Indien in der Regenzeit
Kochin, der 10. September
Seit dreieinhalb Wochen bereise ich nun den Sueden Indiens. Das Umherziehen von Ort zu Ort ist macht viel Spass, ist aber auch anstrengend. Zur Zeit befinde ich mich in Kochin/Ernakulam und reise Morgen Abend mit Christina nach Bangalore.
Einen Tag spaeter beginnt das Workcamp und wir werden dann mit elf anderen Personen ca. 5000km drei Wochen lang die suedindischen Staaten Tamil Nadu, Kerala, Karanataka und Goa bereisen.
Wie man sich denken kann ist es ein grosser Unterschied, ob man alleine oder zu mehreren reist und folglich macht ist der Reiseverlauf anders. Es hat viele positive Aspekte zu zweit zu reisen, z.B., dass man sich ueber soeben erlebtes gleich austauschen kann. Andererseits werden die moeglichen Reiseerfahrungen durch die Persoenlichkeit des anderen begrenzt und es entsteht zudem die Tendenz, sich eher an dem eigenen kulturellen Hintergrund zu orientieren als sich auf die indische Kultur einzulassen und verstehen zu lernen. Schlimmstenfalls entseht das Gefuehl in den Abgrund des Touristen zu stuerzen, aus dem es schwer ist zu entkommem - wie eine zaehe Masse umschliessen die Lockrufe der Touristenfixierten, - gewoehnten und vom Toursimus abhaengigen Menschen aus den Hotels, Restaurants und Kleinkunstlaeden den Gefallenen Reisenden und blenden mit vermeintlich billigen Angeboten von Dienstleistungen und Waren. Bei aller touristenfreundlichen Infrastruktur scheint mir der Blick auf die wirklich schoenen Dinge dieses Landes zu entgleiten. Die Bequemlichkeit des so vertraueten ist sehr verfuehrerisch. Das Sich-Einlassen auf eine fremde Kultur dagegen sehr muessig, es belastet koerper und Geist. Es beginnt einheimischen Nahrung, die besonders in der Magengegend Irritationen hervorrufen kann, wie auch damit, dass man sich daran gewoehnen muss, dass in dieser Kultur keine Fruehstuecksmahlzeit vorgesehen ist. Der Reisefuehrer Lonely Planet spricht in diesem Zusammenhang vom "Breakfast-Blues". Umstellung bedeutet hier auch sich koerperlich und kulturell mit ungewohnt schlechten, ja zum Teil bedenklichen, Hygienzustaenden abzufinden und wahrhaftig tolerant zu sein, andernfalls vergeht einem der Spass am indienreisen. Die subtilen Unterschiede der kulturen werden in kultureller Inkompetenz deutlich, besonders in der Kommunikation, bzw. in Missverstaendnissen.
Seit mehreren Tagen habe ich viel zu wenig geschlafen und haenge in einem Touristenort fest. Es ein wenig wie Stagnation. Fast frustrieren mich schon die AntiHighlights meiner Erlebnisse, die auf eigenartige Weise doch so erholsam erscheinen, wie das Continental Breakfast oder um 02:00 am auf HBO Spiderman I sich im Fernsehen anzuschauen oder der taeglich Cafe im hippen Kashiartcafe(.com), welches nebenbeigesagt eines der besten und atmospherischsten Cafes ist, in dem ich verkehrte.
Aber dem Anpassungsfaehigen soll all dies kein Kopfzerbrechen verursachen. Mit dem Essen, welches ich mag - und ich habe schon zwei Menschen kennengelernt die kein indisches Essen moegen(!) - verinnerliche die Kultur ,durch Anpassung und Nachahmung lerne ich den tieferen Sinn von Handlungen und Gespraechen zu verstehen und letztlich bekommt man nicht nur eine Vorstellung davon wie diese Kultur beschaffen ist, sondern im Kontrast natuerlich auch ueber die Eigenarten der eigenen Kultur.
"Immer noch Kochin. Freitag, den 10.September
Der Tag beginnt mit einer Muedigkeit, die sich den ganzen Tag uber anhaelt. Am fruehen Tage schien zwar die Sonne, doch der Morgen in einem grauen Schleier verwoben, ein Wetter, welches sich nach einer traeumerischen Bootsfahrt durch die paradisischen Backwaters, sich in einen vollkommenden Monsunschauer vollends enfaltete. In den von Kokusnusspalmen und Kokusnussalkohlpalmen und Betelnusspalmen, Farnen, Seerosen und anderen exotischen Gewaechsen umgebenen Kanaelen, glitten wir auf einem Boot ueber das Wasser; lautlos von Bambusstaeben fortgeschoben. Wenn man Glueck hatte man leuchtend blauen Kingfisher Vogel sehen, der seinen orangen Unterleib dem Licht entgegenstreckte.
Nach der Fahrt hat der Regen alles verwandelt. Das Fischerdorf ist in silbriges Licht getaucht und kuehler Wind erinnert an Herbst. (...)"
Aufbruch: | 17.08.2004 |
Dauer: | 8 Wochen |
Heimkehr: | 13.10.2004 |