Israel - jetzt erst recht !

Reisezeit: Januar / Februar 2013  |  von Sabine H.

Neu-Jerusalem

Der Shabbet (Sabbat) ist vorbei - seit gestern abend schon. Schlagartig füllten sich wieder die Strassen, alle Leute waren wieder auf den Beinen. Cafés, Restaurants, Kiosks, Shawarma-Buden, alles wieder auf. Und "ding, ding, ding" - jep, Strassenbahn auch wieder unterwegs.

Es ist Sonntag. Für mich eigentlich Ruhetag - normalerweise zuhause. Hier in Israel - völlig normaler Werktag. Neu-Jerusalem ist heute mein Ziel und Yad Vashem. Ich wandere die Jaffa Road westwärts - entlang von Reihen von absolut uninteressanten Geschäften. Billig-Klamottenläden, Plastikschuh-Geschäfte. Ich erreiche eine Station der Jerusalem-Strassenbahn und schaue mich nach den Ticketautomaten um. Vorhanden, gut. Sprechen sie auch englisch ? Yes, tun sie. Es gibt eine Taste für englisch. 6,60 NIS kostet ein single-ticket. 1,20 EUR. Ich kriege es hin, so ein Ticket aus der Maschine zu locken. Im Waggon der Strassenbahn muss man das Ticket sofort am Automaten entwerten.

Am Mahane Yehuda Markt steige ich aus, ich will mal Markt gucken in Israel. Sehr gute Idee !!! Der Mahane Yehuda Markt ist ein reiner Lebensmittelmarkt, aber so schön bunt und exotisch. Es folgt ein fotografischer Marktspaziergang:

Auf dem Markt kann man sich auch prima durchfuttern an verschiedenen Imbiss-Ständen, aber so kurz nach dem Frühstück habe ich keinen Hunger. Ein paar Apfelsinen und frische Erdbeeren sacke ich jedoch für später ein.

Auf dem Markt kann man sich auch prima durchfuttern an verschiedenen Imbiss-Ständen, aber so kurz nach dem Frühstück habe ich keinen Hunger. Ein paar Apfelsinen und frische Erdbeeren sacke ich jedoch für später ein.

Ich steige wieder in die Strassenbahn und fahre zur Endstation Mount Herzl. Ein für mich immer wieder ungewöhnlicher Anblick überall in Israel sind die vielen jungen Soldaten und Soldatinnen, die immer und überall ihre schweren Maschinengewehre mit sich tragen. In der Strassenbahn, in Bussen, in den Strassen. Man sieht junge Frauen in Uniform und Kampfstiefeln, das Maschinengewehr links geschultert und rechts die pink-farbene Handtasche. Oder junge Männer, in der einen Hand ein coffee-to-go, in der anderen die MG. In Deutschland undenkbar.

In Israel herrscht Wehrpflicht für alle jüdischen jungen Männer und Frauen ab 18 Jahren. 3 Jahre für Männer, 2 Jahre für Frauen. Angehörige anderer Religionen und die ultraorthodoxen Juden dürfen, müssen aber nicht. Die Alternative Zivildienst gibt es auch. Für die allermeisten Israelis ist der Wehrdienst jedoch eine Selbstverständlichkeit. Soldaten geniessen auch den Vorteil, z.B. öffentliche Verkehrsmittel kostenlos benutzen zu dürfen, sodass es absolut nicht ungewöhnlich ist, sich in der Jerusalemer Strassenbahn einen Waggon zusammen mit mindestens 15 Soldaten und ebenso vielen Maschinengewehren zu teilen. Ein manchmal irritierender Anblick, aber es vermittelt auch ein Gefühl der Sicherheit.

An der Endstation Herzl-Berg steige ich aus. Kurz muss ich einen Orientierungslauf rundum die Strassenbahn-Station machen, um das Hinweisschild nach Yad Vashem zu entdecken. Ein shuttle-Bus fährt alle 20 Minuten von einer Haltestelle nahe der Strassenbahnstation nach Yad Vashem. Ich warte auf diesen shuttle, weil ich nicht weiss, wie weit die Gedenkstätte entfernt ist. Wie sich zeigen wird, wäre es nur ein etwa 10-minütiger Spaziergang gewesen entlang eines baumbestandenen, schattigen Parkweges.

Yad Vashem - was soviel bedeutet wie "ein Denkmal und ein Name". Die Gründung dieses Mahn- und Denkmals wurde bereits 1953 durch die Knesset - das israelische Parlament - beschlossen.

Yad Vashem - was soviel bedeutet wie "ein Denkmal und ein Name". Die Gründung dieses Mahn- und Denkmals wurde bereits 1953 durch die Knesset - das israelische Parlament - beschlossen.

Yad Vashem wird jährlich von über 2 Mio. Menschen besucht. Auch heute, an diesem strahlenden Sonntagmorgen - ist es voll. Touristengruppen aus aller Welt, israelische Schulklassen, Soldatengruppen, Individualtouristen - so wie ich. Die Umgebung ist sehr grün, Park- und Waldgelände. Blauer Himmel, Sonnenschein. Ein großer Vorplatz, da spuckt mich auch das shuttle aus. Eintritt ist frei. Ich lese erstmal die Schilder, um festzustellen, was man hier darf oder auch nicht: Fotografieren innerhalb der Gebäude überall verboten und Rucksäcke und dergleichen müssen deponiert werden. Also lasse ich zunächst meinen Rucksack wegschliessen im unteren Geschoss des Besucherzentrums (da gibt es auch Toiletten und eine Cafeteria), nehme die Kamera aber trotzdem mit und meine Handtasche. Im Parterre hole ich mir einen Kopfhörer + Gerät für die audio-guided Tour (dafür muss man als Pfand eine ID hinterlassen, Pass, Personalausweis oder Führerschein). Die Audio-Tour wird in allen gängigen Weltsprachen angeboten, natürlich auch auf deutsch. Am eigentlichen Eintrittspunkt für das Museum wird man nochmal darauf hingewiesen, dass Fotos absolut verboten sind. Meine Kamera hängt um meinen Hals, es reicht, dass ich versichere, nicht zu fotografieren.

Weg in das Museum

Weg in das Museum

Die Ausstellung ist beeindruckend, beklemmend und ergreifend. Gleich am Eingang gibt es eine Video-Installation, die das jüdische Leben in Europa vor dem Holocaust zeigt. Ganz normal, friedlich und im Einklang mit den Nachbarn. Stück für Stück auf dem Weg von Ausstellungsraum zu Ausstellungsraum entfaltet sich dann die Geschichte des unvorstellbaren Grauens: Der Aufstieg der Nationalsozialisten zur Macht. Die anti-jüdische Politik. Geschichten von Fluchten und Fluchtversuchen. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges. Die Ghettos.

Die "Ulica Leszno", die Hauptstrasse des Warschauer Ghettos hat man hier nachgebaut, die Strassenbahnschienen, die Parkbänke und die Strassenlaternen sind original. Es läuft einem schon eiskalt den Rücken herunter.

Deportationen, Konzentrationslager, Arbeitslager, die Vernichtungsmaschinerie. Massenmorde in der Sowjetunion und anderen Gebieten. Die Todeslager. Der Widerstand. Geschichten von Rettern und Geretteten. Das Kriegsende und die Befreiung. Die Nürnberger Prozesse.

Alles sehr eindringlich dargestellt und dokumentiert anhand unzähliger Fotos, Filmausschnitte, Gegenstände (wie Kleidung, Schuhe, Schmuck, Bücher, Briefe, Bilder, Möbel, Kunstgegenstände). Sehr viele Menschen haben Erinnerungsstücke, Fotos und Dokumente über die Jahre gestiftet, damit in dieser einmaligen Gedenkstätte ein so vielschichtiges Mahnmal geschaffen werden konnte.

Die Ausstellung ist sehr umfangreich und man kann ihr nur gerecht werden, wenn mal allein für das Museum 2-3 Stunden ansetzt. Man wird den Besuch dieser Stätte jedoch wohl niemals wieder vergessen !

Mehr als 6 Millionen Juden sind dem Holocaust zum Opfer gefallen, viele davon namenlos. Ganz besonders ergreifend ist daher die Halle der Namen, schade, dass ich sie nicht fotografieren konnte, man möge ein Bild davon unbedingt googlen ! Eine riesige Kuppel mit Fotos von Opfern über einem tiefen, dunklen Loch im Boden. In dieser Halle wurden und werden Namen, Daten und Schicksale gesammelt. Mittlerweile natürlich in einem Computer-Archiv. In einem separaten Raum stehen dann auch Computerterminals zur Verfügung und jeder darf sich auf die Suche nach etwaigen Vorfahren und Verwandten machen, die im Holocaust umgekommen oder verschwunden sind. Diese Halle lässt mich nun wirklich hart schlucken.

Ich trete wieder ins Freie am Ende des architektonisch eigenwilligen Gebäudes. Quasi wie durch ein Prisma erblickt man wieder blauen Himmel und das tut gut !

Ausblick von der Terrasse am Ende der Ausstellung.

Ausblick von der Terrasse am Ende der Ausstellung.

Auf dem Weg zur Kindergedenkstätte

Auf dem Weg zur Kindergedenkstätte

Die Kindergedenkstätte ist besonders erschütternd. Sie ist den 1,5 Mio. Kindern gewidmet, die im Holocaust umkamen. Die Halle ist recht düster, die Namen aller Konzentrationslager sind auf Gedenksteinen auf dem Boden eingelassen. Da ich gerade ganz allein in der Halle bin, riskiere ich ein schnelles Foto.

Kindergedenkstätte Yad Vashem

Kindergedenkstätte Yad Vashem

Stele

Stele

Es gibt noch weitere Denkmäler und Mahnmale zu sehen in Yad Vashem, aber ich lasse es gut sein.

Es gibt noch weitere Denkmäler und Mahnmale zu sehen in Yad Vashem, aber ich lasse es gut sein.

Im angeschlossenen Buchladen stöbere ich noch eine Weile herum, bin jedoch sofort wild entschlossen, das offizielle Buch/Bildband zu Yad Vashem, das in etlichen Sprachen angeboten wird, zu kaufen. Schon allein als Geschenk für meinen Vater, der seit Jahrzehnten rund um die Geschichte des 2. Weltkrieges alles sammelt. Das Buch ist allerdings auch für Nicht-Sammler äusserst lohnenswert als Erinnerungsstück. (Kostenpunkt: 178 NIS = ca. 35 EUR) Es ist allerdings groß, dick und schwer. Belastet das Gepäck, aber das ist es unbedingt wert ! Über meinen Besuch ist es später Mittag geworden, die Cafeteria ist überfüllt von lauter lärmenden Besuchern, als ich mir meinen Rucksack wieder abhole. Das Audio-guide-Gerät gebe ich auch wieder ab und bekomme meinen Perso wieder. Zur Strassenbahnstation "Mount Herzl" gehe ich die 10 Minuten nun zufuss.

Erstmal muss ich zum Buch-Abladen ins Hotel, wo dann auch gleich die Müdigkeit zuschlägt und ich beschliesse "eine-Stunde-auf´s-Ohr-hauen". Daraus werden 2 Stunden. Später nachmittag jetzt schon, aber da muss noch was gehen ! Kamera lasse ich zurück und gehe nun gepflegt window-shoppen in die Mamilla mall. Das ist richtig schick da ! Eine echt edle Einkaufsmeile mit tollen Boutiquen und Designer-Läden. Wen wundert´s ? Das mega-teure King-David-Hotel ist kaum 500 m entfernt und diejenigen, die dort für 800 EUR/Nacht absteigen, müssen ja irgendwo die Kohle lassen. Ich lasse sie in meinem Portemonnaie, gucke nur und schlendere.

Abendessen ? Tja, kosherer Imbiss am Zion Square, es gibt Falafel-Pita. Im Hotelzimmer besteht der Nachtisch aus Erdbeeren und einer saftigen Apfelsine. Ich mache die Planung für den morgigen, letzten Tag in Jerusalem. David-Stadt wollte ich, eigentlich. Aber, egal, treiben-lassen und auf sich zukommen-lassen ist meistens die beste Idee. Irgendwas ergibt sich. Ich schaue mal auf der Dach-Terrasse vorbei und lerne ein sehr nettes australisch-französisches Pärchen kennen, die sogar nach Israel übersiedeln wollen, so toll finden die das hier. Weil der Australier mich um eine Zigarette anschnorrt, unterhalte ich mich länger mit ihm. Er ist dabei, geschäftliche Kontakte in Israel aufzubauen. Finde ich spannend ! Ich sinke jedoch am Ende dieses Tages wohltuend-müde in die Kissen und freue mich auf morgen.

© Sabine H., 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach dem gescheiterten Erstversuch im November 2012: Jetzt erst recht und ganz bestimmt !
Details:
Aufbruch: 30.01.2013
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 08.02.2013
Reiseziele: Israel
Der Autor
 
Sabine H. berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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