Durch Südböhmen per Fahrrad

Reisezeit: Mai 2009  |  von Manfred Sürig

In den Naturpark Sumava

Aber der Sumava-Nationalpark fängt hier ja erst an! Auf der Karte sehen wir Moore mit Kanälen eingezeichnet, die auf über 1000 Metern Meereshöhe liegen sollen. Das müssen wir uns einmal ansehen. Mit den Höhenlinien auf der Karte haben wir uns inzwischen vertraut gemacht. Also suchen wir uns eine Strecke mit mäßigem Anstieg bis zum Oblik (1225 m ü.M) und wollen dann weiter über Modrava - Kvilda und dann talabwärts in einem der Quellflüsse der Moldau bis Zaton.
Unterwegs erfahren wir sehr bald den Unterschied zwischen Radwegen und Wanderwegen.
Die Route, die wir uns ausgesucht haben, führt auf einem Abkürzungsstück auf einem Wanderweg entlang, wo es buchstäblich über Stock und Stein steil bergauf geht. Vom Weg abweichen, könnte lebensgefährlich sein, denn dort ist noch vermintes Gelände.
Alle 80 Schritte müssen wir eine Verschnaufpause einlegen bis wir wieder einen asphaltierten Weg erreichen, der uns aber auch streckenweise zum Absteigen zwingt. Hinter jeder Kuppe erwarten wir die Paßhöhe, aber da kommt nur die nächste Steigung.

Doch wir bereuen nichts, als wir die Hoch"ebene" erreichen, die urwüchsiger nicht sein könnte.
Wir können auf dem Radweg fast bergab schweben, das Gefälle ist mäßig, aber stark genug, schönes Tempo 30 zu bekommen. Dabei kann man naturbelassene Almen sehen, durch die sich ein immer größer werdendes Bächlein schlängelt. An einem sonnigen Hang finden wir ein frisch gebautes kleines Rastplätzchen mit Dach und urigen Bänken und Tischen, Zeit für eine genüßliche Brotzeit.

Bis Modrava geht es nun nur bergab, im Nu sind wir dort. Modrava liegt noch fast 1000 m ü.M an der Vydra, die nach Norden fließt. Wir fahren nach Osten erst einmal wieder bergauf, bis wir in Filipova Hut eine neue Passhöhe von über 1100 m erreichen. Von nun an sind wir im Gebiet von Moldauzuflüssen, es geht sanft bergab auf einer Straße, auf der nur gelegentlich mal ein Auto fährt.
Kvilda ist die nächste Rast, ein Dörfchen, das im zweiten Weltkrieg genau zwischen den Fronten lag und Schweres durchgemacht hat, Gedenktafeln an der Kirche erinnern daran.

Der Weg weiter bergab ist verführerisch, und so rollen wir heute noch weiter bis Zaton und Lenora. Dort erreichen wir eine Eisenbahnstrecke, auf der die Blaubeerbüsche nur genau Schienenhöhe erreichen, weil hier täglich noch ein paar Züge fahren, die die Vegetation kurz halten.

Auf dem Bahnhof Lenora sehen wir sogar einen Triebwagen, der eine Damengesellschaft noch mehrere Stunden weiter tief nach Böhmen bringen wird

Auf dem Bahnhof Lenora sehen wir sogar einen Triebwagen, der eine Damengesellschaft noch mehrere Stunden weiter tief nach Böhmen bringen wird

In dem Ort, der einmal eine berühmte Glasindustrie beherbergte, finden wir eine Unterkunft in einem riesigen Vierbettzimmer, das früher einmal als Theaterraum gedient haben mag.

Heute müßten wir die Moldautalsperre erreichen, an deren Südufer kaum Autostraßen entlangführen, weil zweimal die österreichische Grenze bis ans Ufer des Sees führt. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs war das alles unzugängliches Grenzgebiet auf tschechischer Seite. Sehen wir uns das also mal an !
Gleich hinter Lenora geht es rechts von der Hauptstraße bergab über die Tepla Moldau.
Ein großer Bootsvermieter hat sich dort angesiedelt, sicher beginnt hier ein schönes Paddelrevier, denn die Moldau hat nur noch wenig Gefälle und fließt träge dahin.

Nun müssen wir sehr genau nach unserer Karte fahren. Links geht's ab durch ein Straßendorf Dobra, für Autos eine Sackgasse nur für Anlieger. Tatsächlich endet die Straße an einer Schranke, die wir umfahren.
Nun gibt es nur noch Natur pur, gelegentliche Regentropfen gehören leider auch dazu. Aber wir sehen Fasane, Hasen hoppeln vor uns über den Weg und links von uns liegt eine sumpfige Ebene, in deren Mitte sich irgendwo die beiden Moldauquellflüsse treffen. Bis dorthin soll die Moldau aufgestaut sein und einen fast 60 km langen See bilden.

Eine Wegmarkierung gibt es nicht, als unser asphaltierter Weg nach links in den Wald abbiegt. Eigentlich müßten wir geradeaus auf eine Bahnlinie zu, dorthin führt durch eine Wiese nur eine ausgetretene Spur. Wir fahren zunächst den Asphaltweg weiter, bis mir ernste Zweifel kommen.

Wir kehren um und wählen die schmale Spur über die Wiese. Sie führt tatsächlich am Bahndamm entlang über eine Brücke - der zweite Moldauquellfluß - zu einer Bahngabelung.
Dort genau treffen wir auf eine schmale Straße nach Osten, die im Slalom immer wieder das Gleis überquert. Gelegentlich begegnen uns Radler in Profiausrüstung, ein Triebwagen begegnet uns, voll mit Touristen und Fahrrädern.
Also sind wir wohl auf dem richtigen Weg. Nun taucht zwischen Bäumen gelegentlich auch der Moldaustausee auf. Gegenüber liegen Kurorte, über den See führt nur ab und zu eine Fähre.

In Nove Chalupi erreichen wir die Zivilisation wieder. Die Bahnstrecke biegt hier über eine Brücke nach Norden ab, eine Informationstafel weist auf die örtlichen Attraktionen hin.

Da ist insbesondere der Schwarzenbergkanal. Er wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts parallel zur Moldau gebaut und diente dem Abtransport von Holz aus der Gegend, die wir durchfahren haben. Zur Zeit der Kriege Napoleons war Holz in Wien und Prag knapp.
Es setzte ein Raubbau auf die Holzreserven des Böhmerwaldes ein, dazu mußte ein Transportweg zum Flößen her. Noch heute gibt es diesen Kanal, an dessen Staustufen auch noch Mühlen betrieben wurden, die Holz verarbeiteten. Das Museum, das darüber Auskunft gibt, finden wir leider nicht, denn die Karte, die dazu aufgestellt wurde, zeigt Süden an, wo Norden ist, wir streiten uns darum, wohin wir weiter müßten.
Am Ende halten wir uns lieber an meine Fahrradkarte.

Aber mit dem Fahrrad kommt man durch !

Aber mit dem Fahrrad kommt man durch !

Und die führt uns in immer einsamere Gegenden, Walddörfer mit Land- und Forstwirtschaft nahe der Grenze zu Österreich, die vom Tourismus kaum berührt sind.
Aber der asphaltierte Radweg ist ausgezeichnet, Radfahrer scheinen hier die einzigen Touristen zu sein.
Später erfahren wir die einstige Funktion dieses Weges: Parallel zum eisernen Vorhang diente er als Patrouillenweg der Grenztruppen für deren Jeeps. Aber von ehemaligen Grenzbefestigungen sieht man nichts mehr. Als einmal die Grenze direkt an den See heranführt, sehen wir rechts im Schilf nur ein paar rot-weiß-rote Schilder mit der Aufschrift "Republik Österreich".

Hinter uns baut sich eine Gewitterwand auf. Es wird Zeit, nach einem Quartier Ausschau zu halten, die letzten 4 Kilometer bis nach Predny Vyton müßten wir noch schaffen.
Leider geht es dorthin nicht auf ebener Strecke. Das Gewitter ist schneller als wir, wir können uns nur noch schnell das Regenzeug überstülpen und uns im Gebüsch verbergen.
Nach 20 Minuten, unsere Füße sind inzwischen naß, können wir weiter und finden sofort ein Hotel, wo wir eine Datscha mit 4 Betten zum Aussuchen mieten. Bei 100 % Luftfeuchtigkeit die Strümpfe zu trocknen, wird ein schwieriges Unterfangen, aber im Durchzug vor der Datschatür könnten wir bis morgen früh Erfolg haben.

Am nächsten Morgen sind alle Gewitter vergessen, Nebel steigt vom Stausee auf, ein Zeichen für gutes Wetter heute, also starten wir Richtung Cesky Krumlov, immer an der Moldau abwärts !

© Manfred Sürig, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mitten in Europa gab es eine Ecke, die ich noch nicht kenne: Ein Streifen abseits des Verkehrs, zu dessen Erkundung man Zeit braucht. Ein Trip von Bayerisch Eisenstein bis Breclav, Slalom über die Grenze, die Europa einmal teilte, war da genau das Richtige.
Details:
Aufbruch: 20.05.2009
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 30.05.2009
Reiseziele: Tschechische Republik
Österreich
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.