlich angehen und können dadurch die schöne Landschaft viel mehr erleben. Gegen 15.30 Uhr erreichen wir Citta di Castello, die nördlichste Stadt Umbriens. Auch sie ist umbrischen oder etruskischen Ursprungs. Im Jahr 89 v. Chr. wurde sie römisches Municipium unter dem Namen Tifernum Tiberinum (Tifernum am Tiber).

"Municipium" bezeichnete in der römischen Republik eine von Rom abhängige Stadt, deren Bürger gegenüber Rom die gleichen Pflichten übernehmen mussten wie die römischen Bürger. In der Regel handelte es sich also um einen Ort, der sich den Römern hatte unterwerfen müssen. Lange Zeit galten die Einwohner eines Municipiums (Civitas) nicht als vollwertige römische Bürger. Sie mussten zwar im Heer dienen und Steuern zahlen, besaßen jedoch kein Stimm- und Wahlrecht. Erst während des Bundesgenossenkrieges 90 und 89 v. Chr. wurden alle Landstädte Italiens zum Municipum mit vollem Bürgerrecht, so dass seitdem das Wort generell "italische Landstadt" bedeutet.
Im 6. Jahrhundert wurde die Stadt von den Ostgoten verwüstet, später jedoch wieder aufgebaut und trägt seit dem 10. Jahrhundert den Namen Civitas Castelli. Cesare Borgia verleibte die Stadt für seinen Vater, Papst Ale-xander VI, dem Kirchenstaat ein. 1860 wurde Citta di Castello von piemontesischen Truppen für das vereinigte Italien erobert. Es gibt einige schöne Palazzi und Kirchen anzusehen. Außerdem ist die Stadt ein Dorado für Museumsfans. Heute ist jedoch alles geschlossen. Irgendwie macht die Stadt auf mich einen unfreundlichen Eindruck. Vielleicht liegt das auch an dem pfeifenden Wind und der Kälte. In Citta di Castello wurde die bekannte Schauspielerin Monica Bellucci geboren und der bekannte Maler und Materialkünstler Alberto Burri, der eigentlich Chirurg war, lebte und werkte hier (1915-1980). Aber wie gesagt, mir gefällt die Stadt nicht. Heute trinken wir unseren Espresso zum ersten Mal auf dieser Reise im Cafe. Es ist draußen einfach zu kalt und ungemütlich. Bald brechen wir auf und gegen 18 Uhr sind wir in unserem gemütlichen Turm. Es ist sehr kalt geworden. Ich genieße daher ein heißes Bad, während Rolf den Kamin anheizt. Dann essen wir zu Abend, zum ersten Mal in unserem Esszimmer. Es gibt frische Lachsforelle, Endiviensalat, Tomaten, frisches Brot aus Gubbio, Weintrauben, Rotwein und alkoholfreies Bier. Mir gefällt es zu kochen, auch wenn wir nur zu zweit sind. Um 22 Uhr liegen wir im Bett.
Tagesmeilen: 123 (198 km)

Weitere Bilder zu diesem Bericht unter www.harley-rolf.de

Piano Grande - Hochebene der Monti Sibillini

Piano Grande - Hochebene der Monti Sibillini

Castelluccio, 1.452 m, das höchstgelegene Dorf Italiens in den Monti Sibillini

Castelluccio, 1.452 m, das höchstgelegene Dorf Italiens in den Monti Sibillini

Visso - ein verschlafenes Bergdorf in den Marken

Visso - ein verschlafenes Bergdorf in den Marken

Gubbio - Blick auf den Palazzo dei Consoli

Gubbio - Blick auf den Palazzo dei Consoli

Gubbio - Fontana dei Matti (Brunnen der Verrückten)

Gubbio - Fontana dei Matti (Brunnen der Verrückten)

Eine der vielen schönen Gassen in Gubbio
(auch hier: nichts für Fußkranke)

Eine der vielen schönen Gassen in Gubbio
(auch hier: nichts für Fußkranke)

© Uschi Agboka, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Motorradtour durch ein etwas anderes Italien
Details:
Aufbruch: 22.09.2008
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.10.2008
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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