Klimanjjaro, Safari und Sansibar
Kilimanjaro Tag eins: Kilimanjaro Tag drei
Vom Shira Camp zur Barranco Hut
Der dritte Tag: Ich habe einigermaßen gut geschlafen. Nur Lust zum Aufstehen habe ich nicht. Ich weiß, draußen wird es eisig kalt sein. Ich spüre meine Beine. Zwei Tage jeweils sechs, sieben Stunden laufen, dazu in immer größerer Höhe, d.h. mit immer weniger Sauerstoff im Angebot - wann macht man das schon mal?
Der erste Blick nach dem Rauskrabbeln aus dem Zelt entschädigt: Die Luft ist glasklar, der Blick zum Gipfel auf 5895 Meter erregt Hochgefühle und Respekt gleichermaßen.
Drei unserer Helfer, in der Mitte der Koch Abdallah. Auch sie frieren. Und sie haben nicht das Geld, sich die schönen teuren Warmhalteklamotten zu kaufen. Wenn, dann sind es Geschenke von dankbaren Wanderern
Ein bisschen Wasser ins Gesicht, Hände waschen - so beginnt der Tag. Zähne putzen kann auch mal ausfallen.
Abdallah in sienem Schlaf- und Kochzelt. Heute gibt es zum Frühstück frisches Chapati-Brot, dazu Rührei, Marmelade, Kaffee, Tee
Noch einmal wandert der Blick zum Mount Meru herüber. Mit 4566 Metern immerhin der vierthöchste Gipfel Afrikas.
Noch Zeit für ein kurzes "Werbefoto". Die Flasche mit dem abgekochten Kilimanjaro-Wasser vor dem Hintergrund des fernen Gipfels
Der Härtetest
Unser Führer Mrope hatte uns am Vorabend noch gebrieft: "Alles, was Ihr bisher gelaufen seid, war ein Kinderspiel. Morgen steht die erste wirkliche Prüfung bevor. Ihr könnt sehen, wie Ihr mit großer Höhe zurechtkommt. Es ist ein gutes Training für die spätere Gipfelbesteigung." Anne, Dominik und ich sind nervös. Schließlich soll es heute von unserem Lager auf 3840 Meter zunächst bis hoch auf 4400 Meter gehen. Und anschließend wieder runter auf 3800 ins Barranco-Tal.
Beim Frühstück meint Dominik, der nicht gut aussieht, er wolle es noch einmal versuchen. Es geht los. Seltsamerweise fühle ich mich nach wie vor ziemlich fit. Es geht bergan, aber nicht allzu steil, alles machbar. Das Tempo ist langsam, fast zu langsam für mich. Schon nach wenigen Minuten bleibt Dominik erstmals stehen. Mrope und ich warten. "Ich hoffe, er schafft das heute", meint Mrope. "Ob er es bis zum Gipfel gehen kann, da habe ich große Zweifel." Ehrlich gesagt ich auch. Denn zehn Minuten später bleibt Dominik schon wieder stehen. Ich sehe, dass seine Freundin ihm gut zuredet. Sie hat Tränen in den Augen. Zerplatzt hier gerade ein großer Traum? 1200 Dollar hat jeder von uns gezahlt, um das Dach Afrikas zu besteigen. Und jetzt soll für Dominik nach zwei Tagen Schluss sein? Der sympathische Politologie-Student aus der Schweiz ist seit der Ankunft in Tansania von heftigen Infektionen geplagt. Er ist ein bescheidener Kerl, einer, dem man das Gipfelerlebnis wirklich gönnen will. "Peter, sag mal ehrlich, meinst Du, ich soll noch weiter gehen?" Ich weiß nicht, was ich raten soll. Einerseits möchte ich ihn motivieren, andererseits denke ich, dass man kein Risiko eingehen sollte, wenn man gesundheitlich angeschlagen ist. "Ich weiß nicht, wie Du Dich fühlst, Dominik, höre auf Deinen Körper. Ich freu mich, wenn Du weitergehst, aber hör in Dich herein." - "Ich denke, ich höre besser auf", meint der Angeschlagene. Ich sehe, wie Annes Augen wieder feucht werden. Es ist klar, dass sie weiter laufen wird, wenn Dominik ins Tal heruntergeht. Doch unser Führer, Mrope, treibt Dominik nochmal an. "Hopp, versuch es noch mal. Es ist besser, wenn Du heute den Tag nochmal schaffst. Notfalls kannst Du dann vom nächsten Camp aus absteigen, das ist besser, als von hier." Zur Erinnerung: Wir haben nachträglich noch einen zusätzlichen Bergführer geschickt bekommen, Felix. Er ist nur dazu da, mit Dominik abzusteigen, falls der nicht mehr weiter kann.
Die wahren Helden des Kilimanjaro sind die Träger! Sie schleppen viel mehr als wir, haben oft nur schlechtes Schuhwerk - und sind trotzdem viel schneller als die Bergtouristen aus Europa.
Unser Führer Mrope macht auf Optimismus - das ist sein Job. Aber auch er hat Zweifel, ob Dominik weitermachen kann
Felix, ein Bergführer, der nachgeschickt wurde für den Fall, dass Dominik nicht mehr weiter kann. Er wird in dieser Geschichte noch eine große, nicht sehr ruhmreiche Rolle spielen
Mrope hält Funkkontakt zum Rest der Truppe. Er gibt Anweisung zu warten, weil Dominik vielleicht nicht weiter kann. Ich fühle mich hingegen immer noch überraschend gut.
Dominik versucht es noch einmal. Ganz langsam setzt er einen Schritt vor den Anderen. Auch wir versuchen, ganz gemächlich zu laufen, dennoch ist Dominik bereits nach fünf Minuten weit zurück gefallen. Seine Freundin Anne ist direkt hinter mir. Auch sie kann das extrem langsame Tempo ihres Freundes nicht mehr gehen. Ich versuche, sie mit ein paar mehr oder weniger humorigen Wortspielen auf andere Gedanken zu bringen. "Weißt Du, warum wir heute auf den Liebhaber-Turm steigen sollen?" - "Wieso Liebhaber-Turm?", fragt sie zurück. "Na, wir sollen doch über den Lava-Tower (ich betone Lover-Tower) auf 4400 Meter." Anne kann kurz kichern - immerhin. Wir laufen weiter und verbieten es uns, die nächsten fünf Minuten zurück zu blicken. Wir ahnen, dass Dominik noch weiter zurück hängt, aber wir haben keine Kraft und Geduld mehr zu warten. Schließlich müssen wir irgendwie auch die Tagesetappe schaffen.
Mrope bleibt hinten bei Dominik. Anne und ich laufen mit dem zweiten Führer, Felix, voran. Mit schießen Gedanken durch den Kopf: Was ist, wenn Dominik runter geht? Dann könnte man wohl auch auf ein Zelt verzichten. Zwei Träger könnten mit runter. Ein Teil des Proviants. Und Anne und ich könnten uns ein Zelt teilen. Dann wäre es vielleicht auch einen Tick wärmer. Dann rüge ich mich selbst: Peter, wie kannst Du so was denken. Der arme Dominik leidet, und Du überlegst, mit seiner Freundin in einem Zelt zu schlafen. Ich versuche, die Gedanken zu verscheuchen, aber sie kehren immer wieder in meinen Kopf zurück. Und Anne läuft direkt hinter mir, während Dominik hinter uns kaum noch zu sehen ist. Die humorvolle, starke Frau hat gerade keine Kraft mehr, ihren Freund zu unterstützen. Die Trennung der Beiden auf Zeit scheint unausweichlich zu sein.
Wir hängen weit hinter dem Zeitplan. Alle anderen Gruppen, die an diesem Morgen mit uns aufgebrochen sind - längst aus dem Blickfeld verschwunden. Bis auf ein paar Kanadierinnen, die ebenfalls sehr, sehr langsam laufen.
Am Scheidepunkt
Anne und ich kauern uns hinter einen dicken Lavastein. Sobald die Sonne mal weg ist, weht ein eklig kalter Wind. Wir warten und hoffen, dass Dominik bald um die Ecke biegt. Ich gebe zu: ich mache mir nicht nur Sorgen um ihn, sondern auch um mich: wenn es so weiter geht, dann schaffen wir es nicht bis zum nächsten Camp. Mrope kommt auf uns zu, von Dominik ist noch nichts zu sehen. "Hey guys, ich glaube, wir müssen den Tagesplan ändern. Bis zu den Lava Towers schafft es Dominik nicht, wir nehmen eine Abkürzung zur Barranco Hut. Peter, bist Du einverstanden?" Ich nicke. Klar, der Abstecher über die Lava Towers sollte uns höhenfit machen. Uns an die Luft deutlich über 4000 Meter gewöhnen. Aber was solls. Wenn wir eine Abkürzung nehmen, sparen wir auch Energie, und die brauchen wir ja die nächsten Tage. Also, abgemacht, wir lassen die Lava Towers links liegen. Dominik kommt endlich um die Ecke. Wir packen die Lunchpakete aus, die uns Abdallah mitgegeben hat. Etwas Chapati, ein paar Kekse. Dominik, ein Schatten seiner selbst, kündigt an, noch bis Barranco mitgehen zu wollen. "Morgen gehe ich runter, es hat keinen Sinn mehr." Insgeheim gebe ich ihm Recht. In diesem Tempo hat es keinen Sinn. Und, es ist hart, so zu denken, aber: in dieser Form gefährdet er das Weiterkommen der ganzen Gruppe, auch seiner Freundin. Der Wind bläst scharf um die Ecke, das Ausruhen macht keinen Spaß, also weiter, schweigend laufen wir weiter durch die Lavawüste.
Der Kilimanjaro fordert seinen Tribut. Immerhin: die Schneefelder scheinen nun deutlich näher zu kommen.
Schnee am Kilimanjaro
Das Essen scheint Dominik ein wenig geholfen zu haben. Es geht nun ein klein wenig schneller, außerdem auch wieder bergab. Das Ziel Barranco liegt wieder unter 4000 Meter, die Lavageröll-Wüste lassen wir langsam hinter uns, es tauchen eigenartige Bäume auf, Landschaft und Vegetation werden wieder abwechslungsreicher, mit jedem Höhenmeter, den wir runtergehen steigt die Stimmung langsam wieder etwas an. Bis auf einmal sehr dunkle Wolken aufziehen. Erst fallen ein paar Regentropfen, die wir an uns abperlen lassen. Dann verwandelt sich der Regen in dicke Hagelkörner und schließlich in dichtes Schneetreiben. Kleidung wechseln, Plastikschutz über die Rucksäcke. Ich bin dankbar für den Schirm, mit dem ich nun durch die Kilimanjaro-Bergwelt spaziere.
Da ist es: Barranco Hut. Der Schneefall hat aufgehört. Tatsächlich hat auch der tapfere Dominik es noch einmal geschafft!
Anne und ich inspizieren schon mal die Wand, die wir am nächsten Morgen hochklettern sollen - auf dem Weg ins Basislager Barafu. Ob Dominik dann noch dabei sein wird - höchst zweifelhaft...
Die spinnen, die Amis!
Das Tagewerk ist also vollbracht, mit einer Abkürzung, aber was solls. Dominik hat sich noch einmal durchgekämpft. Wer weiß, vielleicht sammelt er über Nacht ja nochmal neue Kraft und überdenkt nochmal seine Entscheidung, morgen abzusteigen.
Der Kilimanjaro-Bergtourismus treibt aber auch seltsame Blüten. Im Barranco-Lager fällt uns eine Gruppe Amerikaner auf, die bei ihrer Ankunft von ihren Trägern mit Klatschen und Liedern begrüßt werden. Alle Träger sind im Einheitslook mit dem Logo des amerikanischen Freizeitunternehmens. Wir treffen die Chefin, die gleich loslegt: "Wir haben eine 99prozentige Gipfelgarantie. Wer mit uns läuft, schafft es sicher bis ganz nach oben." - "Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?", frage ich nach. "Wir laufen zehn Tage, um uns langsam zu akklimatisieren. Punkt eins. Wir machen die Gipfelbesteigung bei Tag und nicht - wie Ihr Anderen - mitten in der Nacht. Punkt zwei. Vor allem aber fangen wir schon zwei Tage vor der Wanderung mit der Einnahme von Medikamenten gegen die Höhenkrankheit an. Jeder Teilnehmer schluckt die Pillen zwei Mal am Tag." Das also ist der amerikanische Weg, den höchsten Berg Afrikas zu bezwingen: Tabletten schlucken bis zum Abwinken und bezahlte Motivationssänge der afrikanischen Helfer. Dazu eine perfekte Organisation, die nichts dem Zufall überlässt. Die Amerikaner müssen nicht einmal die öffentlichen Toiletten in den Lagern aufsuchen. Die Helfer schlagen extra Klozelte auf, damit der gemeine Ami auch auf 5000 Meter noch hygienisch kacken kann. Am nächsten Tag beobachten wir, wie ältere Teilnehmer der Ami-Truppe von den afrikanischen Helfern regelrecht über die Felsen getragen werden. Nein danke! Dann lieber in Würde scheitern!
Aufbruch: | Januar 2012 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | Februar 2012 |