Venezuela individuell April/Mai 2007

Reisezeit: April / Mai 2007  |  von Jens-Torsten Bohlke

Ausflug in die Anden nach Jají

Leider ist es damit nichts geworden, da es in Strömen regnete. Dafür gab es dann im Hotel interessante Abendnachrichten. Die Polizei- und Sicherheitskräfte haben im Bundesstaat Miranda (bei Caracas) Barrikaden und eine Produktionsstätte der Kinderpornographie entdeckt und dort ein massgebliches Mitglied einer kriminellen und konterrevolutionären bewaffneten Bande festgenommen, während drei weitere Mitglieder der Bande namentlich nun bekannt sind und öffentlich gesucht werden, darunter ein Kolumbianer. Auch wurden Pläne entdeckt, wonach sich im Lande eine faschistische Terrororganisation namens "Comando de Resistencia Nacional" ("Kommando des Nationalen Widerstandes") aufbaut. In den Nachrichten des Regierungskanals warnten die Sicherheitskräfte die Mitglieder dieser Banden und riefen zugleich die Öffentlichkeit zur Wachsamkeit auf wegen geplanten Terroranschlägen, Explosionen und Destabilisierungsaktionen bis hin zu Ermordungen von Aktivisten der Bolivarianischen Revolution. Koste es, was es wolle, die Angriffe der Oligarchie, des "Imperiums" und des Imperialismus würden mit aller Härte abgewehrt werden. So die Reaktion der Regierungssprecher.

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Tag 16 ... Ausflug nach Jají

Früh um 8.10 Uhrbin ich am Terminal in Mérida, wo die Fern- und Regionalbusse abfahren. Ich schaue nach, wann die Busse nach Barinas abfahren. Aha, ich muss um 7 Uhr am Montag hier sein, wenn ich am Montag abreisen will und in Barinas in den Llanos auf dem Wege nach Caracas einen Zwischenstopp einzulegen gedenke. Dort gibt es auch eine Banco de Venezuela, gut zu wissen! Dann müsste ich binnen 4 Stunden lt. Lonely Planet Reiseführer Venezuela in Barinas eintreffen, also bis 11 Uhr dort sein. Ich hätte einen halben Tag für diese Stadt und könnte dann sehen. Von Barinas müsste ich via Valencia auf dem Wege nach Caracas auch noch kurz an die Küste bei Puerto Cabello im Bundesstaat Carabobo kommen können... . Östlich von Puerto Cabello soll es auch Strände geben, dorthin müsste ich mich mal durchbeissen ... Patanemo, eine halbe Stunde entfernt von Puerto Cabello und gut erreichbar mit Taxen ist der empfohlenste! Ob das mit der Busverbindung was wird?

Um 8.25 Uhr habe ich auf dem vergleichsweise kleinen Terminal von Mérida einen Kleinbus nach Jají entdeckt, der Fahrer ist nirgendwo zu sehen. Es sitzt auch niemand drin. Also gehe ich frühstücken, - eine Fleisch-Empanada mit Milchkaffee und Coca Cola für 5.000 Bolivares. Dann sehe ich mir noch einige Geschäfte an und stelle mit Bewunderung fest, dass es eine Western Union - Agentur auf diesem Terminal gibt. Man kann sich hierher also auch rasch mal eben Geld senden lassen, wenn jemand mal in dringendsten allergrössten Nöten wäre... !!!

Um 8.45 Uhr teilt mir der Fahrer mit, dass er um 9 Uhr abfahren wird. Ich gehe nochmals in die Bäckerei, wo ich sehr freundlich bedient werde und noch ein zweites Frühstück einnehme. Um 8.55 Uhr sitze ich im Kleinbus auf einem Sitz an den Fenstern rechts, was zum Fotografieren nicht die beste Wahl ist, wie sich noch herausstellte später. Denn das Tal lag immer linksseitig auf der Strecke von Mérida nach Jují. Die 40 km kosten 1.750 Bolivares. Wir fahren rechts an Mérida längsseitig vorbei immer höher in die Anden hinein, sehr bald frische Waldluft geniessend. Ab und zu eine Alm mit Rindern oder Pferden oder aber etliche Posadas und Restaurants, Autowerkstätten und sonstige kleine und mittlere Betriebe. Ich ärgere mich, da es rechts steil bergauf geht, wenn ich aus dem Fenster schaue. Mir fällt auf, dass hier doch so etliche Parolen der Regierung von Hugo Chávez beschädigt oder übermalt sind. Mérida scheint weitaus bürgerlicher als weite Teile von Caracas zu sein. Der Fahrer ist so freundlich und legt an den 5 Wasserfällen Chorrera de las González einen Zwischenstopp für mich ein, damit ich kurz aussteigen und filmen kann dort. Wenigstens eine Attraktion auf der rechten Seite, wo ich mich hingesetzt hatte... .

Wir kommen an in Jují binnen 40 Minuten, am Kirchplatz dieses kleinen Dorfes voller Souvernirgeschäfte steige ich aus und beginne mit dem Filmen des Platzes und der Ausblicke auf die Anden, gestört vom höllischen Baulärm der Maschinen dort. Es wird wohl gerade der Dorfplatz verschönert, jedenfalls wird dort jede Menge Erde aufgerissen. Mit Hugo Chávez haben es die konservativen ländlichen Kleinbürger nicht so sonderlich, ein Souvenirladen bedient mich in meinem TShirt (Pro-Chávez Kommunist) gar nicht erst ... "er ist ein Chávez, dem verkaufe ich nichts", so die krächzende Stimme eines Weibes im Hintergrund des Gebäudes. Das trifft mich nicht sonderlich, ich kaufe 3 ca. 30 cm lange Puppen für 12.000 Bolivares pro Stück bei einem Händler, dann 3 Touristen-Landkarten vom Bundesstaat Mérida für 5.000 Bolivares pro Stück. Für den Kinderponcho wollen sie hier 40.000 Bolivares, ich winke ab. TShirts kaufte ich in Caracas für 15.000 Bolivares, mehr als 25.000 Bolivares würde ich also für einen Poncho für mich nicht ausgeben ... hier ging es um einen leichten Kinderponcho. Für 15.000 Bolivares kaufe ich eine schöne Film-DVD mit Motiven (Fotos) aus den Anden im Bundesstaat Mérida und folkloristischer Musik dazu.

Leider gibt es nur sehr alte und nicht sonderlich schöne Ansichtspostkarten hir für Touristen... .

So, alles erledigt. Gerade steigt der letzte Zusteiger draussen in den regulären grossen Bus nach Mérida ein. Grosse Busfenster, super! Pare, Halt, brülle ich los und springe noch auf den abfahrenden Bus auf. Diesmal sitze ich rechts und filme munter drauflos. Leider verstellen Häuser im Bau, Bäume/Büsche sowie Posadas und Gehöfte immer wieder den Blick in die herrliche andine Hochgebirgslandschaft. Weit oben sehe ich Condore kreisen und kann sie in dem ruckelnden Bus fast nie mit der Handycam einfangen. Einen super Blick nach unten gibt es zuweilen auf die Stadt Mérida. Als wir die Stadtgrenze 8 Minuten überquert haben und uns dem Terminal nähern, bleiben wir in einem Stau stecken, denn vor uns ist ein Unfall passiert. Ich filme ein Auto mit zertrümmerten Fensterscheiben, welches gerade abgeschleppt wird von der Feuerwehr, die uns umleitet.

Gegenüber vom Terminal stehen gepflegte rote Wohnblöcke. In diesen Residencias wohnt die Mittelschicht von Mérida. Direkt hinter dem Bushaltestellenhäuschen findet sich eine frische Reklame "RCTV ist die Stimme des Volkes". Dies meinen sicherlich nur die Leute, die da mehrheitlich betucht in jenen Residencias wohnen, sich also eine bessere Eigentumswohnung leisten konnten. Für 600 Bolivares nehme ich den Kleinbus in das Zentrum Zone F von Mérida und steige direkt an einem Internetcafé aus, wie praktisch. Dort sitze ich über 90 Minuten bis 14 Uhr und erhalte endlich eine Mail von meinen Freunden aus Mérida, die in Táchira waren und jetzt schon wieder auf dem Wege nach Caracas zu ihren Familien sind ... immerhin bekomme ich Namen und Rufnummern von Genossen in Mérida. Ich rufe sie sogleich an und wir vereinbaren um 16 Uhr ein Treffen im "Café Doros" an der Plaza de Bolivar. Dort stelle ich dann fest, dass wohl alle Mitglieder der KP Venezuelas derzeit völlig überlastet mit administrativen Funktionen in irgendwelchen Verwaltungen sind. Ich treffe 3 von ihnen in einer endenden kurzen Arbeitsberatung. Ein vierter Genosse wird angerufen und will von mir morgen um 9 Uhr zurückgerufen werden, um sich dann mit mir zu verabreden ... er ist gerade heute völlig ausgebucht bis tief in die Nacht. Ein Passant im roten TShirt gibt mir einen Handzettel "FORO SOCIALISTA - Hacia la conformación del PSUV Partido Socialista Unido de Venezuela - Ponentes: Dip. (AN) Luis Tascón, Dip. (AN) Iris Varela - Fecha: Sábado 12-05-07 - Hora 4:00 pm - Lugar: C.C. Tulio Febres Cordero - Sala Spinetti Dini - Mérida - Edo. Mérida". Dies wäre doch mal einen Live-Mitschnitt auf meiner Handycam-Festplatte wert morgen nachmittag... .

Das ganze Treffen mit den Genossen von der KP Venezuelas dauert nur 15 Minuten und wird immer wieder von Anrufen bei ihnen unterbrochen. Leute, denke ich, halst euch bloss nicht zuviel auf hier! Multifunktionär sein ist auf Dauer nicht gut! Lieber eine Sache richtig gut machen und nicht in 5 Sachen festbeissen und sich im Stress aufreiben ohne Ende!

Ich gehe einkaufen und finde ein schönes Hemd für 27.000 Bolivares. So habe ich auch was für mich, ausser den roten TShirts. An der Banco de Venezuela hebe ich 250.000 Bolivares ab. Auf dem gemächlichen Weg zurück in das Hotel LA PEQUENA VENECIA kaufe ich ein Kilo Mangos für überzogene 3.000 Bolivares, normal kosten sie sicherlich nur 2.000 Bolivares. Egal, ich lasse sie mir im Hotel schmecken, während ich meine Filmaufnahmen der letzten Tage auf 3 DVDs brenne. Jede DVD dauert ca. 40 Minuten. Anschliessend tippe ich diesen Bericht hier ein und gehe duschen und erfreue mich dann an den Filmaufnahmen, denn auch jene weit oben bis in die Wolken fliegenden Condore konnte ich einfangen mit der Handycam. Gut N8!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Dieser Reisebericht enthaelt meine ersten Erfahrungen mit Venezuela, wohin ich gereist bin, um mich insbesondere ueber die politische Entwicklung unter Hugo Chavez kundig zu machen und natuerlich dieses Land ausgiebigst kennenzulernen.
Details:
Aufbruch: 26.04.2007
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 20.05.2007
Reiseziele: Venezuela
Der Autor
 
Jens-Torsten Bohlke berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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