Peloponnes 2005

Reisezeit: Juli / August 2005  |  von Achim Baehrend

7. Etappe: Stoupa - Monemvasia

Highlight der Etappe: YOU GO TO SLEEP, NOW!!!


Gäbe es eine Fähre, hätten wir zu unserem nächsten Ziel - Stoupa - nur übersetzen müssen. Quer über die Bucht von Kalamata sind es keine 30 Kilometer - weniger als 17 Seemeilen - also eine wirklich kurze Etappe.
Leider gibt es diese Fähre aber nicht. Wenn man sich die Landkarte anschaut, versteht man auch warum. An der Westseite des mittleren Peloponnes - Fingers gibt es keine größeren Orte.
Also ab auf die Landstraße, Richtung Petalidi. Vorbei an unendlichen Orangenplantagen und dem Flugplatz von Messini, dann durch Kalamata und hoch in die Berge, durch Kambos und Kardamili, nach Stoupa zum Camping Delfinia.

Der Platz lag etwa 1,5 km nördlich von Stoupa, auf einem Plateau über dem Meer, vor einer grandiosen Bergkulisse. Rundherum war nix und der Platz nicht wirklich voll, noch nicht einmal gut besucht! Das ließ für die Nacht nur eines erwarten: R U H E !!!
Die "Rezeption" war in einem kleinen Haus am Rande untergebracht und wirkte nahezu wie ein etwas zu voll gestopftes Heimatmuseum. Überall, also nicht nur an den Wänden, Bilder, Büsten, Zeitschriften, Zettel, Reliquien, dies und das, und mitten drin, an einem völlig überladenen Schreibtisch, ein unendlich herzlicher, älterer Mann, der die Formalitäten erledigte. All das wirkte von Anfang an sehr familiär.
Einen Stellplatz konnten wir uns (wie fast immer) aussuchen. Wir installierten uns neben einer österreichischen Familie, die wir noch näher kennen lernen sollten.
Es gab einen kleinen Supermarkt (sehr einfach), Duschen (sehr einfach) und einen Strand (einfach und klein), der über einen Fußweg, in wenigen Minuten den Abhang hinunter, zu erreichen war. Dort war dann ein Kieselstrand und es gab viele Steine im glasklaren Wasser. Ab Mittag bis in den Abend hinein (Weststrand!) schien die Sonne und man war fast allein am Wasser. Schön!
Die Tage verbrachten wir am Strand, oder in der Hängematte, unternahmen Besichtigungen und Ausflüge.
Vom Ort Stoupa selber ist kaum ein bleibender Eindruck erhalten. Ich erinnere mich nur an eine kleine Ortschaft mit vielen Ferienhäusern, einer netten Strandpromenade und der berühmten Büste von Nikos Kazantzakis, der in Stoupa lebte und dort einen großen Teil seines Romans Alexis Sorbas geschrieben hat. Der Film mit Anthony Quinn war übrigens 10 Jahre lang mein absoluter Lieblingsfilm und auch heute sehe ich ihn immer wieder gern.

Der Strand von Stoupa ist uns noch gut in Erinnerung. Die Bilder zeigen eine Küste mit kleinen Buchten, vielen, riesigen Steinen und glasklarem Wasser. Es wurde nur langsam tiefer und war auch deshalb ein Paradies für die Kinder (und die Eltern!).
Eine nahe gelegene Strandbar hatte ein paar Liegestühle aufgestellt, sich aber sonst nicht weiter gekümmert. Also war hier Selbstbedienung angesagt. Es war ziemlich leer, wie fast überall auf unserer Reise und im völligen Gegensatz zu unseren anderen Strandurlauben, etwa in Südfrankreich, auf Sardinien oder Korsika.
Besagte Strandbar versorgte uns mit Cafe, Cola und etwas Aufregung.
Bei einer Cafe/Cola-Pause war das Personal in heller Panik, denn in den mit großen Fenstern ausgestatteten Gastraum hatte sich ein kleiner Vogel verirrt und fand nun nicht mehr hinaus. Er versuchte es immer wieder durch die geschlossenen Fenster (die ließen sich nicht öffnen) und nicht durch die geöffnete Tür. Kam der Vogel (etwa so groß wie ein Spatz) in die Nähe eines Kellners, zog er (der Kellner!) verschreckt den Kopf ein und flüchtete, der Vogel übrigens auch.
Da wir auf der Terasse nicht bedient wurden - alle hatten ja was anderes zu tun - gingen wir hinein und sahen eine Weile etwas belustigt zu. Als dann auch wir anfingen die Köpfe einzuziehen wurde unserer mittleren Tochter die Sache zu bunt. Beherzt ging sie unter den bewundernden Blicken der Anwesenden zu einem der großen Fenster, griff hinter die dort stehende Couch und kam mit einer kleinen Handvoll Vogel wieder nach oben. Beifall brandete auf, Luftschlangen und Konfetti flogen durch die Luft, eine Kapelle spielte einen Siegesmarsch: Der Vogel war gerettet. Unsere Mittlere brachte ihn an die frische griechische Luft und er flog, ohne ein Wort des Dankes, in den blauen griechischen Nachmittagshimmel, wahrscheinlich sehr erleichtert. So wie es auch die Kellner der Strandbar waren. Es wurde viel geredet, gedankt und bewundert und die Cola ging auf Kosten des Hauses!

Auf dem Campingplatz hatten wir uns in der Zwischenzeit mit der Nachbarfamilie angefreundet. Etwa unser Alter (im Durchschnitt!), mit Kindern unterwegs und ziemlich sportverrückt. Vater und Mutter liebten das Extremradfahren. So wie wir in der größten Mittagshitze immer irgendwo unterwegs waren, so setzten sie sich auf ihre Räder und fuhren die Berge rauf und wieder runter.
An einem der ersten Abende war es dann so weit, dass man bis "spät" in den Abend (23:00 oder 24:00 Uhr ) hinein in der lauen griechischen Sommernacht zusammen saß und miteinander redete. Zimmerlautstärke, hätte ich gesagt. Aber in der schon beschriebene Stille und Einsamkeit dieses Platzes (außer uns war wirklich niemand mehr zu hören oder zu sehen) muss das wohl etwas zuviel gewesen sein, denn kurz nach Mitternacht kam der oben vorgestellte, väterliche Platzwart zu uns und meinte nur kurz und knapp "YOU GO TO SLEEP, NOW!!". Nun bin ich ja auch schon ein paar Jährchen älter und es durchaus nicht mehr gewohnt, abends ins Bett geschickt zu werden. Aber den Worten unseres "Platzvaters" konnte man sich einfach nicht widersetzen. Wir gingen dann alle ins Bett (jede Familie in ihres!) und schliefen, wie befohlen.
In den darauf folgenden Nächten hielten wir uns an die Anordnung und gingen etwas früher und leiser ins Bett. Darum hatte unser Platzvater uns auch alle wieder lieb und wir hatten eine schöne Zeit in Stoupa.

Angeregt durch die Fahrradausflüge der Zeltnachbarn unternahmen auch wir einen Ausflug in die Berge. Wie schon erwähnt suchten wir dazu gern unbefestigte Straßen, eben Schrotterwege. Die Landkarte, der Blick in die Berge und die Berichte der Nachbarn machten uns klar, daß wir eigentlich nur gerade aus und dann hoch fahren mussten. Das taten wir auch! Im Gepäck ein Sonnenschirm, die Picknickdecke und viele leckere Sachen.
Die Anfahrt führte über Neohori und Pirgos (nein, nicht das von oben!) Richtung Kariovouni. Von dort ging eine Straße Richtung Südost und endete in der Ortschaft Milia.

Ich bezweifle, dass wir wirklich bis Milia kamen. Denn unterwegs gab es so viele verlockende Straßen und so wenige Hinweisschilder, und irgendwie war uns nicht das Ziel, sondern der Weg wichtig, so dass wir nur noch nach Lust und Laune und innerem Kompass fuhren.
Wir hielten irgendwo in den Bergen, in wunderbar klarer Luft an, machten ein Picknick und eine ausgedehnte Siesta, während der die Kinder Heuschrecken, Gottesanbeterinnen und viele Pflanzen suchten und fanden und die Eltern etwas Entspannung unterm Sonnenschirm (!).
Kein Mensch war in unserer Nähe, weit und breit kein Auto und kein Quadratzentimeter Asphalt: Dafür hat man schließlich einen Landrover. Gut, den großen Schwimmreifen auf dem Dach benötigten wir in den Bergen nicht unbedingt, aber er lag nun einmal auf dem Dachträger und dann sollte er da auch bleiben. Und optisch gab dieser, ursprünglich als Schlauch in einem Treckerreifen arbeitende, Schwimmreifen doch einiges her, nicht wahr?
Am Nachmittag ging dann dieser Ausflug so langsam seinem Ende entgegen. Die Orientierung für die Rückfahrt war einfach: Immer irgendwie bergab! Das Meer in Sichtweite und den Landrover unter dem Hintern konnte da nichts schief gehen, egal wie der Weg auch aussah.
Wohlbehalten kamen alle auf dem Campingplatz an, gingen noch einmal ins Meer und dann, nach einem leisen Abendbrot, zeitig ins Bett, immer an die Worte denkend "YOU GO TO SLEEP, NOW!" Gute Nacht.

Ein letzter Ausflug führte uns zur Katafyngi Höhle. Von der hatten wir bereits früher gehört und zwar nur Gutes. Eine große Höhle sollte es sein, direkt am Meer und touristisch nicht erschlossen! Also keine Führungen, kein Kassenhäuschen, keine Wärter! Da wollten wir hin!
Keine 20 Minuten Fahrt, und die Höhle war erreicht. Unsere Zeltnachbarn hatten uns erzählt, dass es unmittelbar unterhalb des Eingangs eine wunderbare Stoupa Hoehle Badegelegenheit gab, also hatten wir mal lieber alles Notwendige dabei: Bergeweise Handtücher, Schwimmhilfen (ja, auch die Weste!), Liegeunterlagen, Surfbretter und Flossen, und, und, und, nur zu Essen hatten wir quasi nichts. Nur ein paar Kekse! Grober Fehler!

Von der Straße aus ist der Eingang der Höhle zwar nicht zu sehen, aber trotzdem leicht zu finden. Das Auto stand am Straßenrand, die Handtücher lagen am Wasser (Strand kan man nicht sagen, es gab hier nur Felsplatten zum Liegen und keinen Schatten) und wir waren mit Taschenlampen und Sweat-Shirts ausgerüstet fertig zur Besichtigung.
Die ersten Schwierigkeiten ergaben sich gleich beim Einstieg in die Höhle. Der Eingang lag hoch und davor ziemlich viel Dreck, also Müll und andere, nicht wirklich gut riechende, menschliche Hinterlassenschaften. Also: Luft anhalten, "Augen zu" und durch.
In der Höhle war es dann aber sehr spannend (nicht nur für die Kinder)! Wie gesagt: Nicht bewirtschaftet bedeutet eben nicht bewirtschaftet. Es gab keine Stufen, es lagen viele Steine herum, Licht kam nur von der eigenen Taschenlampe und von der Decke hingen ebenfalls Steine herunter, an denen man sich wunderbar den Kopf stoßen konnte.
Den ersten Schritt in die Höhle wagte die Mutter der Familie! Dann folgten andere (nicht alle!) und waren sofort umgeben von schwarzer, feuchter Stickigkeit. Man gewöhnte sich aber schnell an diese "dicke Luft" und war gefangen von der Enge und der Gewissheit, ganz allein auf sich gestellt zu sein.
Die Kinder hatten einen Riesenspaß, mit den Taschenlampen rumzufunzeln und immer tiefer in den Berg einzudringen.
Je weiter man ging, umso ruhiger wurden alle und die eigenen Schritte waren bald das einzige Geräusch. Na ja, fast jedenfalls. Dann war da noch dieses andere Geräusch, das nicht von den eigenen Schritten kam, aber auch nicht zu überhören war!?!? Hinter uns gähnende, schwarze Leere, vor uns gähnende, schwarze Leere, wir standen still und doch hörten wir dumpfes Rumoren.
Einige Mitglieder der Familie bemerkten nun, daß sie eigentlich sowieso nicht in die Höhle wollten, es für eine blöde Idee hielten und überhaupt und sowieso viel lieber am Strand wären. Wozu sei man eigentlich am Mittelmeer?
Andere Mitglieder der Familie planten im Kopf schon den geordneten Rückzug, als zu den Geräuschen nun auch noch Lichterscheinungen kamen. Augenblicklich wollten fast alle auf Papas Arm, Papa auch!
Die Lösung dieses "Rätsels" ist, vom Schreibtisch aus betrachtet, so einfach wie naheliegend und unspektakulär. Andere "Höhlenforscher" kamen uns aus der Tiefe des Raums entgegen! Sie waren lange vor uns hinein gegangen und kamen nun zurück.
Große Erleichterung machte sich bei allen breit! Wir redeten kurz mit den Zurückkommenden und ließen uns den weiteren Verlauf beschreiben. Sie sagten, dass sie ca. 1 Stunde weiter gegangen wären, an einigen Abzweigungen vorbei gekommen sind, aber nichts weiter Spektakuläres gesehen hätten. Also beschloß die Familie, den Trip nun zu beenden und gemeinsam mit den anderen die Höhle zu verlassen. Das dauerte eine ganze Weile und die Spannung blieb bis zum Schluß bestehen.
Am Ausgang hieß es dann noch einmal "Augen zu und durch", Sweat-Shirts und Taschenlampen aus und ab ins Wasser. Toller Ausflug!!

So weit zu Stoupa und Umgebung. Auf jeden Fall hat der Aufenthalt sich gelohnt. Es waren schöne Tage, ruhige Nächte (YOU GO ...) und spannende Erlebnisse.
Langsam richtete sich der Blick nach vorn. Wie geht es weiter? Ein Blick in den Reiseführer klärt auf:

"Durch einen 1 km breiten Kanal ist Elafonisos vom Peloponnes getrennt. (...) Der im Süden gelegene Simos Beach zählt zu den schönsten des Peloponnes. (...) Die meisten Gäste kommen wegen der traumhaften Strände. Bei Campern ist die weite Simos Beach besonders beliebt. Die Dünenlandschaft mit dem feinen Sand ist eine ökologische Oase. Kein Hotelbau stört das Naturparadies. (...) Der Weg (zum Camping!) ist ausgeschildert. Der Platz liegt hinter den Dünen von Simos Beach. (...) Der Besitzer selbst lebt nicht auf Elafonisos, sondern kehrt Abend für Abend aufs Festland zurück." (H.P.Siebenhaar)

In unseren Ohren klang das vielversprechend! Badeurlaub ist unser Ding, schöne Strände suchen wir, also auf!
Die Fahrt zur Fähre führte uns nicht direkt ans Ende der Welt, aber nahe dran war es schon! Githion, Skala, Papadianika und Neapoli hießen die Landmarken auf unserem Weg zum östlichen Finger des Peloponnes. Im letzten Ort vor der Überfahrt (wie hieß der denn noch?) kauften wir Lebensmittel ein und dann gings zur Anlegestelle.

Die Überfahrt ist ein Klacks, nur sehr windig war es. Dass außer uns fast niemand auf der Fähre war, machte uns nicht stutzig. Im Gegenteil, wir freuten uns auf Ruhe, auf Abgeschiedenheit und einen schönen, nicht zu vollen Campingplatz, auf dem wir in Ruhe unser Zelt aufstellen konnten.

Schließlich war es schon spät am Nachmittag, den Tag hatten wir auf der Landstraße verbracht, wir waren hungrig und hatten eine Dusche nötig.
Eine kurze Überfahrt, eine kurze Anfahrt auf der menschenleeren Straße zum Campingplatz, und dann der Schock: wir waren am "BALLERMANN", vielleicht auch irgendwo in Holland, wenn an einem langen Wochenende die Hälfte der jugendlichen Deutschen mit ihren "GOLFS" zum Feiern anreist.
Es war tatsächlich nicht ein einziger Stellplatz mehr frei, selbst die Zugänge zu den Duschen waren mit Zelten voll. Und von "schönen" Stellplätzen kann überhaupt nicht die Rede sein. Kein Baum, kaum ein Strauch, fast nichts Grünes, dafür grauer Schotter und Parkplatzmarkierungen für die Stellplätze.
Ein Rundgang ließ bei uns den Eindruck aufkommen, irgendwo auf einem Aldi - Parkplatz zu stehen, nur mit Zelten statt mit Autos. Es war voll und laut!!
In der Rezeption saßen mehrere, höchst unmotiviert wirkende, junge Damen und interessierten sich nicht die Bohne für uns und unser Anliegen. So ein Verhalten haben wir auf der gesamten Tour nicht mehr erlebt. Einzig unserer Beharrlichkeit haben wir es zu verdanken, das die Damen sich doch noch zu einer Auskunft herabließen. Sie sagten uns, wenn wir unbedingt wollten, könnten wir auf der gegenüberliegenden Seite der Straße unser Zelt aufschlagen und Duschen usw. benutzen.
Da es mittlerweile doch schon früher Abend war, und wir die Nacht nicht im Auto verbringen wollten, sahen wir "auf der anderen Straßenseite" nach. Umgeben von einer Steinmauer gab es da aber nichts anderes als einen Acker. Das sollte unser Zeltplatz werden? Ach ja: Geld wollten die Damen dafür auch noch haben, und nicht zu knapp!
Ein Blick in die Karte, ein Blick auf die Uhr, drei Blicke auf (drei) Kinder und der Entschluß stand fest. Schnell wieder weg! Die haben uns nicht verdient!
Ein kurzer Weg zur Fähre, ein neues Ticket und verwunderte Blicke der Schiffsbesatzung brachten uns wieder auf den Peloponnes.
Laut Karte war der nächste, erreichbare Platz Richtung Monemvasia, bei Nomia. Nach unserer Berechnung würden wir dort erst gegen Abend ankommen und dem dort Angebotenen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein, denn einen dritten Platz konnten wir an diesem Tag nicht mehr erreichen. Ob das wohl gut geht?

© Achim Baehrend, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Familienurlaub mit Zelt und Land Rover! 5 Wochen Zeit, davon vier Wochen Rundreise auf dem Peloponnes.
Details:
Aufbruch: Juli 2005
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 2005
Reiseziele: Italien
Griechenland
Der Autor
 
Achim Baehrend berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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