Südamerikareise von Martina und Tobias

Reisezeit: Juli 2006 - Juli 2007  |  von martina und tobias

Patagonien

Der Titel dieses neuen Kapitels ist eigentlich nicht ganz richtig. Argentinier nennen schon ihr Seengebiet, die Chilenen erst den ganz südlichen Teil ihres Landes Patagonien. Alle Berichte unter diesem Titel beziehen sich auf unsere Reise vom Seengebiet der beiden Länder bis hinunter in den südlichsten Teil des Kontinents...

Also... Seit dem letzten Eintrag sind wir schon viel weiter südlich gereist. Im Moment befinden wir uns in der Region Aisén, in Coyahique. Die Menge der Internetcafés ist unproportional zu den Naturschönheiten.- Gilt das als Ausrede, dass wir schon so lange nicht mehr von uns haben hören lassen?

Voller Freude stürzen wir uns ins Getümmel des Hauptbusterminals in Santiago- die chilenischen Ferien haben begonnen und die gesamte Hauptstadt will weg aus dem Smog. Heute geht unsere Reise Richtung Villarrica weiter. Wir lassen uns zu einem nur 5 Franken teureren Billett überreden. Salon cama (Bettsalon) heisst diese Klasse und bedeutet, dass man die breiten Sessel fast horizontal verstellen kann. Abendessen und Frühstück ist inbegriffen im Preis- so steht es jedenfalls auf dem Ticket. Die Sessel sind zwar bequem, doch unter Abendessen verstehen wir mehr als 2dl Coca Cola und ein klitzekleines Säckchen Erdnüsse...
Morgens um 6.00 müssen wir wegen einem Motorschaden den vornehmen Bus gegen einen gewöhnlichen austauschen. Der Ausflug in die Luxusreisewelt hat sich für uns nicht gelohnt.
Villarrica liegt wunderschön am tiegblauen See mit Blick auf den verschneiten Vulkankegel. Am Abend werden die Wolken von der Lava im Innern rot beleuchtet- Ein unbeschreibliches Bild...

Vulkan Villarrica

Vulkan Villarrica

Einige Tage später brechen wir mit einem Teil unserer Ausrüstung in den nahe gelegenen Nationalpark "Herquehue" auf. Wir wollen dort ein kurzes Trekking machen, das in unserem deutschen Patagonienreiseführer beschrieben ist.
Gegen Abend kommen wir beim Park an und entschliessen uns, erst am nächsten Morgen zu starten. Wir stellen unser Zelt auf einem der schönsten Zeltplätze auf. Die junge Frau, die ihn verwaltet, bekommt grosse Augen, als sie unsere Schweizerkreuze auf dem Rucksack sieht. Sie liebe die Schweiz! Ihr Bruder wohne seit längerem dort, in Thun, und sei im Moment da!- Und schon ist sie weg, um ihn zu rufen. Es ist witzig, mitten in der chilenischen Wildnis mit einem Chilenen berndeutsch zu sprechen!
Am nächsten Morgen starten wir früh, um den steilen Aufstieg in einigermassen angenehmer Temperatur hinter uns zu bringen. Beim Parkeingang wird unser Trekkingbeginn etwas getrübt. Die Eintritts- und Übernachtungsgebühren sind horrend, sogar für uns Westeuropäer. Dass von dem Betrag nur einen Bruchteil an CONAF (chilenische Nationalparks) geht, macht uns doppelt wütend... 30 Dollar für eine Übernachtung auf einem Campingplatz ohne Wasser und Sanitäranlagen ist eine Frechheit! So entschliessen wir uns, heute Abend irgendwo, wo es niemanden stört, unser Zelt aufzustellen.

Araukarien im Parque Nacional Herquehue

Araukarien im Parque Nacional Herquehue

Der Aufstieg ist, auch in der Frühe, schweisstreibend. Doch wir werden mit einer spektakulären Aussicht belohnt: Riesige Wälder, tiefblaue Seen und über allem der wunderschöne, verschneite Kegel des Vulkans Villarrica!
Die Wanderung führt über schweizerische Blumenwiesen, an Wasserfällen und der, für diese Region so typischen Urbäumen, den Aurakarien, vorbei. Wir baden in den Lagunen, staunen über grün-blau schillernde Eidechsen und beobachten den rotköpfigen Magellanspecht bei seiner Arbeit.

Farbenprächtiges Exemplar

Farbenprächtiges Exemplar

Am späten Nachmittag stellen wir unser Zelt, gut versteckt, an einem schönen Plätzchen auf. Unser schlechtes Gewissen beruhigen wir damit, dass wir ja nirgends ein ausdrückliches Verbotsschild gesehen haben, wohl aber welche, die das Rauchen oder Jagen im Park untersagen...

Am nächsten Tag treffen wir auf Steffi und Haiko, ein deutsches Paar in unserem Alter. Wie sich herausstellt haben auch sie ihr Zelt, ganz in der Nähe des unseren, aufgestellt, auch sie haben sich weit und breit alleine gewähnt. 
Zusammen wandern wir weiter. Es ist schön, ab und zu deutsch zu sprechen. Weil sie gerade erst von Deutschland nach Santiago gereist sind, haben sie noch keine gelesenen Bücher zum Tauschen. Die mühsame Suche nach einigermassen lesbarem Stoff geht weiter.

Gegen Abend kommen wir zu einigen kleinen Bauernhöfen, die alle Platz zum Zelten anbieten. Auf einem improvisierten Campingplatz stellen wir unser Zelt auf und geniessen danach ein Bad in den heissen Thermalquellen (mit einem kalten Bier) -eine Wohltat nach dem langen Wandertag!

Zurück in Villarrica steuern wir schnurstracks dem Hostal Torre Suiza zu. Dorthin sollte unser neuersteigertes GPS hingeschickt werden. Der Schweizer, dem das Hostal gehört, verneint, es sei noch nichts angekommen. 3-5 Tage dauert, laut Service, den wir bezahlt haben, die Lieferung.- Wir werden ausgelacht. Wir sind in Chile, meint der Hostalbesitzer, da dauere alles etwas länger. Und wenn die chilenische Post die Finger im Spiel habe, sowieso...
Zahlreiche Telefonate an die chilenische und amerikanische Post und den chilenischen Zoll folgen, mal freundlich, mal wütend. Niemand kann uns weiterhelfen, wir werden von Pontius zu Pilatus geschickt und wissen immer noch nichts über den Verbleib des Pakets.

Nach ermüdenden 4 Tagen (inklusive Zirkusbesuch mit echtem russichen Braunbär Iwan und einer rasanten Canopyfahrt) entscheiden wir, weiter zu reisen. Der Hostalbesitzer bietet uns an, das Päckli, wenn es denn mal ankommt, weiter zu schicken.

So passieren wir ein weiteres Mal die Grenze nach Argentinien. Schon jetzt machen die argeninischen und chilenischen Ein-und Ausreisestempel einen Grossteil unserer Sammlung im Pass aus. Es werden noch viele weitere folgen..
Wir freuen uns auf Argentinien, seine herzlichen Bewohner und das gute Essen.
Im Busterminal in San Martin de los Andes bekommen wir zu spüren, dass Hochsaison ist: Alle Plätze im Bus sind ausverkauft .
So bleibt uns nicht anderes übrig als Autostopp zu machen, "hacer el dedo", wörtlich übersetzt, den Daumen zu machen... Wir haben Glück, nach einigen Minuten Warten, nimmt uns ein älteres israelisches Paar die 200km bis Bariloche mit. Die Fahrt ist spektakulär. Auf einer Schotterpiste holpern wir durch die wunderschöne Landschaft der "Siete Lagos", sieben Seen.

In Bariloche angekommen stürzen wir uns hungrig auf einen improvisierten Choripan-Stand. Für umgerechnet 80 Rappen verkauft ein Mann dort argentinischen Fastfood vom Feinsten. Merguez mit Brot und dazu Chimichuri, eine würzige Tomatensauce. Wir stellen uns in den kommenden Tagen noch einige Male in die lange Schlange- Warten lohnt sich!

In Bariloche müssen wir auf besseres Wetter warten. Das erste Mal seit langem erleben wir auf unserer Reise Regen- ein spezielles Gefühl.
Wir nutzen die Zeit, e-mails zu lesen und zu beantworten, Wäsche zu waschen und gemütlich Mate zu trinken. Einige Tage später starten wir dann auf ein unvergessliches Trekking. Die Wanderungen sind anstrengend, doch immer und immer wieder werden wir mit tollen Aussichten belohnt. Am zweiten Tag folgt uns ein Hund. Wir probieren alles, ihn abzuschütteln- ohne Erfolg. Es scheint, dass er die Wanderung nicht zum ersten Mal macht.
Am späten Nachmittag werden wir freundlich von der Hüttenwartin empfangen. Wir dürfen das Zelt neben dem Refugio aufstellen. Sie bringt uns warmen Tee und gibt uns Tipps für den nächsten Tag.
Warm eingepackt geniessen wir die Abendstimmung über der Lagune.

Patagonische Abendstimmung

Patagonische Abendstimmung

Der Abstieg vom Refugio Martin ist happig... Sie haben uns zwar gewarnt,
dass der Weg eventuell schwierig zu finden sei, doch das ist extrem untertrieben: Ineinanderverkeilte Bambusstauden versperren uns den Weg, Sumpf lässt uns tief einsinken und das Flussfurten macht nach dem 100. Mal auch nicht mehr so Spass. Die Wege sind wohl von einem kürzlichen Unwetter abgerutscht oder weggespült... Nach geschlagenen 13 Stunden können wir, exakt bevor es ganz dunkel wird, den Wald verlassen und schlagen todmuede unser Zelt auf. (Zum Glück geht das mittlerweile fast im Schlaf). Den naechsten Tag beginnen wir ganz langsam und machen uns erst gegen Mittag auf den Weg. Nach etwa einer halben Stunde treffen wir auf 3 aeltere argentinische Paare, die am Seeufer ein edles Wochenendpicknick veranstalten. Und wie die Argentinier so sind, kommen wir da natürlich nicht vorbei...
Das i-Tuepfli ist die Regenbogenforelle, die Tobias am Abend aus dem See zieht und uns eines der besten Abendessen beschert.

Leckerbissen

Leckerbissen

Wieder in Chile, Puerto Varas, lernen wir witzige Chileninnen aus Santiago kennen. Fan Chui ist ursprünglich aus Taiwan und lebt seit 15 Jahren in Chile. Zusammen mit ihrer Kollegin Carolina verbringt sie hier ihre kurzen Ferien. Sie laden uns ein, mit ihrem Mietauto Chiloé zu besuchen. So machen wir uns zu viert auf den Weg, besichtigen eine Pinguinkolonie im Norden der Insel, schlagen uns die Bäuche in einem Fischrestaurant am Hafen voll und bekommen Nachhilfeunterricht in chilenisch.
Zusammen besuchen wir auch den "Tag des Kuchens" in Puerto Varas. Auf einem überdimensionalen Tisch stehen Hunderte von Kuchen bereit, die vom Publikum bewertet und dann aufgegessen werden können. Als ein eingewanderter Österreicher für musikalische Unterhaltung sorgt, verlassen wir den Ort des Geschehens fluchtartig. (Moi Tirol, moi Tirooool...)

Dia del Kuchen

Dia del Kuchen

Chiloé, eine relative grosse Insel vor Chile, bekannt für seine Holzkirchen und viel Regen, besuchen wir, wiederum nur kurz, einige Tage später ein zweites Mal. In der Hauptstadt der Insel, Castro, wollen wir unbedingt die Fischerhäuschen auf Pfählen, palafitos, sehen. Dummerweise haben wir nicht mit den Gezeiten gerechnet und können euch deshalb nicht so tolle Fotos davon präsentieren- wir appellieren an eure Imaginationskraft.

In Puerto Montt können wir das langersehnte GPS in Empfang nehmen! Nach mehr als einem Monat Irrfahrt durch die Welt ist es nun endlich da. Kurz darauf finden wir unseren ersten Schatz nach (viel zu) langer Geocachingabstinenz!

Palafitos bei Ebbe

Palafitos bei Ebbe

Gut Ding will Weile haben...

Gut Ding will Weile haben...

Von Puerto Montt aus haben wir uns günstige Fahrkarten für die nächtliche Überfahrt per Schiff nach Chaiten ergattert. Der Seeweg dorthin dauert viel weniger lang als die Busreise. Im Wartesaal der Fähre herrscht ein riesiges Gedränge. Kaum wird die Tür geöffnet, rennt die ganze Meute Richtung Schiff. Eine Sekunde zu spät merken wir, dass wir das auch hätten tun sollen- die Plätze sind nicht nummeriert! Alle Passagiere besetzen so gut es geht möglichst viel Platz im grossen Aufenthaltsraum des Schiffes. Zum Glück sind wir mit warmen Kleidern und Schlafsack ausgerüstet und richten uns auf Deck einen Schlafplatz ein. Die Überfahrt ist windig und kühl, doch wir sind froh, dass wir nicht im warm-stickigen Raum übernachten mussten.

In Chaiten besuchen wir das wunderschöne Naturreservat Pumalin. Diese ganze Gegend hat ein amerikanischer Billionär aufgekauft, um vor Abholzung und Überbauung zu schützen und hat daraus einen "gepützelten", dem Publikum zugänglichen Park geschaffen.

Warm eingepackt auf Deck der Angelina

Warm eingepackt auf Deck der Angelina

Nach vielen Stunden holpriger Fahrt im engen Bus über die Carretera Austral, sind wir nun in Coyahique, einer kleinen Stadt in Mitten der patagonischen Wildnis. Wir wohnen in einer kleinen Wohnung, die einem kauzig-liebenswürdigem Englischlehrer gehört. Schon unter der Türe fragt er uns, von von wo wir seien und was unser Beruf ist. Etwas überrumpelt geben wir Antwort und lassen uns zum Kaffee einladen.
Dem Kaffee folgt ein Sandwich, dann teilen wir uns zu dritt ein chilenisches Bier aus der Dose und schlussendlich gelangen wir beim Pisco an... Stundenlang sprechen wir über alles mögliche. Er ist der erste Chilene, der offen und voller Hass Pinochets Regime kritisiert. Allerdings wechselt er plötzlich vom Spanischen ins Englische und senkt dabei seine Stimme. Dann erzählt er, dass allen Chilenen jahrelang Angst gemacht wurde und sich deshalb niemand so recht getraue, darüber zu reden.

Zwischen diesem und den letzten Abschnitten dieses Kapitels liegt eine Woche... Nach mehr als 5 Stunden Arbeit (Bericht aufsetzen, eintöggelen, Fotos auswählen und hochladen) hat der Computer in der patagonischen Grossstadt kolabiert... Nach diesem frustrierenden Erlebnis habe ich heute nun erneut Anlauf genommen...

Letzte Woche haben wir ein traumhaft schönes Trekking bei Cerro Castillo gemacht. 3 Tage lang sind wir unterhalb des wie ein Spukschloss über dem Tal thronenden Berg gewandert, haben ganz in der Nähe eines Gletschers ünernachtet und konnten mehrmals zusehen, wie ein gewaltiges Stück Eis abgebrochen und in die darunterliegende Lagune gefallen ist. Eindrücke von drei tollen Tagen, viele Fotos und eine eindrucksvolle "Bläuele" an Martinas Oberschenkel sind zurückgeblieben.

Verspätetes Geburigeschenk für Stéphi Gerber (Bestellungen für Fototapete nehmen wir gerne entgegen  )

Verspätetes Geburigeschenk für Stéphi Gerber (Bestellungen für Fototapete nehmen wir gerne entgegen )

...und ausserdem

  • ist die Carretera Austral der Hit! Eine meist unasphaltierte Strasse, die durch Chiles Wildnis führt, an imposanten Gletschern, Seen und Einsamkeit vorbei.

  • sind wir dankbar für Tipps, was man zu zweit mit 5 Würfeln spielen kann. (Vorschläge wie "Yatzi" und "erben" werden kommentarlos aus dem Gästebuch entfernt )

  • heisst "Kuchen" auf chilenisch "Kuchen"!

  • haben die Örtchen hier lustige Namen wie Futaleufu, Puyuguapi und Coyahique.

  • staunen wir jeden Tag aufs Neue über die Schönheit der Natur.

  • haben wir es langsam satt, wenn sämtliche Chilenen bei jeder Gelegenheit ihre argentinischen Nachbarn in den Dreck ziehen.

  • sind wir immer noch gerne unterwegs!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
In Kürze geht ein grosser Traum in Erfüllung: Wir starten gemeinsam unsere Reise durch Südamerika...
Details:
Aufbruch: 16.07.2006
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 06.07.2007
Reiseziele: Ecuador
Peru
Südamerika
Chile
Argentinien
Costa Rica
Nicaragua
Guatemala
Der Autor
 
martina und tobias berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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