Sehnsuchtsort Shangri-La
Geh da hin, wo der Pfeffer wächst
Unterwegs zwischen Walnussbäumen und Pfeffersträuchern
12.09.2017
Das Frühstück ist spartanisch heute. Es gibt hartgekochte Eier, Nudelsuppe, Reis mit Fleisch, eine Art geschmacksneutraler Dampfnudeln und heißes Wasser. Xiao hat glücklicherweise Nescafe und Teebeutel, Heike und ich hatten vorgestern vorgesorgt und jeder ein leckeres Stück Kuchen gekauft.
So gestärkt geht es in den Regen hinaus. Wir fahren etwa eine halbe Stunde lang immer steil bergauf, bis wir zu einem tibetischen Dorf kommen, reizvoll am Hang gelegen, unten der reißende Fluss, gegenüber eine steile Felswand. Zwischen den Häusern viele Gärten mit Pflaumen-, Apfel- und Walnussbäumen, reichlich Gemüse und vielen Stäuchern mit Sichuan-Pfeffer, der ja einen ganz eigenen Geruch und Geschmack hat. Klar, dass ich da einen Beutel kaufe, eine Ration, die für einen Chinesen höchstens zwei Wochen reicht, mir aber wahrscheinlich bis an mein Lebensende. Ich bin seitdem einer der wenigen Menschen, dessen Fotoausrüstung intensiv nach Pfeffer riecht, wenn nicht gar der einzige.
Unterwegs in Jiaju
Der Regen wird glücklicherweise weniger und hört irgendwann ganz auf, kleine Wolken ziehen durch das Tal. Wir haben die Gelegenheit, uns mehrere Häuser des Dorfes Jiaju von innen anzusehen. Interessante Mischung aus alt und neu. Im Gegensatz zu ihren Glaubensbrüdern im Norden Indiens stehen hier Waschmaschinen und –trockener ebenso im Haus wie eine elektrische Getreidemühle. Am interessantesten sind aber immer die Menschen, auch wenn die Verständigung in China besonders schwer fällt. Bisher kommen mir nur drei Wörter bekannt vor, wie ich zu meiner Schande gestehen muss: „Ni hao“, „Mama“ und „hä?“.
Die Sache mit dem "L"
Das wäre ja alles nicht so wild, wenn es irgendeine andere Sprache gäbe, in der ich kommunizieren könnte, mit Englisch und etwas Spanisch kommt man ja eigentlich in der ganzen Welt gut rum, außer in Frankreich und in China.
Es gab früher die Werbung „Lass dil laten, tlinke Spaten“. Bei meiner Japan-Reise vor ein paar Jahren (https://www.umdiewelt.de/travelogue.php?t=5650&c=0) musste ich feststellen, dass dieser Spruch nicht auf Japaner gemünzt sein kann, die können kein „L“ aussprechen und mit dem „A“ tun sie sich auch schwer. Müsste als eher lauten „Russ dir ruten, trinke Sputen.“ Wie ich bei unserer Reiseleiterin merke, die im Übrigen exzellent deutsch spricht, haben auch die Chinesen mit dem „L“ erhebliche Probleme. Das wird etwa deutlich, als Xiao für alle Fälle ihre Handy-Nummer durchgibt: „Nur Nur Acht Sechs.“ Frage eines Mitreisenden: „Müssen wir keine Null vorwählen?“ Xiao: „Doch! Nur nur acht sechs.“ Mitreisender: „Also doch nicht.“
Mein Lieblingszitat von ihr: „IQ auf Straße!“ Werter Leser, ich warte nun auf Deine Übersetzungsvorschläge. Die Antwort gibt es morgen. Was außerdem interessant ist bei der Sprache: Im Chinesischen ist sie schnell mal eine halbe Oktave höher. Die beiden Sprachen sind halt doch ziemlich weit auseinander.
Abendröte-Reisen
Ich schweife ab, eigentlich wollte ich ja zu den Menschen kommen. Sehr beliebt in China sind „Abendröte-Reisen“, so nennt man Reisegruppen, deren Teilnehmer meist über 60 Jahre alt sind. Ich mache gerade ein Foto, wie eine Wolke tief unten im Tal hängt, als mich eine Chinesin dieser Abendröte-Generation anspricht und ich mal wieder kein Wort verstehe. Wozu hat man aber Hände und Füße? Schnell wird klar, dass die Gruppe ein Foto mit mir machen will. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass ich nicht der einzige bin aus unserer Gruppe, der angesprochen wird. Am Schluss werden reichlich Gruppenfotos mit gut 30 Chinesen und Deutschen gemacht. Immer, wenn jemand aufstehen will, stellt sich raus, dass da immer noch ein Fotoapparat am Boden liegt, der noch ohne deutsch-chinesisches Foto auskommen muss.
Das war nicht das erste Mal, dass ich mich bei Fotos darzustellen soll, und auch nicht das letzte Mal. Ein paar Stunden später, am Parkplatz vor einem Kloster macht plötzlichen ein Auto eine Vollbremsung, ein Mann springt raus, wild gestikulierend zu seiner Frau zeigend, die ein Handy in der Hand hat. Auch er hätte gerne ein Foto. Passiert interessanterweise nicht nur in China so, habe ich auch in Japan und Indien erlebt.
Also werter Weltreisender: Nicht erschrecken, wenn Du mal von Indern, Chinesen oder Japanern nach Hause eingeladen wirst und ein Foto von mir an der Wand hängt. Finde ich aber nur gerecht, wenn ich als Europäer mit aufs Foto soll, umgekehrt fotografiere ich ja auch fleißig darauf los.
Yak am Spieß, fünf wohlschmeckende Spieße mit Fleisch, das auf der Zunge vergeht und leckerer Marinade für knapp 1,30 Euro.
Das autonome Gebiet Garze
Dass Tibet autonom ist, weiß ich. Was ich aber nicht wusste: Auch innerhalb der chinesischen Provinzen gibt es autonome Bezirke. Wir sind in Sichuan und hier im autonomen Bezirk Garze, wo überwiegend Tibeter leben. Und was ich ebenfalls nicht wusste: Die Ein-Kind-Politik gilt bis heute nur für Han-Chinesen, nicht aber für Mitglieder von Minderheiten. Und die Tibeter hier in der Gegend haben häufig mehr Kinder.
Typisch chinesisches Essen: In der Mitte verschiedene Gerichte mit Reis, jeder nimmt sich, was er mag.
Im Hagong-Kloster
Mittagessen gibt es auf 3.351 bzw. 3.246 Metern Höhe; je nachdem, welcher der beiden Höhenmesser Recht hat. Bamei heißt der Ort, übersetzt „Acht Schönheiten“. Ich weiß nicht, ob sich das auf das Essen bezieht, die Bedienungen, die vielen tibetischen Fahnen oder die Landschaft. Es fasziniert mich auf jeden Fall, mit welch unterschiedlichen Ausprägungen der Buddhismus in den verschiedenen Regionen daher kommt: Da gibt es zwischen Japan, Sri Lanka, Nepal, Indien und China doch erhebliche Unterschiede. Während etwa in Indien und Nepal, aber teilweise auch in Japan überall diese langen Seile gespannt sind mit weißen, roten, blauen, grünen und gelben Dreiecksfähnchen, stehen hier etwa an Hang oberhalb des Ortes einige hundert Fahnenmaste aus Holz mit jeweils einer großen Fahne in einer Farbe. Schaut schön aus mit den grünen Hügeln und dem blauen Himmel ringsherum.
Am Nachmittag stehen das Hagong-Kloster und der benachbarte Tempel auf dem Programm. Der goldene Tempel ist gut hinter einer roten Mauern versteckt, wodurch man nur das obere Drittel zu sehen ist. Rechts geht es den Berg hoch, gaaaanz laaaaaangsam natürlich. Von dort oben müsste man eine bessere Sicht haben. Das einzige Problem: Da steht ein, der irgendwas von mir will. Nach einer äußerst spannenden Diskussion, bei der keiner den anderen auch nur ansatzweise versteht, probiere ich es mal damit, einen Yuan aus der Tasche zu holen. Genau das war es, was er von mir wollte. Und in der Tat: Der Blick von oben ist toll. Ich bin als einziger oben, die anderen schafften es nicht, das Hindernis zu überwinden.
Das Kloster selbst ist auch absolut prachtvoll. Wir haben die Gelegenheit, eine Weile einem Gottesdienst beizuwohnen. Links neben dem Kloster sind die großen Gebetstrommeln, viele Gläubige gehen dort vorbei und beten ihr Mantra. Wir haben wieder strahlend blauen Himmel, der Blick auf die benachbarten Berge ist phänomenal. Über die 4.000 Meter hoch gelegene Ebene geht es in Richtung Xinduquiao, wo wir auf 3.000 Meter Höhe übernachten. Ein wunderschönes buddhistische geprägtes kleines Hotel, bei dem viele Naturmaterialien verwendet wurden, Holz und Schiefer vor allem. Nicht nur aus meiner Sicht ist es gelingen, alte, klassische Elemente mit modernen zu verbinden.
Die Höhe spüre ich relativ wenig, außer beim Schlafen, werde wie in den vergangenen Tagen immer wieder mal wach. Kann daran liegen, dass hier oben der Ruhepuls um rund 20 höher liegt als üblich.
Aufbruch: | 08.09.2017 |
Dauer: | 17 Tage |
Heimkehr: | 24.09.2017 |