ALBANIEN - Unbekanntes Land zwischen Shkodra und Saranda
Ausflug zu den verborgenen Kirchen Berats
An einem sonnigen Sonntag (07.01.2001) stand eine Fahrt zur Künstlerkolonie Berats an.
Berat ist/war für viele Menschen eine der schönsten Städte Albaniens und wurde unter Enver Hoxhas neben Gjirokastra zur Museumsstadt erklärt.
Die Stadt liegt ca. 100 km südwestlich von Tirana und die erste Teilstrecke führte uns wieder über die relativ gut ausgebaute Strasse nach Elbasan.
Auch bei dieser Fahrt war die bereits früher erwähnte Dunstglocke über dem breiten Tal des Shkumbin unübersehbar
Irgendwo da unten versteckt sich Elbasan mit seinen Eisenverhüttungsanlagen
Die Strasse schlängelt sich im wahrsten Sinne des Wortes ins Tal von Elbasan hinab und könnte für nicht ganz gefestigte Mägen ein ernsthaftes Problem werden.
Dafür entschädigt aber die Fahrt durch lichte Olivenwälder mit einer teilweise beeindruckenden Aussicht.
Die Fahrt "nach unten" führt vorbei an roh zusammen gezimmterten Verkaufsständen, in denen Frauen ihre bäuerlichen Eigenprodukte wie Oliven, Honig, Melonen und Käse anbieten.
An der Ortsausfahrt von Elbasan in Richtung Cerrik galt es dann wieder eine der bekannten road-blocks zu überwinden.
Diesmal richteten sich Maschinengewehre, die aus einem der massiven "Pilze" (Bunker) ragten, bedrohlich auf uns.
Man konnte sich leicht vorstellen, dass hier im Tal des Shkumbin vor wenigen Jahren, während der bürgerkriegsähnlichen Ereignisse im Januar-März 1997, die Gegensätze der beiden grossen Volkstämme der Gegen und der Tosken am heftigsten aufflammten.
Tatsächlich blieben wir aber mit unserer Fahrzeugkolonne völlig unbehelligt - wie die meisten der anderen Fahrzeuge auch.
Es gab allerdings Berichte, wonach vor allem die Lenker von Autos mit Kfz-Kennzeichen aus dem fernen Norden Albaniens besonders gründlich überprüft worden sein sollen.
...und plötzlich konnte man wieder freier atmen...
Zwischen Shtepa und Kukove breitet sich ein riesiges, relativ flaches Gebiet aus, durch das sich der Fluss "Devoll" wälzt.
Besonders beeindruckend ist der in der Ferne sichtbare, über 2400 m hohe "Quke Partizanit", der um diese Zeit mit einer Schneehaube bedeckt war.
... auch wenn die Beschaffenheit dieser "Überlandstrasse" nicht unbedingt unseren Vorstellungen entsprach, wir haben die Fahrt genossen.
Bei der Planung solcher Stipvisiten sollte nicht vergessen werden, dass Entfernungen von 5- 10 Kilometern in Albanien schon mal eine Stunde und mehr Inanspruch nehmen können.
Vor allem, wenn es zuvor geregnet hat, dann ist Niemandem zu raten, solche Strecken ohne Allradantrieb zu befahren.
Ich habe meine Kollegen zunächst auch belächelt, als sie mir rieten, solche Touren nie alleine und nie nur mit einem Fahrzeug zu unternehmen; immer etwas zu Essen im Wagen zu haben und vor allem auch genügend Trinkbares mitzuführen. Ich lies mich aber schnell eines Besseren belehren.
Ein einwandfrei gewartetes Fahrzeug, ein intakter Ersatzreifen, eine gut sortierte Reiseapotheke und vor allem professionelles Bordwerkzeug gehören als Standardausrüstung zu den weiteren Selbstverständlichkeiten.
Auch wenn albanische Schlosser und Mechaniker wahre Zauberer sind, die aus wenig Grundmaterial fast jedes Ersatzteil "schmieden" können; bei den modernen elektronischen Bauteilen stossen auch die besten Handwerker bald an ihre Grenzen. Und deshalb sollten Sie immer genügend Zeit einplanen, so dass auch mal 1-2 Tage Wartezeit in einer Autowerkstätte zu keinem Chaos führen.
Das alles trat aber bei den landschaftlichen Aus- und Einblicken schnell wieder in den Hintergrund...
Bei näherem Hinschauen werden jedoch auch weniger schöne Einzelheiten sichtbar, die hier nicht verschwiegen werden sollen.
Gegensätze... im Tal des Devoll
Das bitter arme Albanien fördert seine Bodenschätze wo immer und solange es immer auch geht.
Die veralteten, seit Jahrzehnten nicht mehr gewarteten Anlagen entsprechen dabei nicht ganz unseren Vorstellungen von umweltgerechter Technik...
Kein Eisenschrottplatz, sondern eine verrostete aber in Gebrauch befindliche Ölförderstation
Eine schmierige, blau-grün-gelblich schimmernde, zähe Brühe fliesst durch diesen Wassergraben am Rande einer Stadt am Devoll.
Unschwer zu erraten, um welche Art von Flüssigkeit es sich dabei handelte...
Polizeiwache von Ura-Vajgurore nach dem Anschlag rivalisierender Bevölkerungsgruppen
Auch solche Bilder der ehemaligen Polizeistation in Ura-Vajgurore sollen nicht unterschlagen werden. Fünf albanische Polizeibeamte sind bei dem Handgranatenanschlag Ende der 90iger Jahre getötet worden...
Kurz vor der Einfahrt nach Berat noch ein Blick auf den 2417m hohen Quke Partizanit.
Der tote Esel lag bei unserer Ankunft halb verwehst am rechten Fahrbahnrand.
Als er am Abend immer noch dort lag, haben ihn die Kollegen notdürftig in den Strassengraben gezogen... und die albanischen Kollegen verständigt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Maßnahmen wirklich Wirkung hatten, aber das eigene Gewissen war wenigstens etwas beruhigt.
Wie Schwalbennester hängen die kleinen, einstöckigen Altstadthäuser am Berg über Berat.
Sicher hat auch der strahlende Januartag und das milde Klima seinen Teil dazu beigetragen, dass der Besuch Berats eine unvergessliche Erinnerung bleiben wird...
Beeindruckender als die Promenade am Fluss "Osum" war aber der Besuch eines der vielen Malerateliers, in dem wahre Kunstwerke für wenig Leki den Besitzer wechseln.
Und nicht weniger beeindruckend waren...
Ausblick von der Burg über Berat auf das Tal des Osums und das gegenüberliegenden Bermassiv des Shpiraq. Parallel verlaufende Täler zerklüften dieses Massiv und bei klarem Wetter können die überdimensionalen Buchstaben "Enver Hoxha" auf den einzelnden Bergbuckeln entziffert werden.
... die (angeblich über hundert) heimlichen Kirchen Berats.
In vielen Gebäuden, die äusserlich eher einem befestigten Bauernhof glichen, fanden sich mehr oder weniger grosse Krichen, Kapellen oder einfache sakrale Räume ...
Auch in diesem Gebäude fanden wir eine Kapelle
zum Teil schlicht, zum Teil pompös ausgestattet sind die religiösen muslimische und christliche Stätten wahre Kleinodien.
Wer genau hinschaut, kann das Steinkreuz dieser christlichen Kirche erkennen...
Es wird ein Geheimnis bleiben, weshalb der Atheist Enver Hoxhas gerade Berat vor den sonstigen sakralen Zerstörungen in Albanien bewahrte.
Vielleicht fühlte er sich doch insgeheim dem Bektashi-Orden, der hier in seiner Jugendzeit ein Zentrum besaß, verbunden?
Nur eine der vielen griechisch-orthodoxen Kirchen hoch über dem Osum.
Ansicht Berats mit nördlicher Ausfahrt aus der Stadt
Der westliche, durch den Osum getrennte Stadtteil Berats.
Das naturbelassene Flussbett führt vor allem im Frühjahr Hochwasser, das bis zu den ersten Häuserreihen reicht.
Viel zu früh wurde es Abend und wir mussten wieder an die Heimfahrt denken.
Das alte malerische Berat ("Bel Grad" = weisse Stadt) wird in der Zukunft sicher ein touristischer Magnet werden, wenn Albanien seine momentanen Probleme meistern kann.
Aufbruch: | Mai 2000 |
Dauer: | 9 Monate |
Heimkehr: | Februar 2001 |