Apulien-Reisebericht: Puglia und Gargano
Der Mezzogiorno, wie die südlichsten Regionen der Apenninhalbinsel auch genannt wird, gehört zu den ältesten Kulturlandschaften der Welt. In der Magna Graecia blühte eine hochentwickelte Zivilisation. Um so trauriger stimmt die tiefe Kluft, die sich im heutigen Italien aufgetan hat.
Puglia - Gargano
Apulien umfasst den Stiefelabsatz inklusive den Sporn und zählt in etwa 4 Millionen Einwohner. Der Sporn ist der nördlichste Teil Apuliens - die Halbinsel nennt sich zusammen mit dem gleichnamigen Gebirge "Gargano" - südlich davon liegt der Tavoliere, eine grosse Senke um die Stadt Foggia und gleich anschliessend die fruchtbaren Ebenen der Terra di Bari und d'Otranto.
Die Hauptstadt Apuliens ist Bari (360'000 E.) Puglia ist in 5 Provinzen aufgeteilt: Foggia, Bari, Brindisi, Taranto und Lecce.
80% der Bodenfläche werden landwirtschaftlich genutzt, die Viehzucht ist eher unbedeutend, dagegen spielt der Fischfang eine grosse Rolle. Und mehr als 90% der Bevölkerung lebt in den Städten.
Die Industrie dient vornehmlich der Verarbeitung von Nahrungsmitteln. Der Versuch, Stahl- und Chemiewerke aus dem Norden anzusiedeln, darf zum Teil als gescheitert betrachtet werden. In Neapel - zwar in Kampanien liegend, wird zur Zeit ein grosses Stahlwerk, welches nie aus den roten Zahlen herauskam, wieder abgebaut und in den grössten Freizeitpark Süditaliens umgewandelt.
Durch die ständige Herabsetzung der Gefahreneinstufung durch die verantwortlichen Behörden wurden einzelne Betriebe auch zum gesundheitsgefährdenden Umweltrisiko.
Trotzdem - Im Osten umspült die Adria die Küsten. Hier finden sich traumhafte Sandstrände und romantische Fischerdörfer und Städte, von denen ich bis anhin recht wenig wusste. Keine grössere Stadt ist mehr als 75 km vom Meeresstrand entfernt und das Hinterland, erreichbar über kurvige, steil ansteigende Strässchen macht vielerorts den Eindruck erstaunlicher Abgeschiedenheit.
Die Pflanzenwelt des Südens ist entsprechend den immensen Höhenunterschieden sehr vielseitig; Palmen und Bergföhren, duftende Macchia und dichte Kastanienwälder. Die Nutzflächen mit Oliven, Weintrauben, Mandeln, Feigen, Orangen, Zitronen und Obst vermitteln ein mediterranes Flair.
Die Fahrt auf Italiens Autobahnen verläuft wenig spannend, fast monoton. Und doch - irgendwo taucht im Rückspiegel ein Toyota gleichen Typs auf! Also - mit Handzeichen verständigt und bei der nächsten Raststätte raus - kurze Besichtigung der beiden Autos, beim Espresso (danke Peter) ein paar Information über das Woher und Wohin ausgetauscht und weiter geht die Fahrt in Richtung Ancona.
850 gefahrene Kilometer erscheinen mir am ersten Tag genug zu sein. Im kleinen Hafen von Ortona (Abruzzen) findet sich ein ruhiger Parkplatz zum Übernachten.
Ein paar Jogger fungieren als "Wecker" - der neue Tag ist angebrochen.
Der Weg führt der Küste entlang bis nach Ripalta, hinein in den Stiefelsporn Italiens, dem 1. Ziel der Reise. 65 km ragt der Sporn in die Adria hinaus und das Gebirge, welches der Halbinsel den Namen gegeben hatte erhebt sich mit dem Monte Calvo auf 1055 m in die Höhe. Süditaliens Campinggebiet lädt ein zu Sonne, Badefreuden und erholsamen Wanderungen. Die Küstenseen Lago di Lesina und Lago di Varano sind ein Paradies für Wasser- und Zugvögel.
Bei einem Wachtturm öffnet sich ein traumhafter Ausblick auf die Küstenlinie und die weissen Häuser von Peschici leuchten über dem tiefblauen Meer.
Vorbei an Wachttürmen zum Schutze vor den Türken und den silbrigen Olivenbäumen zwischen weissen Felsen und blauem Meer taucht Vieste auf.
Vieste ist das Zentrum des Gargano mit einer intakten Altstadt. Unter dem mächtigen Kastell von Friedrich II. (leider nicht zugänglich, da im Besitz der Marine) bummelt man den weissgetünchten Häusern entlang. Unterhalb der Steilwand erhebt sich der freistehende weiss im Sonnenlicht glänzende Felsen Pizzomunno.
Der Sage nach ist der Pizzomunno ein in Stein verwandelter Jüngling, der nur alle 100 Jahre für eine Nacht erwacht, um sein Mädchen suchen zu können. Wann? Das wissen die Götter...
Nach zwei Relax-Tagen wird die Fahrt wieder aufgenommen. Aleppo-Kiefern säumen den Wegrand und immer wieder zeigen sich die schönsten Plätze, welche zum Verweilen einladen. Die steil ins Meer stürzenden Felsen weichen langsam den weiten Ebenen.
Hinter dem Städtchen Mattinata führt die Strasse steil hinauf ins Gebirge. Der herrliche Ausblick auf die Küste sowie die weiten Ebenen des Tavoliere sind phantastisch. Die Strasse wird schmäler und in unzähligen Kurven führt sie hinauf auf die kahlen Berghänge nach Monte Sant' Angelo.
Verblüffend, hier oben ein Städtchen mit 15'000 Einwohner vorzufinden.
2007 Puglia - Monte Sant'Angelo; der achteckige Campanile bewacht den Eingang zum Heiligtum des Erzengels Michael
Erzengel Michael und Padre Pio - ein Konkurrenzkampf am Gargano! Rund gute 25 km liegen die beiden Ortschaften Monte Sant'Angelo und San Giovanni Rotondo auseinander und beide gehören zu den meistbesuchten Zentren des religiösen Lebens in Süditalien. Und fast scheint es, dass die Wirkungsstätte des Kapuzinermönchs Padre Pio (1887-1968) dem Erzengel Michael den Rang ablaufen würde.