Faszination Indien
Indien: Bezaubernd!
Agra, 16.11.06
6:00 Uhr: Der Wecker klingelt.
6:30 Uhr: Julia verlaesst das Haus.
6:40 Uhr: Julia befindet sich verzweifelt auf der Suche
nach einem TukTuk/Taxi ... ja ist Delhi denn
heute auf dem Langschlaefertrip?
6:47 Uhr: Gott sei Dank, ein TukTuk kommt des Weges.
"Hazrat Nizamuddin Station, jalde jalde
(schnell schnell).
Ich habe keine Ahnung, wie lange es zum Bahnhof dauert. Auf dem Stadtplan sah der Weg relativ kurz aus. Naja, der TukTukfahrer tritt aufs Gas. Glueck gehabt, er hat eine getunte Rickscha!
7:07 Uhr: am Ziel. Noch 8 min. ... ausreichend Zeit, noch
ein wenig Verpflegung fuer die Zugfahrt zu
besorgen. Cheese-Sandwich, Bananen ... das muss
reichen.
7:15 Uhr: Abfahrt ... das Abenteuer Taj-Mahal kann beginnen
Um mein Budget zu schonen fahre ich 2. Klasse (209 km nach Agra kosten mich schlappe 81 Rs, ca. 1,30 Euro). Superentscheidung. Das war die coolste Zugfahrt meines Lebens. Ich liebe Indien.
Alle 3 min. kommt ein Tee-/Kaffee-/Chips-/sonstige Knabbereienverkaeufer durch den Gang. Artisten, Musiker etc. sorgen fast fuer Pariser-Metro-Feeling. Auch in der 2. Klasse gibt es ein ausgefuchstes Kühlsystem ...
Ich habe nette Sitznachbarn, die mal nicht nur fragen, sondern auch von sich erzaehlen. Ausserdem unterhaelt ein suesser Zweijaehriger das ganze Abteil und ist begeistert von meinen "Hoppe Hopper Reiter-Spielen".
Die 3 Stunden vergehen wie im Flug, eigentlich schade, dass ich schon aussteigen muss!
In Agra zielsicher zum Rickscha-Prepaid-Stand gefluechtet (zu empfehlen) und ein Ticket zum Taj-Mahal geloest.
Der Rickschafahrer nervt die ganze Zeit ueber mit Angeboten fuer eine Tagestour mit ihm zu allen wichtigen Sehenswuerdigkeiten Agras ... schliesslich drohe ich mit einer Beschwerde beim Prepaidschalter und stelle ihn so ruhig. Stelle ausserdem fest, dass ich in den 7 Wochen Indien gelernt habe, Leute fast perfekt mit Blicken und Gesten abzuwehren, die ich mir bei Indern abgeguckt habe. Mit ein paar Worten Hindi wird man auch die hartnaeckigsten Bettelkinder los ... und kann sich genuesslich ueber andere Touris amuesieren, die das noch nicht so raushaben und minutenlang verfolgt werden. So komme ich sehr schnell zum Ticketschalter des Wahrzeichens von Indien.
Ich kaufe ein suendhaft teures Ticket (750 Rs) fuer auslaendische Touristen inkl. einer Flasche Wasser und Shoecovers.
Ein Guide lotst mich durch die lange Schlange. Ich erklaere zig Mal, dass ich ihn nicht bezahlen werde, weil ich seinen Dienst nicht angefordert habe. "No problem Miss, it's my pleasure. Trust me!" (Kenn ich schon den Spruch, fuehle mich aber abgebrueht genug, ihn NICHT zu bezahlen, falls er doch was will!). Ich marschiere also froehlich an der langen Schlange vorbei (naja, ich werde marschiert , daran werde ich mich nicht gewoehnen, dass ich an jeder Schlange vorbeikomme, nur weil ich Touristin bin. Ist aber hier so ueblich! Komisch ... bin ja kein besserer Mensch, nur weil ich nicht indisch bin!
Sicherheitcheck. Kein Durchkommen mit MD-Player und Handy (und ich wollte so gerne mit meiner Minidisc einen terroristischen Anschlag verueben ). Rueckweg zum Cloakroom, wo sich Safes befinden. Und das Ganze noch einmal!
Mein Guide immer an meiner Seite. Werd ich den los? Ich glaube nicht! Scheint aber ganz nett zu sein.
Ich nehme mir Zeit, mache Fotos und frage mich: "Wo ist denn jetzt das Taj?" Aha! Linkskurve, durch ein grosses rotes Tor erhasche ich einen ersten Blick auf den schoensten Liebesbeweis der Welt.
Mein Guide (Hussain) erklaert in gutem Englisch und mit interessanten Details.
22 Jahre Bauzeit. 10 000 Elefanten transportieren Marmor aus Rajasthan nach Agra. Hussain zeigt mir die Schlafkammer der Arbeiter, die winzig klein sind. Ich in meiner deutschen Denkweise erwaehne, dass die Kammern aber ziemlich klein sind (und denke dabei an eine Ein-Mann-Belegschaft ... und Hussain sagt, dass sich auch nur 10 Arbeiter eine Kammer teilen mussten. Oh, vergessen ... ich bin ja in Indien.
Wir biegen durchs Tor. Wirklich, das Bauwerk ist atemberaubend schoen. Es ist nahe dran an "vollkommen" und "perfekt". Trotz milden 29 Grad bekomme ich eine leichte Gaensehaut!
Hussain erklaert wirklich gut und macht mich auf jeden "Snapshotpoint" (O-Ton) aufmerksam. Besonders haben es ihm die "Schnappschusspunkte" angetan, an denen er mich vor dem Taj-Mahal fotografieren kann.
"Julie, there is a very important seat. Lady Di, Princess of Wales has been sitting there. Now you!" Inder lieben es sich, vor Sehenswuerdigkeiten fotografieren zu lassen, daher boomt das Geschaeft "professioneller" Fotografen mit Polaroidkameras. Mir faellt auf, dass sich so gut wie keine Amerikaner und Japaner finden. Angenehme Reisezeit fuer Indien .
Auf der naechsten Bank haben schon Clinton, Bush und "Shredder" gesessen. "Shredder" ... ich ueberlege krampfhaft, wen Hussain da meinen koennte. "Julie, the statesmann of Germany!" ... Oeehm! Ach "Schroeder"! War der in Indien??? Werde das nicht ausdiskutieren ... ueber deutsche Politiker diskutiere ich in Indien gar nicht mehr, nach den unzaehligen Fragen nach "Chiettla ... you know Chiettla, good man!" und meinen Bekehrungsversuchen, dass Hitler kein "good man" war!
Also, noch ein Snapshot auf der Politikerbank, einige Aufnahmen von der Spiegelung des Tajs im Wasserbecken davor und schon naehern wir uns dem Allerheiligsten!
Schuhe aus und rein ins Vergnuegen, ok, ins Mausoleum ... Hussain erklaert und erklaert. Er scheint wirklich viel zu wissen. Er erklaert mir die Koranverse (schwarzer Onyx als Einlegearbeit im weissen Marmor), erklaert, wo die, fuer die Blumenmuster verwendeten Edelsteine herkommen u.s.w. Ich fotografiere und fotografiere.
Die Architektur ist berauschend schoen. Das Taj ist von allen 4 Seiten exakt gleich, das gesamte Gelaende ist in perfekter Symmetrie angelegt, die 4 Saeulen, die das Taj umgeben sind in einem leichten Winkel nach aussen gekippt, damit sie bei einem moeglichen Erdbeben nicht aufs Taj kippen. Hussain macht mich ausserdem auf einige Raffinessen des Architekten aufmerksam ... er liebte optische Taeuschungen.
Spannend!
Nach einem Besuch in der Moschee neben dem Taj lassen wir uns auf einer schattigen Bank nieder und unterhalten uns gut. Inzwischen bin ich froh, dass Hussain sich an meine Fersen geheftet hat. Hussain erklaert mir, dass er sich oft nette Touristen aussucht, um sein Englisch zu verbessern, weil er Physik studieren moechte. Er laedt mich noch auf einen Tee zu "his father's place" ein. Ich gehe mit und werde herzlich empfangen. Wir sitzen im "Mughal Gem Store". Entgegen meiner Befuerchtungen werde ich nicht genoetigt etwas zu kaufen. Wie angenehm. Ich bekomme einen Touristen-Kitsch-Taj-Anhaenger geschenkt! UND ... dann kommt der Vater, von dem ich ueber den Tag schon so viel gehoert hatte "Holy and very honest and aged (78) man." Beeindruckend. Langer, weisser Rauschebart! Mr. Mumtaz himself!
Er schaut mir tief in die Augen, laesst sich meinen Geburtstag und Namen nennen, ausserdem den Namen meiner Eltern und erzaehlt viel ueber mein Leben. Einige Sachen konnte er definitiv nicht gewusst haben. Scheint ja doch ein wenig was dran zu sein an der Astrologie! Er macht mir nach einer einstuendigen Unterhaltung ein Geschenk! Hier glaubt man an die Kraft von Edelsteinen. Man spricht dann von "birthstones"! Meine birthstones sind Zirkon und Katzenauge ... und ich besitze jetzt einen Anhaenger mit diesen Steinen, der mit "holy words" besprochen wurde und nun an einem schwarzen Band mit 7 heiligen Knoten an meinem Hals haengt!
Der Tag entschaedigt fuer alle Versuche, mich uebers Ohr zu hauen! Es gibt ihn tatsaechlich ... den Inder, der nicht nur aufs Geschaeftemachen aus ist!
Zufrieden mache ich mich - nach einer herzlichen Verabschiedung ... und dem Verprechen, wiederzukommen - auf den Weg zum Bahnhof, verschlafe die Zugfahrt und bin um 23 Uhr wieder zu Hause.
Aufbruch: | 01.10.2006 |
Dauer: | 7 Wochen |
Heimkehr: | 18.11.2006 |