Israel - jetzt erst recht !
Jerusalem II
Heute morgen schlafe ich aus, denn ich muss erst um 10.40 Uhr zur Führung durch den Klagemauertunnel da sein. Trotzdem laufe ich schon eine volle Stunde früher los, denn die Zeit, die man braucht, um sich durch die Altstadt wieder dahin zu bewegen (inkl. 1 bis 2 Mal kurz verlaufen) darf man nicht unterschätzen. Kalt ist es auch heute wieder, aber zunächst wenigstens trocken.
Ich nehme gleich mal eine auto-befahrbare Straße durch das armenische Viertel, um mein Ziel zu erreichen. (Geht am Ende auch nicht schneller).
Cardo - zu römisch-byzantinischer Zeit war dies die Hauptverkehrsader. Dieses kleine Stückchen hat man freigelegt und rekonstruiert. Der Cardo maximus ist auch auf der Mosaikkarte in Madaba verzeichnet und das Mosaik in Madaba habe ich im November 2012 in Jordanien besucht.
Der Cardo liegt im jüdischen Viertel. 1967 - während des 6-Tagekrieges, wurde das jüdische Viertel sehr zerstört. Daher ist vieles dort neu wieder aufgebaut worden und aus diesem Grund wirkt das jüdische Viertel auch am ordentlichsten und modernsten. Während der Zeit der jordanischen Besatzung vor 1967, war sogar die Klagemauer für die Juden nicht zugänglich. Erst nachdem israelische Fallschirmjäger 1967 die Altstadt durch das Löwentor wieder betreten und die Altstadt zurückerobert hatten, konnte sie wieder zu dem werden, was sie heute immer noch ist: Das Allerheiligste der Juden.
Gesamteindruck - eigentlich ist die Klagemauer nur das letzte Stückchen der Westmauer des Tempelberges. Zwischen Felsendom und Al Aqsa Moschee.
Orthodoxer Jude in der üblichen Kluft: Schwarzer langer Mantel, weisses Hemd, schwarze Hose, Kippa oder schwarzer Hut. Bart und lange Schläfenlocken. Ein für mich immer ungewöhnlicher Anblick. Die jüdisch-orthodoxen Frauen tragen ebenfalls schwarz mit Rock, Mantel, schwarzen Strümpfen/Schuhen und oft Kopftuch.
Eingang zum Klagemauertunnel. Es ist eigentlich die nördliche Verlängerung der Mauer, 488 m lang und liegt auf dem ursprünglichen Strassenniveau Jerusalems unter dem muslimischen Viertel.
10.40 Uhr. Die Führung geht los. Ein paar Stufen runter und schon ist man im unterirdischen Teil der Stadt, von Archäologen freigelegt. Die Gruppe ist ca. 20 Personen stark, der Guide spricht englisch mit amerikanischem Akzent. Die Sehenswürdigkeit ist sehr gut besucht, es sind etliche Gruppen unterwegs und man kommt sich in dieser Einbahnstraße leider oft in die Quere. Aber unser Guide schlägt sich wacker, erzählt mitreissend und informativ.
Jerusalem ist im Laufe der Zeit immer wieder zerstört worden und auf den Trümmern der Ruinen wieder aufgebaut worden. Die Fundamente Jerusalems sind also wie ein "Schicht-Salat" und das sieht man hier unten sehr gut. Anhand von Modellen wird einem der Aufbau der Stadt erklärt und Geschichte, Geschichte um Geschichte erzählt.
Wie man sich hier unten so fühlt ? Es ist eng, stickig, feucht-warm und manchmal beklemmend. Für Leute, die an Platzangst leiden, ist diese 75-Minuten-Führung definitiv nichts ! Über einem befinden sich Tonnen von Gestein und ein ganzes Stadtviertel, man darf nicht anfangen, sich vorzustellen, was passiert, wenn dieses ganze uralte Geröll in sich zusammenfallen sollte... In der "Marktstrasse" wird´s noch übler: Der Gang ist sehr eng und es kommen einem dauernd Leute entgegen, an denen man sich auf Tuchfühlung vorbeiquetschen muss. Nach 75 Minuten ist man heilfroh, wieder an der frischen Luft zu sein !
Die Grundsteine der Stadt sind eine Sensation: Einer davon wiegt locker mal 580 Tonnen und hat die Ausmaße eines Busses !
Es gibt eine kleine Kapelle da unten, nichts aufregendes, eine kleine Höhlenkammer mit ein paar Plastikstühlen, nicht mehr als 8 oder so. Ein Miniregal mit Gebetsbüchern, eine Nische an der Mauer, Kerzen. Und da wird hardcore-gebetet ! Näher an den Tempelberg, als hier, kann man nämlich als Christ nicht kommen. Deswegen beten gläubige Christen sehr gern ausufernd hier unten in den Katakomben und tun Dinge, die ich nie verstehen werde: Sie rezitieren leise-murmelnd aus den Gebetsbüchern, haben die Stirn an der Mauer und sind quasi in Trance.
Der Rückmarsch zum Ausgang dauert dann kaum mehr als 10 Minuten. Endlich wieder frische Luft schnappen ! Es folgt das Kirchen-Dilemma. Da habe ich eine wunderschöne Kirche offenbar betreten und fotografiert, habe allerdings nicht mehr den blassesten Schimmer, welche das war oder wie sie hiess. Shame on me...
...offenbar interessant wegen der Katze auf der Kirchenbank, die so aussieht, wie mein Katzi und die einzige Besucherin ist, heute.
So, Banane. Ölberg steht an. Etwas größeres Projekt, ausserhalb der Stadtmauern. Raus durch´s Löwentor. Dummerweise ist es mittags, ein Punkt, den ich nicht bedacht habe. Man sollte schon immer ein Auge auf die Öffnungszeiten haben...
Klassischerweise beginnt es, zu regnen. Herrlich, na toll ! Maria´s Grab ? Geschlossen. Garten Gethsemane und Kirche der Nationen ? Geschlossen. Kirche der Maria Magdalena ? Zu. Ich irre umher und ein palästinensischer Typ quasselt mich an: Alles geschlossen bis 14.00 Uhr oder 14.30 Uhr, Tour nach Bethlehem sei angebracht per Taxi, um keine Zeit zu verlieren. Nö, will ich nicht. Fahre ich morgen ja hin. Nee, morgen sei Sabbat, geht ja G A R nicht !!! Doch, per organisierter Tour. Och, das ist doch Mist, viel zu teuer und so doof ! Nee, ich will aber jetzt auf den Ölberg, du kannst mich doch mal...! Ich werde uninteressant für diesen Schlepper und mache mich an den Aufstieg. Gott, ist der Ölberg steil ! Ein Taxi hält neben mir. "10 Shekel und ich fahre dich hoch !" 10 NIS sind knapp 2 EUR, ich steige ein. Auch dieser Taxifahrer will mich anschliessend nach Bethlehem und/oder Jericho fahren, aber ich steige am Aussichtspunkt aus, gebe ihm eine 10-NIS-Münze und geniesse den Panoramablick auf Jerusalem.
Der Ölberg und ich. Vor der Reise war ich in Versuchung, hier ein Hotel zu buchen. Gott, sei Dank habe ich es nicht getan ! Es ist zwar eines der billigsten von ganz Jerusalem, aber furchtbar abgelegen.
Jüdischer Friedhof - die Steine müssen auf die Gräber und haben etwas zu sagen, was auch immer... Der muslimische Friedhof und der christliche sehen genauso aus.
Die ältesten Olivenbäume Israels und der Welt (!) - Garten Gethsemane - so klein !!! Ich hätte gedacht, es sei mindestens ein Park. Aber nee, ein winzig kleiner Olivenhain. 3 der Olivenbäume sind erwiesenermaßen mehr als 2000 Jahre alt und somit die einzigen lebendigen Zeugen all dessen, was sich damals hier abgespielt haben soll.
Pitsche-nass kehre ich durch das Löwentor in die Altstadt zurück und möchte nun Maria´s Geburtsstätte besuchen, aber die Kapelle ist leider geschlossen. Ich werde sie jedoch später noch sehen können.
Hinter der Mauer rechts befindet sich das österreichische Hospiz - eine hochgelobte und wohl sehr schöne Unterkunft in Jerusalems Altstadt.
Gewürzpyramide in einem Laden im muslimischen Viertel. Ich sehe soviele Leute, ein Foto davon machen - der Ladenbesitzer sollte Geld für die Fotos verlangen !
Jetzt beeile ich mich ein wenig, um rechtzeitig vor Beginn des Sabbat im Hotel zurück zu sein und vorher noch Brötchen für´s Frühstück eingekauft zu haben.
16.30 Uhr: Ich bin zurück im Hotel und höre eine laute Sirene ertönen. Was ist das denn ? Luftalarm ? Feuern die Palästinenser wieder mit Raketen aus dem Gaza-Streifen ??? Nein, natürlich nicht. (Obwohl, so natürlich ist das nun auch wieder nicht...) Es ist die Sabbat-Sirene, die jeden Freitag nachmittag 1 Stunde vor Sonnenuntergang ertönt. Jetzt ist Sabbat - Israel macht zu. Geschäfte, Büros, Banken, Restaurants, Cafés. Busse fahren nicht mehr, nur noch wenig Taxis und nach einer Weile fällt mir auf, dass mir auch das "ding, ding, ding" der Strassenbahn fehlt. Ich blicke aus dem Fenster und sehe die Strasse unter mir praktisch menschenleer, schlagartig. Der Samstag als wöchentlicher Feier- und Ruhetag interessiert die Muslime natürlich herzlich wenig und was immer man braucht, bekommt man im muslimischen Teil der Stadt samstags problemlos. Da fahren auch Busse und palästinensische Taxis und Sheruts, aber es ist ja noch Freitag und da kommen am späten Nachmittag die Feiertage der Juden und Muslime zusammen, obwohl man das mit dem freitäglichen Ruhetag bei den Arabern nicht so sehr eng sieht. Ost-Jerusalem, das Araber-Viertel, lebt trotzdem noch.
Mir egal, ich habe alles, was ich brauche, muss heute nirgendwo mehr hin und koche und vertilge die restlichen Spaghetti in der Gemeinschaftsküche auf dem Dach.
Aufbruch: | 30.01.2013 |
Dauer: | 10 Tage |
Heimkehr: | 08.02.2013 |