Ägypten - Jordanien
Assuan
1.09
Erst am nächsten Morgen sehe ich, wie toll der Blick vom Balkon aus dem vierten Stock wirklich ist. Rechts der Nil und die Stadt, links der Nil und gleich nach einem ganz schmalen Grünstreifen steigt ein Sandhügel steil in die Wüste an.
Nach dem Frühstück fahre ich mit der kleinen Fähre hinüber in die Stadt. Sie ist hoteleigen und unentgeltlich. Die Fährer haben einen ruhigen Job. Immer wenn ein paar Gäste kommen zum anderen Ufer fahren. Sicher sind sie vom Hotel nicht ganz schlecht bezahlt und bekommen noch dazu hin und wieder Trinkgeld.
Assuan ist viel schöner als Cairo. Sauberer und ruhiger. Die Stadt hat ein echt afrikanisches Flair, was vielleicht daher kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung schwarz ist. Schließlich befindet sich Assuan sehr nahe am nördlichen Wendekreis. Nicht zu Unrecht hat es den Beinamen "Tor zu Afrika".
Bunte Fähnchen wehen im warmen Wüstenwind über dem Bazar. Nur einige Einheimische sind unterwegs, Touristen sieht man kaum. Es ist noch zu heiß, die Hauptreisewelle beginnt erst im Herbst, wenn hier die Temperaturen erträglicher werden und in Deutschland der Winter beginnt. Bunte Waren aller Art warten in den Läden darauf gekauft zu werden. Dunkle Männer mit Kaftanen und turbanähnlichen Kopfbedeckungen, Frauen mit langen Kleidern und Kopftüchern warten in ganzen Pulken vor einer Metzgerei bis sie an der Reihe sind. Heute beginnt Ramazan, der islamische Fastenmonat, in dem von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nicht gegessen und getrunken werden darf. Abends nach Iftar, dem traditionellen Fastenbrechen, besucht man sich gegenseitig und tafelt auf.
Faul sitzen Männer vor ihren Läden und warten auf Kundschaft oder halten ein Schwätzchen miteinander. Ein Esel steht mitten auf der Straße und rührt sich nicht vom Fleck. Die Rufe seines Besitzers kümmern ihn nicht. Erst als er kommt dreht sich der Esel um und läuft schnurstracks davon, aber der Schwarze mit dem wehenden grünen Kaftan holt locker in ein und zerrt in wütend mit sich.
Auf einer Anhöhe liegt die Tabiya-Moschee in einem kleinen grünen Gärtchen. Von hier hat man einen schönen Blick über die Häuser der Stadt, den Nil und die dahinter liegende Wüste.
Die Assuan-Händler sind in Ordnung, überhaupt nicht aufdringlich. Nur selten spricht mich einer an und fragt, woher ich komme. Dann sage ich Türkei oder so und die Händler verlieren das Interesse etwas zu verkaufen und es bleibt bei einem Gespräch.
Was macht man am besten bei 43 Grad im Schatten? Man verbringt einen faulen Nachmittag am Pool. Das Hotelpersonal ist freundlich und hilfsbereit, wie es bei fünf Sternen üblich ist.
Hinter den Masten der langsam vorbeisegelnden Feluken grüßen die Minarette der Stadt. Eine deutschsprachige Familie kommt. Der Vater predigt seinen beiden Söhnen eindringlist sich dick mit Sonnencreme einzuschmieren, dabei ist es doch schon halb fünf und die Sonne hat an Höhe und Kraft schon verloren.
Ich laufe am Nilufer entlang und alle fünfzig Meter lehnt lässig ein Typ am Geländer und fragt: "Feluka?" Kutscher machen sich einen Jux daraus ihre Pferde im Galopp durch die Straßen zu peitschen. Etwas abseits in einer Seitenstraße steht eine lebensgefährliche Straßenlaterne: Mit Isolierband zusammen gewickelte Drähte schauen aus einer Öffnung heraus. Es wird bald dunkel. Wegen Ramazan wurde bereits auf Winterzeit umgestellt, damit man am Abend nicht so lange warten muß.
Kurz nach sechs ertönt der langgezogene Ruf des Ezan. - Iftar. Die Straßen sind wie leergefegt. Keine Menschenseele. Die Läden sind offen, aber die Besitzer sind alle fort, als hätte die Bevölkerung wie nach einer Evakuierung vor einer Naturkatastrophe alles liegen und stehen gelassen. Irgendwo an einer anderen Stelle im Suq haben die Händler eine große Decke ausgebreitet und sich zum Essen niedergelassen. Nach zwanzig Minuten ist der Spuk vorbei und langsam kehrt wieder Leben in die Straßen zurück.
Das Restaurant im Mövenpick-Hotel bietet mehr an Essen. Hier gibt es typische ägyptische Vorspeisen zu kosten, wie Babaganoush, Auberginenpüree, oder Tahin, eine Sesampaste und andere köstliche Kleinigkeiten. Als Hauptspeise Kebap mit Reis und als Nachtisch frisches Obst. Den Rest des Abends kann man bei ARD und ZDF oder auf dem Balkon mit ein paar Dosen Bier gemütlich ausklingen lassen. Das Ägyptische Bier ist im Gegensatz zum Syrischen Bier schmackhaft und erfrischend. Es gibt zwei Sorten: Stella und Saqarra. Saqarra bietet sogar zehn prozentiges Starkbier an.
2.09
Ich gehe wieder in die Stadt, Assuan hat noch so einiges zu bieten. Zufällig führt mein Weg am Nubischen Museum vorbei. Eigentlich bin kein Museumsgänger, aber die Hitze lässt eine kleine Abkühlung gerade recht kommen. Hier gibt es typisch ägyptische Malereien zu sehen, Ausstellungen über die Entwicklung der Menschheit am Nil, Mumien und Szenen aus Nubischen Dörfern mit lebensgroßen Puppen.
An der Anlegestelle der Hotelfähre treffe ich eine hübsche "Hellblaubraunblumenmusterkopftüchlerin", so nenne ich sie, weil sie ein hellblaues Kopftuch mit braunen Blumenmustern trägt und ich ihren Namen gleich wieder vergesse. Sie arbeitet im Hotel im Managementbereich und kann Englisch, Französisch und Italienisch. Mit solchen Kenntnissen kann man in einem Hotel schon eine bessere Anstellung bekommen. Sie meint, wenn ich etwas bräuchte, soll ich an der Rezeption anrufen und nach ihr fragen. Ich erkundige mich bei ihr, wie man am besten nach Abu Simbel kommt. Reisebüros in der Stadt organisieren Fahrten, aber die starten meistens schon in der Früh um drei, dass man zum Fotografieren das Morgenlicht ausnutzen kann und bei der Gluthitze zur Mittagszeit wieder im kühlen, klimatisierten Bus sitzt.
Nach einem entspannten Nachmittag am Pool geh ich wieder in die Stadt. In der Nähe des Bahnhofs frage ich einen Polizisten, ob es für Touristen möglich ist, mit normalen Bussen nach Abu Simbel zu fahren. "No problem." antwortet er. Im Reiseführer steht nämlich, dass es für Touristen nur begrenzte Möglichkeiten gibt, in den Einheimischenbussen mitzufahren, da man es in Ägypten aus Sicherheitsgründen nicht gerne sieht, wenn sich Ausländer alleine und "schutzlos" im Land bewegen, so wie ich es schon die ganze Zeit tue. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass die Regierung nicht möchte, dass die Touristen die misslichen Umstände für die Bevölkerung mitbekommen.
3.09
Eigentlich wäre heute die Weiterreise nach Luxor vorgesehen gewesen, aber Assuan hat mir zu gut gefallen und noch immer habe ich nur wenig gesehen. Ich entscheide erst morgen zu abzufahren, um den heutigen Tag für Abu Simbel zu nutzen. Laut Lonley Planet soll um 8 ein Bus fahren. Die kleine Fähre ist gerade nicht da und die freundliche Besatzung eines anderen Bootes, was zufällig gerade irgendwelche Waren ans Hotel geliefert hat, nimmt mich mit. Ganz untypisch für Ägypter wollen sie ums Verrecken nicht einen Piaster Bakshish annehmen.
Tatsächlich soll um 8 ein Bus fahren, aber der Fahrer wartet noch, bis sein Toyota Hiace voll besetzt ist, und so wird es halb neun. Wir verlassen die Stadt und überqueren den Assuan-Staudamm. Mit dem letzten Grün, was wir auf unserer Fahrt sehen, verabschiedet sich hier die Zivilisation. Knapp 300 Kilometer Wüste. Nichts als Sand und bizarre Felsformationen. Den nördlichen Wendekreis haben wir längst hinter uns gelassen und aus dem Lautsprecher tönen Koranrezitationen, ein Gefühl, wie im tiefsten Arabien. Ab und zu hält der Kleinbus an, und einer der vermummten Fahrgäste steigt aus und geht in der vormittäglichen Gluthitze der Ostsahara ein paar unscheinbaren Spuren im Sand nach, die irgendwo ins Nichts, in ein kleines verlassenes Oasendorf führen mögen. Immer wieder scheint Sand in den Senken der Straße zu liegen, der beim Näherkommen flüssig wird, verschwimmt und sich dann plötzlich ins Nichts auflöst. Links flirrt die heiße Luft über dem Sand, als wäre da ein großer See, aber der Nassersee ist zu weit weg. Zwei mal müssen wir einen Checkpoint passieren, an denen die Polizei die Ausweise kontrolliert, aber die Beamten haben keine Probleme damit, dass ein Ausländer mit an Bord ist.
Gegen Mittag erreichen wir Abu Simbel, ein kleiner Ort am Nasser-Stausee, 40 Kilometer nördlich der sudanesischen Grenze. Niemand würde eine vierstündige Fahrt durch die Wüste auf sich nehmen, um hier her zu kommen, wenn da nicht der Ramsestempel wäre. Sonst hat das Kaff außer ein paar Fünfsterne-Hotels und einem Flughafen nichts zu bieten.
Durch Zufall entdeckte ein Schweizer Forscher 1813 die gigantische Tempelanlage. Nur der Kopf einer Statue schaute aus dem Sand heraus. 1274 - 1244 v.Chr. wurde sie erbaut und den Göttern Ra, Amun, Ptah und selbstverständlich dem amtierenden Pharao Ramses II geweiht.
Fast dreißig Meter messen die kolossalen Statuen. Tag für Tag trotzen sie der afrikanischen Wüstensonne der Ostsahara und blicken auf den Nasserstausee herab, als würden sie darüber wachen, dass keine Piraten über den Tempel herfallen. Wegen der Flutung des Nassersees mussten sie, um nichts zu zerstören, ganz ganz vorsichtig an die jetzige Stelle versetzt werden.
Im Inneren ist das Fotografieren verboten, aber der Wachmann erlaubt mir, vom Eingang aus hinein zu fotografieren. Sicherlich erwartet er ein Bakshish, aber ich lasse diesmal mein Geld in der Tasche, denn man weiß nie, wie unverschämt er werden kann.
10 Ramsesstatuen stehen in der großen Halle für die Besucher Spalier. Alte Wandmalerein zeigen siegreiche Kriegsszenen des ägyptischen Heeres. In der innersten Halle, dem Heiligtum, sitzen die vier Götter Ra-Harachete, Ramses ll, Amun , Ptah und warten auf den Sonnenaufgang. Der Tempel wurde so gebaut, dass jeweils am 22. Februar und am 22.Oktober die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne in den Tempel fallen.
Der zweite Tempel, der Hathortempel, ist kleiner und ist Ramses' Gattin Nefertari gewidmet. Sechs Statuen wachen vor seinem Eingang. Auch hier werden die Wände von allerlei bunten Darstellungen der Götter geziert. Sie zeigen Nefertari vor der kuhohrigen Liebesgöttin Hathor und wie sie ihren Gatten Ramses verehrt. Selbstverständlich darf eine weiteres Abbild des mutigen, siegreichen Ramses nicht fehlen.
Es ist Mittagszeit und ich habe die ganze Tempelanlage für mich alleine. Keine Touristen, die vor den Fotomotiven herumstehen. Erst als ich den Tempel verlasse rollt der nächste Reisebus an. Vor der Anlage befindet sich ein kleiner Touristenbazar, doch die Händler sitzen nur faul vor ihren kleinen Läden und zeigen keinerlei Interesse etwas zu verkaufen. Erst wenn die Reisegruppe von der Besichtigung zurück kommt, werden sie erwachen und sich um jeden Kunden reißen.
Die Bewohner der kleinen nubischen Wüstensiedlung am Nassersee gehen geschäftig ihren Erledigungen nach. Esel dienen häufig noch als Transportmittel , Jungen schieben eifrig alte Handkarren mit Obst oder anderen Waren durch die staubigen Straßen. Dunkelhäutige Bewohner in langen, wehenden Gewändern schleppen mühsam ihre Einkäufe nach Hause. Gerne würde ich wissen, wie viele daheim tagsüber heimlich trinken. Vielleicht halten sie in der Öffentlichkeit Ramazan, aber zu Hause? Es ist fast unvorstellbar, bei der Hitze den ganzen Tag nichts zu trinken, das kann gar nicht gesund sein.
Der Kleinbus füllt sich langsam. Wieder sind ausschließlich Einheimische an Bord. Ein älterer, stattlicher Herr, der in seiner abgeschnittenen Jeans und dem orangenen Streifenshirt eher wie ein Italiener oder Spanier wirkt, sammelt das Fahrgeld ein. Auch die Rückfahrt durch die Wüste ist unvergleichlich schön, auch wenn sie sich zum Schluß hin ein wenig zieht. Kurz hinterm Assuan-Staudamm müssen wir einen Checkpoint passieren. Ein Polizist steigt ein und will unsere Ausweise sehen. Mein deutscher Ausweis macht ihn stutzig und er scheint nicht so recht zu wissen, was er jetzt tun soll. "German?" fragt er und macht ein verdutztes Gesicht. Fremde scheinen als Alleinreisende nur sehr selten oder nie vorbei zu kommen. Dann verschwindet er kurz mit dem Dokument in einer schäbigen Baracke, kommt zurück und lässt uns weiter fahren. Der Busbegleiter mit der abgeschnittenen Jeans sagt: "Never do something like that, you can get really problems." Ganz so einfach ist es nicht in Ägypten sich alleine zu bewegen, aber auch nicht ganz unmöglich.
Assuan
Abu Simbel
Aufbruch: | 29.08.2008 |
Dauer: | 4 Wochen |
Heimkehr: | 22.09.2008 |
Jordanien