Tempeltour Japan

Reisezeit: Oktober 2010  |  von Adi Meyerhofer

Kioto -- die alte Hauptstadt

Kaiserpalast

Kioto ist inzwischen auch eine Großstadt wie viele andere, allerdings darf man immer noch nicht höher bauen als die höchste Pagode am Ort. Als einer der wenigen Orte Japans gibt es für die schachbrettartig angelegten Straßen Namen, was aber kaum hilft, weil es keine Hausnummern gibt. Google Maps ist hier schlichtweg überfordert.

Trotzdem habe ich die gesuchte Jugendherberge gefunden. Mit 11 € Nacht (inkl. "westlichem Frühstück" soll heißen 2 Scheiben Toast mit Margarine) preislich nicht zu schlagen.

Nachdem die Stadt 1200 Jahre Kaiserresidenz, davon aber nur bis ins 13. Jahrhundert wirklich "Hauptstadt" war, gibt es etliche Bauten zu besichtigen. Diese sind alle Nachbauten, weil man in den zehn Jahren des Onin-Krieges (1467-77) die Stadt mehfach vollkommen abgefackelt hat. Herausragend sind natürlich die Paläste, zum einen das Nijo-Schloß, Sitz des Repräsentanten der Tokugawa-Shogune (1600-1867) und der ehemalige Kaiserpalast.

Letzterer ist für Japaner nur nach schriftlicher Voranmeldung, Sicherheitsüberprüfung und mehrmonatiger Wartezeit zu besichtigen. Mit Ausländer geht man liberaler um. Nach Vorlage des Passes erhält man eine Eintrittskarte zur zweimal täglich stattfinden englischen Führung. Man bekommt trotzdem nur einen Teil der Gebäude von außen gezeigt. Dafür, daß die Wege nicht verlassen werden sorgen einige Herrn im dunklen Anzug mit Knopf im Ohr. Um den Palast (eigentlich zwei) befindet sich heute ein Park, der nach Abriß der verbliebenen Häuser der Hofschranzen (kuge) im späten 19. Jahrhundert angelegt wurde. Eines dieser Gebäude ist noch erhalten und dient als Museum.

Es sei daran erinnert, daß zurTokugawa-Zeit der Kaiser und die Adligen verarmt waren. Die Shogune gestanden dem Kaiser nur 2800 koku (je 180 l) zu. Zum Vergleich: ein Daimyo (Provinzherrscher) hatte mindestens 10000, die ganz Großen über 1 Mio.) Reis im Jahr. Zum Leben braucht ein Erwachsener mindestens 1 1/2 koku, aber Reis war auch zugleich im Mittelalter Zahlungsmittel. Die Hofadligen, aus den fünf Häusern des Fujiwara-Klans, hochnäsig wie sie blieben, hatten oft noch weniger. Das war auch ein Grund, warum nachgeborene Kinder meist schnellstens in bestimmte, der jeweiligen Familie nahestehende Tempel abgegeben wurden.

Gratis-Eintrittskarte zum Palast, erhältlich gegen Vorlage des Reisepasses, für die Führung durch den Palast. Beim Verlassen wieder abzugeben.

Gratis-Eintrittskarte zum Palast, erhältlich gegen Vorlage des Reisepasses, für die Führung durch den Palast. Beim Verlassen wieder abzugeben.

Seiryoden, Halle in denen der Kaiser Audienzen hielt. Die Bambusrollos wurden herabgelassen, da der Anblick keines gewöhnlichen Sterblichen der himmlischen Majestät zugemutet wurde. Andersherum sagte man der Anblick des sonnengleichen Kasiers würde gewöhnliche Sterbliche erblinden lassen.

Seiryoden, Halle in denen der Kaiser Audienzen hielt. Die Bambusrollos wurden herabgelassen, da der Anblick keines gewöhnlichen Sterblichen der himmlischen Majestät zugemutet wurde. Andersherum sagte man der Anblick des sonnengleichen Kasiers würde gewöhnliche Sterbliche erblinden lassen.

Der heilige Tachibana-Baum (Mandarine), mit weitzurückreichender mythischer Bedeutung, vor dem Shishiden, der Krönungshalle (die letzmalig 1912 für den Taisho-Tenno als solche genutzt wurde).
Auf dem Dach aus der Rinde eines speziellen Baumes gefertigte kleine Schindeln, die mit hölzernen Stiften zusammenge"nagelt" werden.

Der heilige Tachibana-Baum (Mandarine), mit weitzurückreichender mythischer Bedeutung, vor dem Shishiden, der Krönungshalle (die letzmalig 1912 für den Taisho-Tenno als solche genutzt wurde).
Auf dem Dach aus der Rinde eines speziellen Baumes gefertigte kleine Schindeln, die mit hölzernen Stiften zusammenge"nagelt" werden.

Shunkoden, Aufbewahrungsort der "Nierenjuwelen", neben schwert und Spiegel zu den Throninsignien gehörend.

Shunkoden, Aufbewahrungsort der "Nierenjuwelen", neben schwert und Spiegel zu den Throninsignien gehörend.

Deseigner-Zaun, am Durchgang zum Garten vor dem Seiryoden.

Deseigner-Zaun, am Durchgang zum Garten vor dem Seiryoden.

Darsteller beim Jidai-Matsuri, einer Art Trachtenumszug, bei denen historische Kostüme vorgeführt werden (sehr sehenswert immer im Oktober).

Darsteller beim Jidai-Matsuri, einer Art Trachtenumszug, bei denen historische Kostüme vorgeführt werden (sehr sehenswert immer im Oktober).

Tofuku-ji

Und weiter ging es mit meiner Tempel-Tour. Diesmal zu einem ausbildungstempel des Rinzai-Zen. Das ist die Sekte, die mit dem Gesicht zur Hallenmitte sitzt und über sogenannte Koan (logisch nicht zu erschleissende Rätsel) meditiert.
(Buchtip: Taïkan Jyoji; Tagebuch eines Zen-Meisters, der aus dem Westen kam; Zürich, Düsseldorf 1997, ISBN 3-545-20136-8).

Im weitläufigen Gelände des 1236 gegründeten Tofuku-ji, eines der bedeutendsten Tempel des Rinzai-Zen, mit seinen zahlreichen Nebengebäuden kommt fast schon so etwas wie Ruhe auf. Zu sehen gibt es zwei kostenpflichtige große Gärten, die sich auch dadurch auszeichnen, daß große Flächen statt mit Rasen, mit Moos (koke) bewachsen sind. Der 15 m hohe große Buddha ist leider 1881 verbrannt. Bemerkenswert ist noch das Hyakunin benjo das "Hundert Mann Scheißhaus," wo man noch heute, die in zwei Reihen angeordneten, Latrinengruben bewundern kann. Diese große Einrichtung war nötig, weil Rinzai-Mönche ihre sesshins (Meditationssitzungen) in der nahen Haupthalle nur gemeinsam kurzzeitig unterbrechen und dann natürlich alle gleichzeitig "mußten."

Garten am Tofuku-ji (500 Yen Eintritt)

Garten am Tofuku-ji (500 Yen Eintritt)

Das 100-mann-Scheißhaus.

Das 100-mann-Scheißhaus.

Kigaku-ji: der "goldene Tempel"

Nachdem ich bis zu diesem Zeitpunkt acht Rollen Film verschossen hatte habe ich photographieren (bis auf den Trachtenumzug s. o.) eingestellt. Der "goldene Tempel" Kingaku-ji ist aber doch so beeindruckend, daß eine Postkarte hermußte [die ich aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht einstelle]. Das Gebäude selbst ist ein Nachbau aus Beton von 1958, nachdem das Original abbrannte.

Als besonders sensationell zeigt man noch eine 800 Jahre alte Kiefer auf dem Gelände -- inzwichen hat sie aber mehr Stützen, die sie aufrecht erhalten als Äste.

Sein Gegenstück ist der "silbernen Tempel" [k]Gingaku-ji,[/k] den habe ich mir aber ebenso wie das Tokugawa Schloß gespart. Ich war wie man Englisch sagen würde heißt: "templed out."

Kingakuji-Eintrittskarte, fast so hübsch wie der Tempel selbst.

Kingakuji-Eintrittskarte, fast so hübsch wie der Tempel selbst.

Kingakuji "wie er wirklich ist" an einem regnerischen Oktober-Vormittag: Massenandrang, dazu zahllose Schulklassen (viele Lehrer mit Megaphon) .

Kingakuji "wie er wirklich ist" an einem regnerischen Oktober-Vormittag: Massenandrang, dazu zahllose Schulklassen (viele Lehrer mit Megaphon) .

Rückflug

Zurück gings dann nach Tokio wieder mit dem Luxus-Nachtbus. Den nächsten Abend vor dem Rückflug habe ich dann in meiner ehemaligen Stammkneipe Rock Mother bei mehr als nur einem Gläschan Sake verbracht habe.

Auch nach 30 Jahren immer noch super! (Shmokitazawa, Setagaya-ku, Tokyo)

Auch nach 30 Jahren immer noch super! (Shmokitazawa, Setagaya-ku, Tokyo)

© Adi Meyerhofer, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zentraljapan (Kansai-Region), mit Schwerpunkt Tempel und Geschichte in Nara und Kioto. Mit Abstechern nach Kobe, Arima-Onsen (Kurort mit heißen Quellen), An- und Abreise von Tokio. [Leider unterstützt der Server des Betreibers kein UTF-8, die korrekte Darstellung des langen japanischen Vokals ist daher leider nicht möglich!]
Details:
Aufbruch: 10.10.2010
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 24.10.2010
Reiseziele: Japan
Der Autor
 
Adi Meyerhofer berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.