Nach Odessa durch Transnistrien
Eigentlich sollte das Auto hauptsächlich das Fahrradgepäck aufnehmen, damit wir uns fürs Radeln noch mehr vornehmen konnten. Doch so große Entfernungen verführen zum Autofahren, was dem Abenteuer aber nicht den geringsten Abbruch tat...
Planen und alle Wünsche erfüllen
Unser altes Auto, ein 1700er Opel Kadett Diesel Baujahr 1991 - läuft eigentlich noch tadellos. Warum sollte man ihm dann nicht vor dem Verkauf eine besonders große Reise zumuten ? Die Anhängerkupplung erlaubt zudem mit entsprechender Ausrüstung das Mitnehmen von zwei Fahrrädern. Somit ließe sich die schon zur Tradition gewordene Radtour im Spätsommer wesentlich komfortabler machen. Man braucht nur noch einen, der das Auto chauffiert und vielleicht einen Dritten, der mit dem zweiten Fahrrad fährt. Einmal ins Gebirge ohne Gepäck radeln zu können, davon träume ich spätestens nach der Gruppenradtour vom Sommer 2003 nach Rumänien und Bulgarien. Individuell statt in der Horde fährt es sich natürlich noch besser.
Schon im Frühjahr werde ich fündig: Horst, 64, der schon fast 70 Länder der Welt bereist hat, war noch nie in der Slowakei, Moldawien und der Ukraine. Also fahren wir doch dorthin! Horst fährt lieber Auto, seine Radfahrleidenschaft ist begrenzt. Toni, 67, hatte im vorigen Jahr die Moldauklöster in Nordostrumänien ausgelassen, das möchte er in diesem Jahr nachholen. Angeblich lieber mit dem Rad als mit dem Auto, aber die Gepäckbeförderung könne das Auto schon mal übernehmen. Im Prinzip haben sich also drei Gleichgesinnte getroffen, Schwierigkeiten macht nur noch die Terminabstimmung. Denn da ist ja noch die Skatrunde aus Neumünster, die endlich mal zur warmen Jahreszeit Polen bereisen möchte, und der ich auch angehöre. Also muß die Polenreise der Moldawientour vorgeschaltet werden. Das ergibt dann folgende Reiseroute, jedenfalls auf dem Papier:
Start am Donnerstag, 20.August 2004, Horst und ich mit dem Kadett, die drei andern Skatspieler -Berthold,Peter und Toni (Toni 2))einen Tag später per Bahn von Neumünster Süd nach Kedzierzyn-Kozle in Oberschlesien. Dort wollen wir Krystof, unseren polnischen Begleiter treffen, der die Skatrunde mit seinem VW-"Bulik" kutschieren soll.
Annaberg, Tschenstochau, Krakau, Auschwitz,Wielicka und Krynica stehen auf dem polnischen Programm, zwei Resttage reichen dann noch, um in der Slowakei Kezmarok und Levoca (Leutschau) zu besuchen und bei gutem Wetter einen Ausflug auf die Hohe Tatra zu machen. Am Freitag, 27.8. wollen wir die Skatspieler zurückfahren lassen, denn Freitag Nachmittag sind Horst und ich in Telgart am Ostende der Niederen Tatra mit Toni verabredet. Am Sonnabend soll es dann in die Ukaine gehen, um einige Tage ostwärts durch die Karpaten bis nach Czernowitz zu radeln.
Im Anschluß daran wollen wir Toni die Moldauklöster zeigen und auf Radfahrten die rumänischen Karpaten erobern. Toni hat nur 14 Tage Zeit und wird uns etwa am 10.9. verlassen müssen. Horst und ich wollen dann noch weiter nach Südosten durch Moldawien bis nach Odessa. Die Krim wäre noch einmal 800 km weiter und per Dampfer nach Istanbul fahren könnten wir nur, wenn wir auch das Auto dorthin mitnehmen, das wird zu teuer, wenn wir es in Istanbul stehen lassen müßten, um von dort heimwärts zu fliegen. Also nehmen wir uns vor, auf dem Landweg von Odessa wieder zurückzufahren, wofür uns dann eigentlich nur 4 Tage zur Verfügung stehen. Als Rentner müssen wir nicht taggenau zurück sein, aber so um den 20.9. herum dürften unseren Frauen ungeduldig werden.
Am Tag vor der Abreise besuche ich die Eheleute Seelig in Tungendorf, die die Ukraine schon mehrfach bereist haben und bei denen ich einen Blick in eine kyrillisch beschriftete Straßenkarte tun darf. Dass die Entfernungen, die wir vor uns haben, gewaltig sind, weiß ich, aber dass man wegen der schlechten Straßen nur mit höchstens 40 km/h im Durchschnitt weiterkommen dürfte, hatte ich bisher nicht bedacht. Wird das nun eine Radtour oder eine Autoreise werden ? In der ersten Woche in Polen sind die Räder nur hinderliches Zusatzgepäck. Denn die Heckklappe des Autos können wir erst öffnen, wenn die Fahrräder abmontiert sind. Weiteres Gepäck füllt unser Auto bis oben hin: Eine Computerausrüstung, voluminös verpackt für Krystof als Belohnung für die überwältigende Gastfreundschaft und für seine Begleitung in seinem "Bulik".
Freitag, den 20.8.2004
Horst und ich wechseln uns beim Fahren ab. Unser Kadett läuft aber nicht wie gewohnt zwischen 130 und 140, sondern ist mit Vollgas nur mit Mühe auf 120 zu bringen. Das trübt meine Fahrfreude etwas, weil ich die Ursache nicht kenne. Ist es der Luftwiderstand der Räder hinten ? Ist das Auto überladen.?
Gott sei Dank haben wir keine Gelegenheit, auch unseren Bremsweg mal testen zu müssen, Horst fährt defensiv und hält immer gebührenden Abstand zum Vormann. Hinter der polnischen Grenze braucht uns unsere Höchstgeschwindigkeit nicht mehr zu interessieren. Straßenzustand oder Geschwindigkeitsbeschränkung oder beides reduzieren uns auf Normaltempo. Immerhin schaffen wir fast 800 km bis Liegnitz, dann geht nichts mehr. Die Straße nach Breslau ist wegen eines Unfalls gesperrt, vor dem Dunkelwerden suchen wir uns schnell noch das Hotel "Tramp", ein frisch gestrichenes Haus mitten in verfallenden Altstadtstraßen. Von meiner Geburtsstadt Liegnitz finde ich nicht viel vor, an das ich mich noch erinnern könnte. Sogar die Orientierung fällt mir schwer, die Schule (Ritterakademie) an der mein Vater früher unterrichtet hatte, finde ich im Zentrum nicht. Gabeljürge heißt ein Brunnen am Ring, der das Wahrzeichen der Stadt bilden soll, den finden wir und ich meine mich zu erinnern, dass ich dort mal mit meinen Eltern vor über 60 Jahren war.
Sonnabend, 21.August 2004
Die Haynauer Straße haben wir gefunden, Grund genug, sie einmal etwas stadtauswärts zu fahren, um mein Geburtshaus in der Hellwigstr. Nr. 8 zu suchen. Da dämmert bei mir einige Erinnerung, wir fahren kurz vorbei, gehen aber nicht hinein und verlassen Liegnitz auf der Landstraße Richtung Breslau. Unterwegs machen wir einen Abstecher an die Oder zum Kloster Leubus, eine riesige Abtei, die zur Nazizeit als Kriegsgefangenenlager diente und in die bis heute noch keine Mönche wieder eingezogen sind. Dennoch wird daran restauriert, aber es droht ein Wettlauf mit dem Verfall zu werden. Ich meine mich an die Kastanienallee zu erinnern, auf der ich 1944 dort zur Hochzeit meiner Tante Blumen gestreut hatte.
Der Weg führt uns mitten durch Breslau, eine Gelegenheit, wenigstens noch einen Rundgang zu machen und die Aula der Universität zu besuchen. Die Militärkirche, in der man den aktuellen Stand der Ablaßtarife lesen kann, ist leider geschlossen. Wir erwerben noch einen Blumenstrauß für Krystofs Frau Theresa, dann dränge ich zum Aufbruch. Schließlich will ich bei Krystof noch den Computer anschließen und vorführen, bevor unsere Skatrunde um 19.30 Uhr mit dem Zug aus Stettin eintrifft. Tatsächlich schaffe ich es, nicht nur unser Auto zu entladen, sondern Krystof auf Bildschirm und Drucker zu zeigen, dass sein PC prima läuft. Nur hat er Mühe, mit ihm auf deutsch zu kommunizieren. Doch er weiß Abhilfe, ruft den Sohn seines früheren Chefs an, der ist nach wenigen Minuten da und verspricht, MS OFFICE auf polnisch zu installieren und das Betriebssystem neu auf Polnisch zu laden. Krystof ist außer sich vor Freude, aber nun wird er auch lernen müssen, vor dem PC stillzusitzen und damit umzugehen.
Pünktlich holen wir die Skatrunde am Zug ab. Toni Krüger macht einen etwas angeschlagenen Eindruck und wir erfahren, dass ausgerechnet er - der kleinste von allen- sich auf dem Bahnhof Stettin an einem tiefhängenden Schild den Kopf blutig geschlagen hatte. Bertholds große Pläne, im Hotel noch am Abend in die Sauna zu gehen, werden wegen Zeitmangels gestrichen, man fällt sehr früh in die Koje. Auch Theresa bereitet rechtzeitig die Nachtlager für Horst und mich aus, der Kampf gegen die Hausmücken kann beginnen, trotz Autan und vorheriger Staubsaugerabsaugung der Zimmerdecke sind mehrere Viecher erfolgreich.
Aufbruch: | 20.08.2004 |
Dauer: | 5 Wochen |
Heimkehr: | 20.09.2004 |
Slowakei
Ukraine
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Moldau