Im Namen der Rose
Planlos eine unbestimmte Reise planen
Eine Gleichung mit vielen unbekannten Variablen
Liebe Sendung mit der Maus:
Wie plant man möglichst vorausschauend einen 3-monatigen Road Trip quer durch Osteuropa, wenn man nicht besonders gerne Auto fährt, keine handwerklichen Fähigkeiten, geschweige denn Ahnung von Autos hat?
Tja, da hatten selbst meine großen Kindheitshelden, Christoph in seinem grünen Pulli und der allwissende Armin keine Ahnung und so musste die Reisevorbereitung weitgehend ohne professionelle Anleitung auskommen.
Also erstmal die wahrscheinlich nach Facebook beliebteste Website meiner Generation angeworfen: Google Maps. Und dann einfach mal so richtig schön ins blaue hinein Ort an Ort gereiht, den ich gerne mal sehen würde auf meiner Reise und als die lange, ganz schön eckige blaue Linie am Ende fertig war, kamen folgende Daten heraus:
7684 km, 21 Städte, 17 Länder...
...und ziemlich genau zweineinhalb Monate Zeit... Naja, die nackten Zahlen klingen schon mal nach einem ziemlch abenteuerlichen Ritt auf der Rasierklinge, das gefällt mir als Zigeuner der Neuzeit
Wie man das als Kind der Generation Internet und Social Media so macht, eröffnete ich also eine Facebook-Gruppe, lud ein paar meiner reiselustigen Freunde ein und bot meine grobe Reiseroute zur freien Auktion an. Heißt konkret, dass wer zuerst malt bzw. einen Flug in eines der anvisierten Ziele bucht, der ist halt dabei, sprich, wird am Flughafen an einem Datum seiner Wahl aufgegabelt, fährt ein Stückchen mit in meiner Rostmühle und wird am entsprechenden Flughafen im nächsten oder übernächsten Land wieder rausgeschmissen, wo vielleicht dann schon der nächste Flugzeug-Anhalter wartet.
Die Route sah zu der Zeit ungefähr folgendes vor:
3.4 - 10.4. Pinsdorf, Graz, Klagenfurt, Ljubljana, Maribor, Zagreb
10.4. - 20.4. Zagreb, Zadar, Split
20.4. - 24.4. Split, Sarajevo, Belgrad
24.4. - 03.05. Belgrad, Montenegro, Albanien, Skopje
03.05. - 15.05. Skopje, Sofia, Plovdiv, Burgas, Varna, Constanta
15.05. - 31.05. Constanta, Odesa, Kiev, Lviv (falls der Vitali das in der
Ukraine nich hinkriegt mit dem Frieden, dann wäre die Alternative folgende: Constanta, Cluj, Debrecen, Slovakei, Krakau)
01.06. - 10.06. Krakau, Warschau, Vilnius, Riga
10.06. - 17.06. Riga, Kaunas, Gdansk, Berlin
17.06. - 20.06. Berlin
20.06. - 22.06. Berlin, Lübeck, Pelzerhaken
Man sollte zur genaueren Einordnung vielleicht hinzufügen, warum in aller Welt die beiden hundsverfrorenen Käffer namens Pinsdorf, seines Zeichens im Salzburger Land zu Österreich) und Pelzerhaken, ein verschlafenes Ostsee-Dorf in Meckelenburg-Vorpommern, als Start- bzw. Zielpunkt dieser Reise dienen sollten.
Pinsdorf ist sozusagen der langjährige Wohnort von Rosalinde, meinem Wohnmobil und als ich sie dort von ihren Eltern abgeholt habe letzten Herbst, hatten wir nicht genug Taschen dabei, um alle ihre Sachen mitzunehmen. Unter großen Tränen und stundenlangen Diskussionen haben wir uns also dort vorübergehend von Rosalindes Sommerreifen getrennt und diese bei ihren Vorbesitzern gelassen. Ich musste der kleinen Rosa allerdings versprechen, dass wir sie im Frühjahr wieder abholen, wenn wir nach Osteuropa fahren, denn in Winterreifen schämt sich, sobald die Vögel anfangen, den Frühling einzuläuten.
Dieses Österreich liegt übrigens gar nicht so weit weg von meinem winterlichen Arbeitsplatz in Davos (Ostschweiz), weshalb dieses Pinsdorf und somit die Sommerreifen fast auf dem Weg nach Slovenien liegen.
Pelzerhaken fällt deshalb in die engere Auswahl als potenziellem Zielort, da dort mein nächster Job als Reiseleiter / Mountainbikeguide bei Frosch Reisen startet (und dort nun mal das Hotel steht, in dem ich arbeiten werde) und zwar ziemlich genau am 28.6., was auch erschreckend genau ins anvisierte Zeitfenster passt.
Ich habe dann Anfang dieses Jahres mal etwas ernsthafter darüber nachgedacht, wie das mit der Grundversorgung und damit der Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse wie beispielsweise essen, duschen, auf Klo gehen oder auch der Elekrizität aussieht. Mir wurde dann schnell ein wenig flau im Magen, als mir klar wurde, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wie man in diesem Gefährt den Gasherd anschmeißt, den Kühlschrank funktionstüchtig kriegt, ob die Steckdosen funktionieren oder geschweige denn, ob man das Klo und die Dusche benutzen kann!
Was macht man also, wenn man keine Ahnung hat? Man fragt jemanden, der mehr Ahnung hat
Also habe ich mich ganz unauffällig an einen von meinen Gästen rangewanzt, der zufällig KFZ-Mechaniker ist und ihn nach dem skifahren mal mein Schmuckstück inspizieren lassen und mir in Ruhe erklären lassen, welcher Anschluss für welchen Quatsch da ist, wie man auch ohne Stromkabel von außejn an Strom kommt, wann man den Kühlschrank mit Batterie (bei der Fahrt), wann mit Gas (wenn man eine Gasflasche besitzt) und wann mit Strom (am Campingplatz, mit Stromkabel von außen) benutzt. Da erfährt man doch noch so allerhand nützliche Dinge, sag ich euch!
Jedenfalls bin ich ja ein Mann der Tat, äähh, naja ok, das nehm ich lieber zurück, sagen wir, ich bin ein Mann der Organisation und wenn ich mir schon nicht selbst helfen kann, dann weiß ich wenigstens, wie und wo ich mir Hilfe besorgen kann. Also habe ich in der Nähe dieses Pinsdorfs eine Werkstatt ausfindig gemacht, die mir während des Reifenwechsels auch gleich noch einen sogenannten Spannungswandler verticken können, der nämlich dazu dient, dass man im Stand auch ohne Stromzufuhr von außen über die Autobaterrie Strom bekommt. Soll ganz nützlich sein für eine technisierte Generation mit einem Sammelsurium an Geräten, die ab und zu ihre Akkus aufladen müssen.
Des Weiteren gibt es in Pinsdorf einen Wohnmobil-Händler, der mir ein oder zwei Gasflaschen verkaufen kann, damit ich auch die Kochfläche und den Kühlschrank gewinnbringend einsetzen kann. Das letzte Fragezeichen bezüglich der Funktionalität des Bads hat sich dann geklärt, als der freundliche junge KFZ-Mechaniker erklärte, dass ich einfach den Wassertank an der Seite meines Fahrzeuges mal befüllen müsste, dann hätte ich zumindest für eine Zeitland auch fließend Wasser im Auto, was die Nutzung der Dusche und der Toilette doch erheblich erleichtert...
Tja, ok, was braucht man noch für so einen Trip? Essen! Also im Billig-Discounter-Paradies Davos schnell ein paar Konserven und haltbare Lebensmittel wie Müsli u.Ä. eingekauft, denn das haben die coolen Jungs, die sich als Auszeit ein monatelanges Leben in einer einsamen, verschneiten Holzhütte im Yukon ausgesucht haben, auch immer so gemacht. Und ich hab sogar aus "Into the wild" gelernt, dass man selbst in kulinarischen Notsituationen keine fremden Kräuter isst, denn sonst isses schnell vorbei mit dem Abenteuer im Autobus.
Besteck, Topf, Pfanne, Teller und Gläser sind als letzter Rest meiner WG-Vergangenheit auch noch übrig gewesen alles, was ich an Klamotten besitze, ist sowieso schon in meiner neuen, rollenden Wohnung untergebracht mangels alternativen Abstell- oder Wohnmöglichkeiten.
Zu guter Letzt also das kleine Fach im Bad noch mit diversen Kosmetika vollgestopft, von Kontaktlinsenvorrat für 5 Monate (man weiß ja nie, was so passiert, gell?), über Sonnencreme, die für einen afrikanischen Elefanten bei täglichem Eincremen einen ganzen Sommer reichen würde, bis zu Zahnbürste und Zahnpasta in rauhen Mengen, denn mein Vater sagte schließlich vor jeder Reise beim Blick auf die Packliste: "Zahnbürste, Kreditkarte, Rest kann man kaufen..." und an diesen Grundsatz habe ich mich stets gehalten, Erziehung sollte man schließlich ernst nehmen.
Schnell noch den notwendigen finanziellen Kack geregelt, wie genug Geld auf die Visakarte überwiesen, Steuererklärung gemacht, freiwilligen Krankenversichierungbeitrag für die arbeitslose Zeit bezahlt (keine Zeit fürs Arbeitsamt und überhaupt, liegt Düsseldorf auch so gar nicht auf der Route) und nochmal ein paar Freunden ein paar Abschiedsworte zukommen lassen, man weiß ja schließlich nicht so genau, wie weit die da drüben so mit dem Internet sind und ob ich überhaupt in den Genuss eines Spannungswandlers komme, da sind Unwegbarkeiten, die man kaum realistisch einschätzen kann...
Die Planungsphase gestaltete sich extrem anstrengend und musste aufgrund der widrigen Bedingungen leider häufig ins windgeschützte Planungsbüro verlegt werden
Und bei so vielen Gedankenspielen braucht man zwischendurch definitiv auch die ein oder andere Pause, in der man sich vollkommen entspannen sollte
Im Laufe des Januars und Februars kam mit Hilfe verschiedenster Flugbuchungen meiner Freunde tatsächlich so etwas wie ein detaillierter Reiseplan zustande, der sich, Stand 22.März, wie folgt abzeichnet:
25.3. - 3.4. Davos, Arosa (mit vielen Freunden)
3.4. - 10.4. Arosa, Pinsdorf, Ljubljana, Zagreb (mit Sarah)
10.4. - 13.4. Zagreb, Split (mit Sarah und Lucien)
13.4. - 22.4. Split, Sarajevo (mit Lucien)
22.4. - 24.4. Sarajevo, Belgrad (mit Lucien und Domi)
24.4. - 3.5. Belgrad, Podgorica, Tirana, Skopje
(mit Lucien, Scheppi und Domi)
3.5. - 8.5. Skopje, Thessaloniki, Sofia (mit Domi)
9.5. - 11.5. Sofia (mit Domi und Janina)
11.5. - 30.5. Sofia, Constanta, Chisinau, Lviv, Krakau (alleine)
30.5. - 22.6. Krakau, Warschau, Vilnius, Riga, Kaunas, Masuren, Berlin
22.6. - 24.6. Berlin (mit Jonas)
24.6. - 25.6. Berlin, Pelzerhaken
Der aufmerksame Betrachter erkennt bereits beim Blick auf den neu justierten Startort (Davos anstatt Pinsdorf), das dieser Plan großen Veränderungen unterworfen sein kann, wenn sie Umstandsvariablen sich verändern.
Hierzu gehört natürlich auch die neueste Krim-Krise in der Ukraine, die meine Pläne, durch die Westukraine nach Polen zu fahren, doch erheblich in Frage stellen. Ich werde also einfach mal abwarten müssen, was der Herr Putin so plant in der Ostukraine und wie die Herren Obama und Co. und vor allem das ukrainische Militär im Zweifelsfall reagieren würden auf eine weitere Besetzung des ehemaligen russischen Bruderstaates. Mit anderen Worten: Wenn mir das zu heiß wird bis zum Mai in der Ukraine (wobei mein geplanter Afuenthalt zufällig auch noch mit der geplanten Präsidenten-Neuwahl am 25.Mai zusammenfällt) und Putin die Keule auspackt, dann bin ich der letzte, der da den Krisengebiets-Tourist macht, sondern dann halt ich mich schweiz-mäßig raus und fahr einfach durch Rumänien, Ungarn und die Slowakei nach Krakau, da kenn ich nix und lass mir meinen Road Trip doch nich von so nem Sowjet-2.0.-Kram vermiesen...
Doch zurück zum besser planbaren Anfang des Ganzen: Diese neue Möglichkeit des Ausgangspunktes ergab sich ziemlich spontan, nämlich, als die Skisaison in Davos um zwei Wochen verkürzt wurde und ich erfuhr, dass meine gute alte peer group aus Schulzeiten wie fast jedes Jahr zwei Wochen Skiurlaub in Arosa macht. Hier gibt es ein Ferienhaus, das den Eltern eines Freundes gehört und in dem es sich wunderbar nah neben der Skipiste residieren, skifahren, billiges Dosenbier saufen und Scheiße reden lässt. Klang viel zu verlockend und örtlich viel zu nah, diese zusätzliche Zeit mit meinen alten Homies, um so ein Angebot auszuschlagen, also nach der letzten Gästewoche in Davos schnell um die Gebirgskette rumgefahren und auf der anderen Bergseite wieder hoch und zack, erst mal nochmal 9 Tage in Arosa abhängen, sich die Seele auf den Bauch scheinen und die Sonne baumeln lassen
Doch in solchen Skigebieten liegt bekanntermaßen naturgemäß ziemlich viel Schnee rum und da mein neues Zuhause eine relativ große Fläche zum beschneit werden bietet, musste ich immer wieder Hand anlegen, um meine Höllenmaschine aus den Schneemassen zu befreien. Das hieß konkret, mit eiskalten Fingern mit einem kleinen Eimer (keine Schaufel gefunden, das macht Not erfinderisch) kiloweise Schnee vom Dach schippen, Streusalz hinter die Reifen schmeißen, damit die Karre auf dem vereisten Boden überhaupt loskommt und jede Woche mit bangem Gefühl mal wieder den Motor anwerfen und hoffen, dass Rosalinde einen für sie so ungewohnt kalten Winter auf 1500 m heile übersteht.
Sieht gar nicht so viel aus der Schnee auf dem Dach, doch beim Schüppen kommt gefühlt die ein oder andere Tonne zum Vorschein
messerscharfe Eiszapfen versperren den beschwerlichen Weg zu den Hinterreifen , doch schließlich gelingt es mir, die nötigen Steinchen auf die Eisfläche zu platzieren
Doch toi toi toi, die Gute hat den ganzen Winter über wie ein Kätzchen geschnurt und ist außerdem wie ein junger Wiesel die extrem kurvige Serpentinen-Kotz-Strecke von Chur nach Arosa hoch geflitzt.
Ich sachma, alles, was man planen kann, ist geplant, jede Eventualität durchgespielt, ein Grundstock an Lebensmitteln angelegt, alle Rechnungen bezahlt, alle Osteuropa-Reiseführer durchgewälzt, ein Basiswissen über mein Wohnmobil angeeignet, aller Schnee runtergeschüppt, alle Flüge und Abholzeiten koordiniert, alle Feste gefeiert, Freunde und Familie daheim verabschiedet, Form des Sargrücktransports geklärt und mit meinen Liebsten in Arosa nochmal einen Vorrat an guter Laune und Freude am Leben angelegt.
Alles, was jetzt noch kommt, sind unvorhersehbare Unwägbarkeiten eines handwerklich völlig unbegabten Zigeuners auf Road Trip mit einem 20 Jahre alten Auto...
In diesem Sinne: Viel Glück
Aufbruch: | 10.10.2013 |
Dauer: | 13 Monate |
Heimkehr: | 11.11.2014 |
Schweiz
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Kroatien