Altes Land – neue Staaten: Slowenien – Kroatien – Bosnien-Herzegowina
Slowenien
Wir sind drin, in dem seit 2004 auch EU-Land Slowenien, das gleichzeitig auch Nato-Mitglied wurde. Zunächst noch Autobahn, führt unsere Route über Maribor zur slowenisch-kroatischen Grenze. Eigentlich ist es nur ein kurzes Stück Weges, doch wir beschließen, diese Nacht in Slowenien zu bleiben. Deshalb fahren wir noch vor Überquerung des Flusses Drava/Drau von der Hauptstraße ab und folgen der Beschilderung zu einem Restaurant namens M&M entlang von Ministraßen.
Welch eine glückliche Fügung! Zur Linken findet sich oberhalb des Flusses das Restaurant M&M und direkt daneben ein Parkplatz mit Wiese. Wir fragen die nette junge Wirtin, ob es Abendessen gibt und ob wir mit unserem Camper die Nacht auf dem Parkplatz verbringen dürfen. Aber selbstverständlich dürfen wir das. Und ein Abendessen gibt es auch.
Der Ort heißt Markovci pri Ptuju. Wir erholen uns von der Fahrerei und setzen uns unter einem Baum ins Gras mit Blick auf die unter uns liegende Flussaue. Die Hitze des Tages ist einer kühlen Abendbrise gewichen. Direkt unter uns befindet sich eine Stromschnelle, an der Möwen nach Fisch tauchen. Das satte Grün des Waldes und das tiefe Blau des Flusses wirken beruhigend auf die strapazierten Nerven.
Ein Abendspaziergang zu dem etwas oberhalb gelegenen Wehr regt den Appetit an. Appetit ist wichtig, denn als wir uns in dem kleinen Wirtsgarten zum Abendessen einfinden, wird aufgetragen: Grillplatte mit Cevapcici (die werden uns die ganze lange Reise begleiten), dazu gegrillte Zucchini, Bratkartoffeln und Salat. Und als Nachtisch frische Erdbeeren, wie der Salat aus eigenem Anbau. Die haben rein gar keine Gemeinsamkeiten mit den wässrigen und geschmacksneutralen Erdbeeren, wie man sie aus den Supermarktangeboten kennt, so himmlisch süß und aromatisch sie schmecken.
Nun kommt der Wirtsvater und zeigt uns stolz seinen Garten. Er ist auch Besitzer eines kleinen gescheckten Hundes, der in einem Zwinger sein recht jämmerliches Dasein fristet. Der Wirtsvater ist auch Imker. Seine Bienenkästen sind umschwirrt von fleißigen Bienchen. Erst vor einer Woche habe er Honig geschleudert. Gerade hätten die Linden zu blühen begonnen. Auf unsere Frage, ob er den Honig auch verkaufe, bietet er uns ein großes Glas feinsten Blütenhonig für acht Euro an. Wer kann da schon widerstehen?
In den Wirtsgarten zurückgekehrt, sitzen wir vor unserem Bierchen, als ein Feuerwehrwagen anrückt und deren Besatzung, zehn junge Burschen, in den Wirtsgarten einfällt. Stolz stellen sie einen goldenen Pokal in die Mitte ihres Tisches. Den haben sie soeben gewonnen in der Disziplin „Schlauchlegen“. Der Siegerpokal wird mit Wein gefüllte und wandert von Mund zu Mund. Jeder darf mal, wir auch!
Die Wirtstochter fragt, wann wir denn gerne Frühstück hätten. Ist neun Uhr recht? Und ob! Besser hätte die Reise nicht starten können. Bezahlen können wir alles in Euro.
Nachts hat mich das ungewohnte, laute Rauschen des Flusses immer wieder geweckt. Der Morgen verspricht einen schönen Tag. An unserer Stromschnelle haben drei Schwäne Aufstellung zum Fischen genommen. Zwischendurch nehmen sie ein Sonnenbad. Ein phantastisch schönes Morgenfrühlingsbild.
Mit den Hunden spazieren wir hinunter zum Fluss, an dessen Ufer ein Wanderweg verläuft. Natur pur, mit Schmetterlingen und Libellen. Am anderen Flussufer sichten wir sogar einen Fuchs.
Das Frühstück ist genauso reichhaltig und lecker wie es das Abendessen war. Und die Erdbeeren sind auch wieder dabei.
Als wir bezahlen, erzählt die Wirtstochter, sie sei vor kurzem erst in München gewesen, eine Freundin besuchen, die dort arbeitet. Dann meint sie nicht ohne Bitterkeit, dass deren Eltern in den achtziger Jahren zum Geldverdienen nach München gezogen seien, als Slowenien noch ein Teil Jugoslawiens war. „Nun sind ihre Eltern in Rente gegangen und leben wieder hier im Ort. Die Tochter hat jetzt die Münchner Wohnung übernommen, weil in Slowenien kein Geld zu verdienen ist. Alle, die können, gehen nach Deutschland oder Österreich zum Arbeiten, obwohl Slowenien doch nun zur EU gehört. Doch für die Menschen hat sich im Prinzip nichts geändert.“ Dabei ist Slowenien von allen Staaten, die aus dem alten Jugoslawien hervorgegangen sind, sicher noch der am besten gestellte.
Diese Verbitterung über die politischen und wirtschaftlichen Realitäten wird uns auf dieser Reise noch oft begegnen. Bei der Zerschlagung Jugoslawiens in sechs Nationalstaaten wurden Hoffnungen geweckt, die sich nicht erfüllt haben.
Zu jugoslawischen Zeiten arbeiteten bis zu 900.000 jugoslawische Gastarbeiter im westlichen Europa. In den 90er Jahren sanken in Jugoslawien die Realeinkommen ebenso wie die industrielle Produktion, während die Arbeitslosigkeit anstieg. In Jugoslawien selbst tobte ein Wirtschaftskrieg zwischen den einzelnen Regionen. 1991 wurde der jugoslawische Markt auf Druck des IWF brachial geöffnet und Jugoslawien mit Billigprodukten überschwemmt, was katastrophale Folgen für die jugoslawischen Betriebe hatte, deren Produkte aus den Regalen verschwanden. Gleichzeitig war Jugoslawien in der Schuldenfalle gefangen. Neue Weltbankkredite nur gegen Privatisierungen. Eine Hyperinflation von 1.000 Prozent machte alle Spareinlagen zunichte, die Menschen verarmten. 2001 wurde die Mitgliedschaft Jugoslawiens bei IWF und Weltbank eingefroren, während Slowenien und Kroatien nach ihrer Sezession von Jugoslawien aufgenommen wurden.
Da der einseitige Austritt aus Jugoslawien in der jugoslawischen Verfassung nicht vorgesehen war, hatte das Parlament in Ljubljana bereits 1989 eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine Sezession möglich machte. Am 23. Dezember 1990 stimmten 88 Prozent der Slowenen in einer Volksabstimmung für die Lostrennung von Jugoslawien. Am 25. Juni 1991 erklärte Slowenien seine Unabhängigkeit, gegen den Wunsch der USA und der EU.
Jugoslawien erkannte diese Sezession nicht an. Der jugoslawischen Armee wurde die Sicherung der Grenzen befohlen, sie konnte sich allerdings gegen slowenische Paramilitärs nicht durchsetzen. Bei Auseinandersetzungen wurden mehr als 50 unbewaffnete jugoslawische Soldaten erschossen. Jugoslawien setzte daraufhin MiG-Bomber ein, bevor ein Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte. Sieben Tage Krieg forderten 60 Tote, 150 Verletzte und 1.700 gefangene jugoslawische Soldaten. UN-Beobachter kamen nach Ljubljana und am 23. Dezember 1991 wurde Slowenien ebenso wie Kroatien von Deutschland und den anderen EU-Staaten anerkannt. Der Nationalismus hatte gesiegt.
Als wir aufbrechen wollen, kommen zwei Pferdegespanne mit ihren in Tracht gekleideten Kutschern. Die Pferdchen werden direkt neben unserem Wohnmobil geparkt und freuen sich über die Äpfel, die sie von uns bekommen. Die Fuhrleute sind sehr nett, nur am sprachlichen Austausch hapert es – mangels Fremdsprachenkenntnisse.
Nun geht’s aber wirklich Richtung kroatischer Grenze. Dabei kommen wir an der ältesten Stadt Sloweniens vorbei. Ptuj, heute eine Museumsstadt, deren Wurzeln etwa auf das Jahr 2000 v.Chr. zurückgehen. Später ließen sich dort Römer nieder. Ab dem 12. Jahrhundert hatten in Ptuj Salzburger Erzbischöfe das Sagen. Durchflossen von der Drava und umgeben von Weinbergen verfügt Ptuj über eine wunderschöne, komplett denkmalgeschützte Altstadt aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Das wehrhafte Schloss von Ptuj wurde zur Festung gegen Magyaren und Osmanen ausgebaut.
Aufbruch: | 26.05.2018 |
Dauer: | 3 Wochen |
Heimkehr: | 15.06.2018 |
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