Durch Südböhmen per Fahrrad
Endspurt Znaim-Mikolov-Breclav
Gut, dass Tony, mein Mitfahrer, abends noch das Veluxfenster geschlossen hatte. Nachts gibt es einen Wolkenbruch mit Hagel und am nächsten Morgen ist die Temperatur um über 10 Grad niedriger als gestern.
Einladend ist so ein Wetter nicht, also sehen wir uns erst einmal die Stadt Znaim (Znojmo) an.
Der Weg dorthin sollte uns auf einem gekennzeichneten Radweg durch Weinfelder und Kiefernwald führen, aber die Kennzeichnung reichte für uns wohl nicht aus. Also kommen wir über die Europastraße von Osten herein und lernen einmal richtig Durchgangsverkehr kennen. Mit Mühe kommen wir nach links über die Straße ins Zentrum, wo Tony sich vom Rathausturm der Stadt einen Überblick verschafft.
Nach weiteren Besichtigungen ist uns nicht der Sinn, aber der Westwind könnte uns eigentlich gut auf unserem Ostkurs voranbringen, wie weit, das wird sich zeigen. Ich kaufe noch eine weitere Fahrradkarte, die uns vor verkehrsreichen Straßen bewahren soll.
Jetzt sind wir wirklich in der Ebene angekommen, und da es auch wenig Wald gibt, kann uns der Wind gut ostwärts drücken, zumindest bis Jaruslavice und Hradek.
Dort bekommen wir wieder den Patrouillenweg entlang der Grenze zu fassen, der von hier an alle Orte umgeht.
Erstaunt sind wir über die Trockenheit, die hier offenbar normal ist. Große Wagen mit aufgerollten Schläuchen führen Wasser zur künstlichen Bewässerung heran und spritzen Wasser auf Kartoffeläcker und Kornfelder, die recht dürftig aussehen.
An jeder Abzweigung zu einem Dorf gibt es Werbeschilder für Übernachtungsmöglichkeiten, teilweise zu Kampfpreisen von unter 8 Euro.
Heute abend suchen wir aber nach einem schönen Hotel in einem Ort, wo es auch was zu sehen gibt.
Das ist in Mikolov, früher Nikolsburg, wo wir im Hotel Bonsai eine schöne Bleibe finden.
Ein uraltes Städtchen an einem Kalkberg, der weit in die flache Landschaft hineinragt und wohl deshalb schon früh eine strategische Bedeutung hatte.
Auch hier wieder überragt ein riesiges Schloß die Landschaft, und, wie wir später erfahren, ist die Landschaft sogar für die Schloßherren gestaltet worden. Man wollte einen Ausblick auf eine besonders liebliche Landschaft genießen und ließ deshalb einige Gebüsch- und Waldstreifen anlegen, die die sonst eintönige Hügellandschaft etwas beleben sollten.
In der Tat müssen die Architekten ein Faible für Ästhetik gehabt haben, denn jeder Blick in die Schloßanlagen ist eine wahre Augenweide. Selbst naturgegebene Felsvorsprünge sind in die Gebäude geschmackvoll integriert.
Die zugehörige Stadt scheint historisch gewachsen und schmiegt sich um das Schloß von allen Seiten.
Dabei nimmt das ehemalige Judenviertel eine besondere Stellung ein. Die Herrscher siedelten sie hier an, um Handwerker und Kaufleute in der Nähe zu haben und gewährten ihnen dafür Schutz im Ghetto unmittelbar neben der Burg.
Das Hotel Tanzberg und die Synagoge sind heute noch Denkmale aus der Zeit, als 40 % der Bevölkerung Juden waren.
Wir sind überrascht über unsere Entdeckungen, denn von Mikolov hatten wir vorher nie gehört. Dass in Nikolsburg einmal Bismarck den deutschen Kaiser davon abbringen konnte, in Wien einzumarschieren, hatten wir mal gehört - hier also muß das gewesen sein !
Wir wollen unsere Route weiter auf dem Patrouillenweg fortsetzen, das klappt aber nicht, weil man eine Brücke mit der Europastraße darüber gebaut hat und eine Abfahrt für Radler wohl vergessen hat.
Aber schon auf halbem Weg nach Valtice finden wir einen Radweg zum Lednicko-valticky-Areal, worunter wir uns gar nichts vorstellen können. Wieder eine Strecke an Fischteichen entlang, denen man eine frühere intensive Nutzung ansehen kann, die aber jetzt Naturschönheiten bilden - von verrosteten Futtertürmen am Ufer einmal abgesehen.
Mutig fahren wir auch das letzte Stück dieses Weges, auch, als er nicht mehr als Radweg gekennzeichnet ist und kommen durch eine urige Wildnis mit umgestürzten Weidenbäumen und hohem Gras bis zur Straße von Lednice nach Breclav.
Als von dieser Straße links wieder ein Radweg abzweigt, nehmen wir den, ohne zu wissen, ob er nach Lednice oder nach Breclav führt.
Wir kommen in einen Bruchwald, der wohl schon seit Urzeiten naturbelassen ist. Rechts und links passieren wir tote Flußarme der Thaya, kleine Aufstauungen und einen Kanal.
Als wir an einem malerischen Uferstück picknicken, sehen wir gegenüber eine umgestürzte Weide, deren Stamm wie eine Bleistiftspitze aussieht, Tony entdeckt daneben einen noch stehenden, aber abgestorbenen Baum, den Biber schon fast gefällt haben, er steht nur noch auf zwei "Bleistiftspitzen". Kaum zu glauben, dass Biber sich an solche Baumriesen wagen. Leider kommen wir gegenüber nicht näher an die Stelle heran.
Auch Breclav (Lundenburg) ist sehenswert, obwohl es im Krieg sehr gelitten hat. Auch hier besichtigen wir die noch erhaltene Synagoge und den jüdischen Friedhof und eine sehr moderne, erst 1995 neu aufgebaute katholische Kathedrale.
Bis heute haben wir außer dem Gewitter tagsüber keinen Regen gehabt. Das wird in den nächsten Tagen leider anders werden.
Breclav wird daher die Endstation unserer Radtour.
Gut 450 km haben wir in 8 Tagen zurückgelegt, ohne uns täglich zu viel zugemutet zu haben, aber es waren auch ein paar sportliche Herausforderungen dabei, die wir spontan bewältigen konnten. Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören.
Deshalb wollen wir morgen mit dem Zug über Prag zurück nach Bayerisch Eisenstein fahren. Regen ist angesagt, da bringt man den Tag am besten im Zug zu.
Zelezna Ruda empfängt uns abends im Regen, der die ganze nächste Nacht anhält. Da fällt es leicht, sich zu verabschieden mit dem Hintergedanken: Hier kommste noch mal wieder her !
Aufbruch: | 20.05.2009 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 30.05.2009 |
Österreich