Georgien und Armenien (Oktober 2013)
Gori
Nach Georgien zu fahren, ohne die Geburtsstätte des "Vaters der Völker" besucht zu haben, ist wie nach Indien zu reisen und das Taj Mahal nicht gesehen zu haben. Stalin, geboren als Josef Dschugaschvili, war der bedeutendste Georgier, der je gelebt hat und die fünftwichtigste Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts wurde, nach: 1) dem GRÖFAZ, 2) dem "großen Führer" Kim Il-sung, 3) dem "großen Steuermann" Mao tse-tung und 4) dem "großen Vorsitzenden" Franz Josef Strauß. [Diese Bemerkung hätte bis 1953 vermutlich für lockere 25 Jahre in der Workuta gereicht.] Nun wissen wir ja: das vom verdienten Genossen, mit seinem Mit-Georgier Berija, geschaffene Paradies der Werktätigen war ein Leuchtturm in der Finsternis von wo aus es strahlte -- Friede, Freiheit und Gleichheit.
In seiner Heimatstadt gedenkt man dem Generalissimus in angemessener Weise: Die Hauptachse des Ortes bildet die Stalinallee, an deren Kopfende das ihm gewidmete Museum von 1957, ein Bau im "Zuckerbäckerstil," steht.
Das Museum ist das teuerste ganz Georgiens. Man nimmt 10 L. Eintritt (auf Wunsch kostenlose Führungen), Waggon und Geburtshaus kosten nochmal 5 L. extra. Dafür ist es eines der wenigen Museen in denen man mit Blitz photographieren darf. Wenn man nett fragt, gestattet die Wärterin auch, daß man hinter SEINEM Schreibtisch Platz nimmt. Im Museumsshop verkauft eine im Stil der Zeit uniformierte Genossin Devotionalien. Vor dem Museum lauern Taxifahrer, die versuchen Touristen eine überteuerte Tour zur nahen, sehenswerten neolithischen Höhlenstadt Uplistsikhe auf Auge zu drücken. Statt der angemessenen 10 L., wollen die Herren schon mal 40 L. -- von ihren indischen Kollegen müssen sie hinsichtlich Aufdringlichkeit noch einiges lernen.
Auf dem Platz davor befindet sich das an dieser Stelle wieder aufgebaute Geburtshaus, das gegen die Unbilden des Wetters durch einen grotesken gestalteten Pavillion geschützt wird. Vor der morgendlichen Öffnung um 10 drücken sich in den Ecken Burschen, die halbwegs ungesehen ihre Morgenkippe paffen bevor sie zur Schule gehen.
Neben den Museum steht seit 1984 der private Eisenbahnwagen des Großen Mannes, den der geniale Feldherr während des "großen vaterländischen Krieges" nutzte.
Unmittelbar hinter dem Museum gibt es eines der wenigen Fremdenverkehrsämter des Landes. Außer einem ausreichend genauem Faltblatt hat man wenig. Direkt daneben zwei Souvenierläden. Geboten werden Stalintassen, -schneekugeln (!) und Weinflaschen mit Stalinettikett -- da bekommt das Wort "Rotwein" gleich eine andere Bedeutung.
Ggenwärtig ist man dabei einen Sockel zu betonieren auf dem die von Fanatikern 2010 getürzte Statue wieder aufgestellt werden soll. (Zur Erinnerung "Saakaschwili überfällt Stalin - genau wie damals Hitler," Juni 2010)
"Mutter Gottes"-Kathedrale in Gori. Auch innen neu saniert.
Sonstige Sehenswürdigkeiten
Zu sehen gibt es in Gori ansonsten noch die Ruine einer Festung aus dem 13. Jhdt., das Sergi Makalatia Museum (eine ethnologisches Sammlung mit lokalem Bezug) und ein 1968 gegründetes Kriegsmuseum (nur im Sommer offen), das den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg in sowjetischer Manier feiert. Nachdem -- was für Georgien auch heute noch eine tägliche Gefahr darstellt -- 2008 wieder einmal "der Ivan kam" -- Gori war besetzt -- hat man einen Flügel den Opfern dieses Einfalls gewidmet.
Zum Fluß hin gibt es noch einen Stadtpark mit Dultmäßigen Fahrgeschäften, Vogelhaus und einem Käfig mit drei ziemlich deprimierten Braunbären. Benannt ist der Park überings nach -- na ratet Mal ...
Das neue Bürgerbüro beim Markt von Gori. Eines der zahlreichen Beispiele, wie sich moderne Architekten austoben dürfen.
Unterkunft
Zwei Tage Aufenthalt sind genug, die Auswahl an Unterkünften ist bescheiden. Darunter jedoch ein "echtes Juwel," nämlich direkt beim Museum ein echtes Intourist-Hotel (für Ausländer ab 50 L; Stalinallee Nr. 26). Service und Ausstattung sollen sich seit damals nicht geändert haben ...
Abgestigen bin ich jedoch in der Privatunterkunft Luka (25 L.; 19 Aghmashenebeli St. kein Schild, Eingang unter dem Balkon). Der erste Eindruck war ordentlich. Ich erhielt eine ganze Ferienwohnung (für bis zu 6) für mich alleine. Mutter und 12jähriges Töchterchen sprachen hinreichend Englisch, kassiert wurde bar und ohne Quittiung für zwei Nächte im voraus. Die erste Enttäuschung war das Bad: das Klo war mit dem Eimer zu spülen. Am Abend des zweiten Tages wurde ich dann zum ersten und einzigen Mal in Georgien beschissen. Töchterchen behauptete, ich hätte nur eine Nacht bezahlt und wollte nochmal 25 L. Nach einigem Diskutieren auch mit Mama und telephonisch mit einer gut englsichsprechenden Bekannten habe ich dann mangels Beleg nachgegeben und am nächsten Morgen geschaut, daß ich schnell aus dem Laden verschwand.
Weiter gings über eine autobahnähnlich ausgebaute Schnellstraße per Marshrutka in knapp zwei Stunden in die Hauptstadt.
Aufbruch: | 07.10.2013 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 25.10.2013 |
Türkei
Armenien