USA Südstaaten
Wildcatter Ranch/Graham/Texas
Heute morgen fliege ich mit American Airlines nach Dallas/Fort Worth. Es ist ein unruhiger Flug mit vielen Turbulenzen und ab ca. 30 Minuten vor der Landung müssen sich auch die Flugbegleiter setzen und anschnallen, da der Pilot aufgrund eines Gewitters über Dallas eine "bumpy" Landung erwartet. Wird allerdings nicht so schlimm, wie erwartet. Im riesigen Mietwagen-Terminal des Großflughafens DFW hat Alamo nur noch eine Handvoll Autos verfügbar, für diejenigen, die reserviert haben. Ansonsten sind sie ausverkauft. Ich habe wie üblich auch ein GPS reserviert und bekomme das letzte, das sie da haben. Eine Fahrzeugauswahl steht mir nicht zur Verfügung, Toyota Yaris in weiss oder silber, that´s it. Die beiden Texanerinnen, die ich in New Orleans kennengelernt hatte, hatten mich ja schon gewarnt, dass weiträumig um den Flughafen DFW zur Zeit eine Großbaustelle ist. So schlimm hatte ich mir das allerdings nicht vorgestellt ! Es ist ein Abenteuer, hier zu fahren, viele Auf- und Abfahrten sind gesperrt, es gibt unzählige Umleitungen und dann nützt das Navi auch nicht gerade viel. Es berechnet die Route x-mal neu, bevor ich die Baustellengegend verlassen habe und auf direktem Weg nach Graham bin. Der Regen, die vielen aufgefrästen Fahrbahnen und gesperrten Spuren machen das Fahren auch nicht gerade zum Vergnügen. Ca. 2,5 Stunden später vermeldet das GPS auf schnurgeradem Highway mit links und rechts absolut nichts zu sehen "you have reached your destination, on left". Tja, da ist leider nichts, keine Einfahrt, kein Hinweisschild, nothing, nada, niente. Okay, solche Ranches sind ja etwas größer, ich fahre mal 5 Meilen weiter und halte links Ausschau nach der Einfahrt zur Wildcatter Ranch. Nichts. Ich drehe um, denn vor ca. 7 Meilen habe ich einen einsamen kleinen Laden gesehen, dort fahre ich hin und frage den urigen Ladenbesitzer. Ergebnis: Ich hätte einfach nur noch weitere 3 Meilen fahren müssen, dann soll das Tor zur Wildcatter Ranch auftauchen. Gut, also wieder retour. Und yes, da ist es !
Von hier aus sind es immer noch ein paar Kilometer bis zum Haupthaus der Ranch - wie gesagt, die Teile sind etwas größer...
Die Ranch hat im Haupthaus ganz normale Hotelzimmer, aber auch etwas entfernt einige cabins, so kleine Ferienhäuser und ich habe eine der cabins. An der Rezeption erklärt man mir, was ich hier alles unternehmen kann, empfiehlt dringend, eine Reservierung zu machen, falls ich abends im Ranch-eigenen Steakhouse essen möchte, händigt mir einen Lageplan aus und auf meine Frage nach dem nächsten Supermarkt, erklärt man mir den Weg zum Walmart in Graham. Ich nehme aber erst meine cabin in Beschlag, packe aus, sehe mich um und freue mich angesichts der wunderschönen Aussicht von meiner Terrasse ! Allein diese herrlich frische Luft, nach all den Großstädten ! Traumhaft !
Und kurzer Atemstillstand: Schlangen...und wie ich am nächsten Tag lerne - Klapperschlangen... Aber ich habe keine Angst vor Schlangen, deswegen bleibe ich entspannt.
Auf der Ranch muss man sich auf self-catering einstellen. Frühstück ist inklusive, aber alles andere sollte man dabei haben. Das Steakhouse ist auch erst abends geöffnet und ich habe Hunger, weil ich mal wieder nichts gegessen habe heute und bis jetzt und es ist schon später Nachmittag.
Ich statte Grahams Walmart einen Besuch ab, kaufe Verpflegung und Getränke ein. Mikrowellen-Menüs hauptsächlich, denn in meiner cabin gibt es als Kochgelegenheit nur eine Mikrowelle.
Es wird dunkel und das große Krabbeln beginnt. Auftritt der Kakerlaken ! Sie sind nicht so groß, wie die Viecher in Südostasien, aber es sind viele und sie sind einfach überall. Und wie ich sie hasse ! Nicht so schlimm für mich, wie Spinnen, aber dennoch, super-ekelig. Ich bin aber in der Lage, mich mit einem Schuh zu bewaffnen und draufzuhauen. Nur das Knacken ist so fies, wenn man eine zentral getroffen hat...und extrem schnell sind die Schweinebiester ja auch. Ich stelle mir Schuhe bereit für einen eventuell erforderlichen nächtlichen Gang ins Bad, barfuss werde ich hier nicht herumwandern. Trotzdem schlafe ich sehr gut und wache am nächsten Morgen sehr erholt auf.
Im Haupthaus der Ranch geniesse ich das Frühstück und frage nach, ob mit meiner Reservierung für den Ausritt alles ok gegangen ist. Ist es, ich werde um 10.00 Uhr an den Pferdeställen erwartet, die sind übrigens so weit weg, man muss dort mit dem Auto hinfahren. Die Dimensionen texanischer Ranches sind einfach gigantisch. Vorher will ich aber zu den Longhorns, den texanischen Rindern. Da könnte man heute morgen auch mit dem Planwagen - gezogen von einem Traktor - hinfahren, was einfach nur ein Touri-Gag ist. Aber ich will nicht solange warten, sondern sofort Longhorns sehen und fotografieren.
Exkurs: Longhorns haben ein total tolles Gehörn, aus dem in Texas wahnsinnig beliebte Souvenirs gemacht werden. Mit Leder und Seilen zusammengebunden, geben die Gehörne eine schöne Wanddekoration ab. Die Teile sind allerdings auch unglaublich sperrig und passen in kein Flugzeug-kompatibles Gepäckstück. Also habe ich mir bereits in Deutschland bei ebay ein solches Gehörn gekauft und es hängt bereits seit über einem Monat an der Scheunenwand unserer "Ranch" in Deutschland.
Um kurz vor 10.00 Uhr treffe ich an den Pferdeställen ein und treffe auf Cowboys Cliff und Dave. Sie sind schwer beschäftigt, Pferde zu satteln und zu trensen. Ich treibe mich herum und fotografiere.
Das ist Rocky - er guckt mich total freundlich an und auf genau ihm werde ich auch später reiten, was allerdings so ursprünglich nicht geplant ist. Eigentlich war Dusty für mich vorgesehen - aber der ist heute bockig.
Man beachte den Sattel ! Western-Sättel bin ich überhaupt nicht gewohnt, da hängt soviel Klumpatsch dran und mit Seilen bin ich auch noch nie geritten. Ich kenne Lederzügel mit Stahltrense im Maul und Stahlsteigbügel. Aber ich lasse mich bereitwillig aufklären, dass diese Pferde einfach anders funktionieren. Sie reagieren eher nicht auf die Trense, sondern mehr auf akustische Befehle und leichtes Ziehen mit dem Seil, nicht Zerren an Zügeln.
Es folgen die Formalitäten. Ich muss unterschreiben, dass ich alles, was nun folgen wird, auf eigene Gefahr mache und entbinde die Ranch so von jeglicher Haftung. Ich werde nach meinen Reitkünsten gefragt und ob ich einen Helm möchte. Meine Reitkünste sind äußerst bescheiden, zwar war ich als junges Mädchen mal regelmäßig auf einem Reiterhof zugange, aber das ist Zentonen her und seitdem habe ich zwar auch hin und wieder mal auf einem Pferd gesessen, aber meistens lagen zwischen den jeweiligen Ausflügen zu Pferd mehrere Jahre. Das letzte Mal ist jetzt auch schon wieder so ca. 6 Jahre her und ich habe das Reiten nie wirklich von der Pike auf gelernt. Also stufe ich mich als greenhorn ein und möchte unbedingt einen Helm ! Indessen treffen 3 weitere Reiter ein, Mutti mit ihren beiden Kindern. Auch sie werden nach ihren Reiterfahrungen gefragt. Süss finde ich den ca. 8-jährigen Jungen: Gefragt, ob er schonmal "horsebackriding" gemacht habe, sagt er "no". Dave fragt dann, ob er "bicycle" fahren könne ? Der Junge schaut daraufhin seine Mutter fragend an. "Honey, he means, riding a bike. It´s the same thing !" Klasse, auch in den USA verstehen Kinder bestimmte altmodische Ausdrücke ihrer eigenen Sprache nicht mehr ! Der Junge kennt ein Fahrrad nur als "bike", "bicycle" hat er offenbar noch nie gehört... Aber er wird aufgeklärt, dass horsebackriding wie Fahrradfahren ist. Okay... ich sehe da einen riesigen Unterschied, aber nun gut.
Zugeteilt wird mir nun Pferd Dusty. Damit wir uns nicht bereits beim Aufsteigen die Beine brechen, dürfen wir von einer bequemen kleinen Treppe hochkrabbeln. Ich sitze ! Nun soll die Proberunde folgen. Ich schnalze, lasse das Seil lose baumeln, kicke Dusty ganz zärtlich in die Flanken, Dusty läuft los und beschliesst augenblicklich, dass er auf die ganze Nummer heute keinen Bock hat. Läuft zurück zum Zaun, bleibt stehen und ist zu rein gar nichts mehr zu bewegen. Weder Schnalzen, noch etwas vehementeres Kicken helfen - auch kein gutes Zureden, weder auf englisch noch auf deutsch. Cliff übernimmt Dusty und erteilt dem Pferd eine Lektion und uns eine Vorführung texanischer Reitkunst auf einem bockigen Pferd. Ich bin beeindruckt ! Aber auch Cliff muss zugeben, dass Dusty offenbar heute "in a bad mood" ist und überlässt mir sein Pferd Rocky. Rocky ist willig und so brechen wir endlich auf.
Wir schreiten die allermeiste Zeit nur gemächlich vor uns hin, unterhalten uns sehr nett über all die Dinge, die ich wissen möchte, als da wären die Themen Klapperschlangen, Koyoten, Ranchgröße, Longhorns, Öl und Erdgas, Taranteln und was treibt der ewig im Gebüsch kläffende Irokesen-Hund, der uns begleitet, eigentlich so ?
Aber auch Cliff hat Fragen an mich. Er erzählt, es sei extrem selten, dass er mit deutschen Gästen unterwegs sei, ja überhaupt Europäer kämen eher selten auf die Ranch. Seine Vorfahren kämen aber ursprünglich aus Deutschland (sein Nachname ist Kinder) und es sei sein Traum, einmal Deutschland zu besuchen. Was ich ihm denn so empfehlen würde, in Deutschland ? Boah, da fragt er die Richtige ! Ich gebe es ihm gegenüber nicht zu, aber Deutschland-technisch bin ich die totale Flachzange. Über Hamburg und Berlin (und natürlich Schleswig-Holstein) bin ich nie hinausgekommen. Von Frankfurt und München kenne ich die Flughäfen, durch Köln bin ich mal durchgefahren (habe aber z.B. noch nie den Dom gesehen), aber ich könnte total viel über Vietnam erzählen ! So schwafele ich etwas von Bavaria (wovon ich keinen Plan habe) und Berlin (da fühle ich mich halbwegs sicher). Gott sei Dank, lässt Cliff das Thema jedoch schnell fallen und erkundigt sich nach der Euro-Krise, da bin ich thematisch wieder sicherer unterwegs.
Nach ca. 2 Stunden ist unser Reitausflug zuende. Schade, war echt schön ! Cliff war sehr nett, Rocky gefügig und hat es mir sehr leicht gemacht. Auf den letzten Metern will ich es nun doch einmal wissen, ich treibe Rocky an und komme galoppierend vor dem Stall wieder an. Ich kann es also doch noch und Dave hat recht: Reiten ist wie Fahrradfahren, wenn man es einmal kann, verlernt man es nicht mehr.
So, der Rest des Tages steht an. Ich studiere die Aktivitäten auf meinem Ranch-Plan. Bogenschiessen, Tontaubenschiessen ? Nö, mit Schiessen habe ich es nicht so. Kanufahren auf einem kleinen See, ganz alleine ? Nee. Auch irgendwie doof. Wandern ? Ja, mache ich - kleine Tour auf kurzem Trail. Nichts zu sehen, also zurück in die cabin. Irgendwo stand da was von Pool. Also kurz Badeklamotten rausgekramt und ab zum einsamen Pool. Keine Sau da ! Ich betrete einen Umkleideraum und da kommt mir beim Öffnen der Tür irgendetwas grosses, schwarzes, schnelles entgegengeschossen und verschwindet in irgendeiner Ritze. Mit meinem Scanner-Blick, was Spinnen angeht, bin ich nahezu sicher, dass es eine Tarantel war ! Schlimmer geht´s nimmer ! Im Infinity-Pool entspanne ich mich allerdings relativ schnell wieder...
Am nächsten Morgen muss ich mal wieder eine ganze Kakerlaken-Familie totschlagen und entsorgen. Aus dem Duschvorhang schütteln, aus der Badewanne klauben, vom Türrahmen herunterdreschen. Es ist echt eklig, aber dieses Tarantel-Teil gestern war viel schlimmer !
Ich verlasse die Ranch relativ früh und fahre in ca. 2 Stunden zurück in den Großraum Dallas/Fort Worth. Mein Hotel befindet sich in der Nähe einer Interstate-Auffahrt direkt in Fort Worth.
Aufbruch: | 11.08.2012 |
Dauer: | 16 Tage |
Heimkehr: | 26.08.2012 |