Ukume goes Hawaii

Reisezeit: August - Oktober 2008  |  von Gün Güley

Oahu - Eine hedonistische Reise

Nun schreibe ich endlich wieder. Eine Woche habe ich hier verbracht, in Oahu, der Hauptinsel Hawai'is. Hier befindet sich die Hauptstadt, Honolulu, und der berühmte "Waikiki Beach". Wer hier einsame Strände, palmengesäumte Pfade und gewaltige Berglandschaften mit Wasserfällen zu sehen hofft, wird all das bekommen. Wer sich wünscht, von der Eile der Zivilisation zu fliehen, sich von Autos und Fastfood- Ketten, von weiß- roten Menschen mit Basecaps und Kameras zu entfernen, wird hier enttäuscht werden. Oahu ist die sozial aktivste Insel, die am dichtesten bebaute, und besiedelte Insel unter den Hawaiianischen Erdfleckchen.

Honolulu, die Hauptstadt, und insbesondere der Stadtteil Waikiki sind zwar im Vergleich zu europäischen, amerikanischen und asiatischen Metropolen winzig, aber dafür äußerst groß, was die Dimensionen der Hochhäuser, Vergnügungs- und Einkaufsmöglichkeiten und Strände betrifft. In Honolulu kann man gut essen und trinken, man trifft jede Menge Menschen, die von überall zu kommen scheinen, und viele von ihnen sind nicht nur hier, um ein paar Muscheln zu sammeln, und wieder in ihr Heimatland zurück zu kehren. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Diese Stadt ist nämlich trotz, oder vielleicht sogar gerade weil sie westlich geprägt, so gemütlich und komfortabel ist, und dabei umgeben von tropischen Wäldern und ländlicher Einfachheit, die vielleicht einzige Metropole, die es uns erlaubt, sowohl verwöhnter Mensch, als auch naturverliebtes Tier zu sein. Denn ausserhalb Honolulus wartet die Weite; es wartet die Nordküste, mit einsamen Stränden, an denen sich vereinzelt Surfer jeder Art tummeln, um die eine, die große Welle reiten zu können. Die Wellen sind hier im Winter so hoch wie das vierte Stockwerk eines Hochhauses, und im Sommer messen sie an der Südküste noch ihre drei, vier Meter, wenn der Gott des Windes es ihnen erlaubt.

Hier habe ich meinem ersten Mitbewohner, Raphael aus Polen, beim Kitesurfen zugeschaut. Ich war noch zu klein für die Verhältnisse, saß am Strand und habe mich in mein Handtuch eingehüllt; der Wind blies stark an jenem Tag. Raphael flog über eine Stunde zufrieden durch die Gegend, um sich dann mit einem anderen Kitesurfer zu verheddern, und die Kontrolle zu verlieren. Plötzlich schienen beide vom Wasser verschluckt, und einige andere Surfer eilten zum Unfallort, raus ins Meer, um die Jungs an Land zu ziehen. Niemandem ist etwas passiert...nur das Kitesegel von Raphael war zerbrochen...800 Dollar in den Wind gepustet, so ist das anscheinend manchmal. Raphael, der am Abend wieder zurück nach San Francisco fliegen musste, und ich fuhren dann weiter, nach Kailua Beach, an die Ostküste der Insel. Zwei Stunden dauerte die Fahrt, die wir für ein kleines mexikanisches Essen und ebenso mexikanischem Bier unterbrechen mussten. Raphael ist ein Immigrant, der als irgendwas arbeitet, was er nicht so recht definieren wollte, und auch über sein Privatleben erzählte er nicht viel; als ich ein Erinnerungsfoto schießen wollte, sagte er: "Keine Fotos". Von dem Moment an war mir erst ein bißchen mulmig zumute, wer weiß, was der so treibt, wenn er in San Francisco ist, dachte ich, aber ich hatte, was mich betrifft, nichts zu befürchten, er war sehr nett; wenn auch...zurückhaltend, was seine Identität und Vergangenheit betraf

Am nächsten Tag machte ich mich auf zu meinen ersten Couchsurfing Gastgebern, zu einer Horde sehr netter und sehr religiöser Mormonen, wie sich später herausstellte. Sie, 5 Jungs, besuchen fast alle die University of Hawaii, die sich in Manoa befindet, nicht weit von einem Flecken Wald, zu dem ich später noch kommen werde. Mein direkter Gastgeber, mit dem ich alles ausgemacht hatte, befand sich leider in Philadelphia, aber seine Mitbewohner nahmen mich trotzdem gerne auf, und begleiteten mich die nächsten 6 Tage durch meine Reise auf Oahu. Wie sah das Leben also aus in einer streng christlichen Lebensgemeinschaft aus 5 Jungs und einer atheistischen Türkin, fragt ihr euch? Bereichernd. Obgleich die Jungs weder Alkohol trinken, noch rauchen, noch auf Parties gehen oder sich Filme mit Gewalt anschauen dürfen, und sie auch in anderen Bereichen des Lebens trotz fortgeschrittenen Alters enthaltsam leben, war es keinesfalls langweilig für eine Person wie mich, die ein Fläschchen Bier oder ein Glas Wein sehr gern mit einer oder mehreren Zigaretten genießt, um anschließend noch ein paar flacksige Bemerkungen über das zuweilen kalte, aber zweifelnde Wesen eines Philosophen zu machen, oder politisch zweifelhafte Witze über Religionen und ihre Anhänger. Von dreckigen Bemerkungen jenseits der Krawattengrenze kaum zu reden. Ich musste mich beherrschen. Mir wurde klar, was es heißt, wirklich tolerant und offen zu sein, kein Witz. Ich ließ mir von ihnen den mormonischen Glauben erklären, einer schenkte mir sogar seine Bibel. Es fielen manchmal Worte wie Satan, und Vergeltung, so ernst gemeint, wie ich sie noch nie aus jungen Mündern wie diesen gehört hatte- und doch lernte ich, dies alles mit anderen Ohren zu hören, als ich es vielleicht in Hamburg gekonnt hätte. Keiner von ihnen hat während der gesamten Zeit versucht, mich von ihrem Glauben zu überzeugen, meine Gedanken wurden respektiert, auch wenn manchmal mit leicht sarkastischem Unterton als typisch rational quittiert. Und wenn auch ich mich manchmal nicht beherrschen konnte, und Fragen stellte, deren Antworten, und dass wussten wir alle, nicht ohne Verweise auf dogmatische Sätze beantwortet, und somit von mir nur als nicht- so- richtig- beantwortet gelten konnten, war doch der seidene Faden des gegenseitigen Verständnisses und Respekts erstaunlich stabil; wir schauten alle über Tellerränder, ich brachte ein wenig frischen Wind in das sehr konservative Gemäuer, sie verhalfen mir zu der Einsicht, das Toleranz und Einfühlungsvermögen bezüglich völlig unterschiedlicher Lebensweisen ein Miteinander, und nicht ein an- einander- vorbei sein müssen.

Brad, der introvertierte Sarkast, der sich gerne als Losertyp ohne Freunde und Karriere sah, und ganz doll versuchte, ein typischer Fastfood- Amerikaner zu sein, der jeden Meter mit dem Auto fährt, kam im Laufe der zeit immer mehr aus sich hinaus. Ich konnte ihn dazu überreden, mich zu den Manoa Falls zu begleiten, einem Wasserfall inmitten eines tropischen Waldes in Oahu. Er tat ein paar mal so, als müsse er nach Luft schnappen, und fragte 100 Mal, wann wir endlich ankommen, aber war ganz tapfer, und im Endeffekt doch nur ein Fan von Klischees, wie sich später herausstellte Also doch, abgesehen von den RIESEN- Lebensmittelvorratspackungen, die er für seine täglichen Pancake- und Sandwich- Orgien verbrauchte, ein sehr vielschichtiger, lustiger und netter Typ, der mich in seinem Heim willkommen hieß, als sei es total selbstverständich. Es tut mir leid, dass ich so viel schreibe, aber die Situationen verbildlichen sich alle vor meinen Augen, während ich sie Revue passieren lasse, und ich erlebe sie noch einmal. Das Schreiben dieser Worte dient auch mir dazu, zu verstehen, was ich erlebe. Also weiter.

Jeden Morgen ging ich mit Dustin, meinem anderen Mitbewohner, surfen. Er weckte mich um 5.50, und bald befanden wir uns im Wasser, und ich wagte meine ersten Versuche. Es ist ein wahnsinniges Gefühl, die Welle zu spüren, wie sie sich zuerst von hinten anschleicht, und einen plötzlich hochtreibt und trägt, wenn man schnell genug gepaddelt ist, und am richtigen Ort zur richtigen Zeit den Sprung auf die Füße gewagt hat. Dann steht man plötzlich, balanciert sich auf die beste Stelle auf dem Brett, und gleitet in Richtung Küste - ein Gefühl, das seinesgleichen sucht, oder wie heißt es doch so schön: "Nur fliegen ist schöner". Die Kraft der Wellen, schön und unberechenbar zugleich, macht einem in diesem Moment klar, dass man so viel Ego haben kann, wie man will, so viel Mensch sein, und sich so ernst nehmen, wie man möchte; all das ist doch ganz gleich, man ist eins mit der Natur, und doch ist sie stärker; nichts, was in unserem Alltag zählt, ist hier von Bedeutung. Völlig gleich wie viel Kohle ich habe, wie besonders mein Haarschnitt ist oder mein Schulabschluss, hier muss ich der Welle und dem Wind zuhören, und meinen Muskeln die richtigen Befehle geben, meinen Instinkten gehorchen und mich doch treiben lassen, irgendwie. Es macht süchtig. Ich habe keinen Morgen darüber nachgedacht, im Bett zu bleiben, auch wenn ich erst ein paar Stunden geschlafen hatte.Und wenn es einmal hieß, dass wir verschlafen hatten, und die guten Wellen weg, sowie die vielen Touristen da waren, war ich ganz traurig, dass ich nicht surfen konnte!!

Später am Tag, nach einem guten Eierfrühstück, machte ich mich meistens alleine auf, um mit dem Bus neue kleine Orte zu entdecken. Ich fuhr nach Chinatown, wo sich tatsächlich fast nur Asiaten tummeln, und überall sind Tonnen von Lebensmitteln, Obst- und Gemüsestände, abgehakte Schweineköpfe und viele, viele andere Fleisch- und Fischsorten, die zum Verkauf angeboten werden. Ich fuhr quer durch Honolulu nach Alamoana, wo sich das entsprechend benannte Alamoana Shopping Center befindet, mit UNGLAUBLICH vielen Möglichkeiten, seine wertvollen Euros in viele Dollar einzutauschen und sich T- Shirts für jeweils 3 Dollar zu kaufen, die wahrscheinlich bei Kik- "dem Kleiderdiskont" noch nicht einmal so günstig zu ergattern sind. Also ja - ich war dann auch mal ein bißchen einkaufen...*ähem*

Gestern Nachmittag fuhr ich dann mit Dustin zu einer Poolparty, auf der dann endlich mal getrunken wurde (also nicht, dass ich das vermisst hätte...), und es gab Steaks vom Grill, gute Musik und einige Tauchwettrennen, wie auch einen Moment, in dem sich plötzlich die Gartenstühle im Pool befanden, und einige wiederum andere auf diesen Gartenstühlen durch den Pool trugen, um die beste Zeit abzuschneiden (das war anstrengend). Wir lachten viel, und aßen und tranken...es waren ein paar Amerikaner dort, die meisten hatten sich auf Hawaii ein neues Leben geschaffen; der jüngste dort war um die 20, und die älteste um die 60, sie war übrigens ganz besonders süß. Wie ihr Nachnahme, denn sie stammt von deutschen Vorfahren ab, und ihr Nachnahme lautete Süß. Ich erzählte ihr von Patrick Süßkind, von dem sie noch nie gehört hatte, und sie war ganz begeistert und sagte, sie würde noch lieber Süßkind als Süß heissen, und man könne sich doch umbennenen! Dabei lachte und strahlte sie immer so viel, dass ich bis heute nicht weiß, ob sie es im Scherz sagte, oder es gar ernst meinte. Ein Deutscher, Michael, der ein Auslandssemester auf Hawaii macht, war auch da, und ein paar andere Reisende, keiner von ihnen schien einen festen Wohnsitz zu haben, obgleich einige von ihnen tatsächlich schon lange auf dieser Insel hängen geblieben waren. Es war eine sehr schöne Erfahrung, und machte mich hungrig auf mehr Couchsurfing; denn man wird wirklich sehr warm empfangen, und alle sind sie interessiert, mehr über die Welt zu erfahren, und sich aus zu tauschen. Gegen Mitternacht fuhren Dustin und ich dann Heim, und bald kroch ich in mein Hochbett im Wohnzimmer, um die Erfahrungen des Tages zu verarbeiten, und recht schnell und friedlich, wie immer, seitdem ich auf Hawaii bin, ein zu schlafen...

Heute ging es dann wieder raus aufs Meer, ein letztes Mal am Strand von Waikiki surfen, bevor es dann morgen nach Maui geht, der zweiten Insel auf meiner Reise. Meine Couchsurfing- Gastgeber haben sich zwar noch nicht gemeldet, aber mein Ticket für die Fähre um 6.30 morgens ist gebucht. Mal schauen, ob ich vielleicht am Strand schlafen muss, oder doch ein Hotelzimmer nehme, falls ich nichts von ihnen höre. Jetzt werden wir alle thailändisch kochen, ich habe viel eingekauft in Chinatown, und der letzte Abend, bevor ich nach Maui, und von da aus nach Kauai aufbreche, muss noch ein wenig gefeiert werden.

Ich habe euch jetzt sicherlich ein bißchen erschlagen, wenn ja, dann tut es mir leid... aber so viele Eindrücke, und kleine Geschichten gab es, und ein paar musste ich euch erzählen! Bis zum nächsten Mal, und vielen Dank für eure Einträge ins Gästebuch... ich habe echt das Gefühl, dass ihr ein bißchen dabei seid, auf meiner Reise!

Mahalo & Aloha,

Eure Gün

Manoa Falls...der Wasserfall war klein, weil kein Regen fiel. Beeindruckend war's trotzdem, alles so groß und grün...

Manoa Falls...der Wasserfall war klein, weil kein Regen fiel. Beeindruckend war's trotzdem, alles so groß und grün...

Das Longboard ist doppelt so groß wie ich...

Das Longboard ist doppelt so groß wie ich...

Dustin und ich kurz vorm Surfen

Dustin und ich kurz vorm Surfen

Kailua Beach... so weit das Auge reicht, nur Ozean, und Strand, und Palmen.

Kailua Beach... so weit das Auge reicht, nur Ozean, und Strand, und Palmen.

Auf dem Weg nnach Kailua Bay...die Wolken hängen so tief, man glaubt fast, man könne sie berühren...

Auf dem Weg nnach Kailua Bay...die Wolken hängen so tief, man glaubt fast, man könne sie berühren...

In einem Markt in China Town

In einem Markt in China Town

Waikiki Beach kurz vor Sonnenuntergang

Waikiki Beach kurz vor Sonnenuntergang

Waikiki's Skyline bei Nacht

Waikiki's Skyline bei Nacht

Ein Gruppe Einheimischer tanzen Hula am Strand, echt jetzt. Wunderschöne Art, sich zu bewegen und Geschichten zu erzählen.

Ein Gruppe Einheimischer tanzen Hula am Strand, echt jetzt. Wunderschöne Art, sich zu bewegen und Geschichten zu erzählen.

Ein armes Schwein in China Town.

Ein armes Schwein in China Town.

© Gün Güley, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
"Weit hinaus in die Einsamkeit des gewaltigen Pazifik, und weit hinab bis an den Rand der Tropen, dort schlummern sie auf den Wellen, immerwährend grün und schön, fern von der Arbeitswelt und ihren Mühen und Sorgen, ein blühendes, duftendes Paradies. Dort liegen sie, die göttlichen Inseln... ewig scheinend in der Sonne, ewig lächelnd im glitzernden Meer." --Mark Twain 1840
Details:
Aufbruch: 23.08.2008
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 05.10.2008
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Gün Güley berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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