Viva El Perú glorioso
Altiplano
11.08.09
Ich stehe ganz schön früh auf, denn um 07.10 Uhr soll ich schon abgeholt werden, die Zeit reicht dennoch für ein paar Happen zum Frühstück und natürlich Coca-Tee, den ich ab heute für besonders wichtig halte, denn heute geht´s auf´s Altiplano und in dünne Luft auf bis zu 4.910 m Höhe. Ein bisschen Sorgen mache ich mir schon darüber, wie ich wohl mit der Höhe klarkommen werde, denn so hoch war ich noch nie in meinem Leben.
Jeder reagiert anders und selbst top-trainierte Leute mit super Kondition, die noch nie im Leben eine Zigarette geraucht haben, kann es genauso treffen, wie jemanden wie mich. Getreu meinem Motto "wer Angst davor hat, den trifft es auch", versuche ich, jegliche Gedanken an eventuelle Höhenkrankheit auszublenden. Nicht ganz einfach, denn während des Frühstücks belausche ich das Gespräch am Nachbartisch; eine Gruppe junger Amerikaner tauscht sich über deren Erfahrungen mit der Colca-Canyon-Tour, von der sie seit gestern zurück sind, aus: Da geht es um Schlaflosigkeit, Übelkeit, heftiges nächtliches Erbrechen, rasende Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Schwächeanfälle. Uuii, das hört sich gar nicht gut an ! Bloß nicht dran denken !
Erster Stopp des Tages, eine Tienda, ein simpler Laden. Jose´, unser Guide, empfiehlt, Coca-Blätter zu kaufen zum Kauen. Ansonsten gibt es auch Coca-Bonbons, Coca-Eis und Inka-Cola, schmeckt wie Red Bull, ist aber quietsche-gelb.
An diesem Aussichtspunkt lernen wir uns alle erstmal ein wenig besser kennen und klären, wer die englische und wer die spanische Version von Jose´s Erklärungen braucht. Bis auf eine italienische Familie, die mit spanisch besser klarkommt, brauchen alle englisch und ich als einzige Deutsche bekomme gelegentlich eine Extra-Wurst, weil José auch ganz gut deutsch kann und dies gelegentlich unter Beweis stellen will, wie es scheint.
Wir erreichen das Altiplano, eine sehr karge Landschaft, fast schon eine Mondlandschaft. Nach einer Weile tauchen allerdings die ersten hier lebenden Wesen auf: Vicunyas. Diese Art Lama kannte ich noch gar nicht und wir lernen, dass Peru alle 4 Varianten Lama hat: Die echten Lamas, Alpakas, eben Vicunyas und die mir aus Argentinien schon bekannten Guanacos. Lamas sind das "normale" Zeug, aus deren Wolle man alles macht, Alpakas haben dann schon viel feinere, edlere Wolle, die schon entsprechend weicher und teurer ist (besonders die der Baby-Alpakas) und Alpaka wird auch gern gegessen als Steak. Die Ferraris unter den Woll-Lieferanten sind dann die Vicunyas, vergleichbar mit Kaschmir, sie liefern quasi die Pashmina-Qualität und Produkte aus Vicunya-Wolle sind sehr, sehr teuer. Guanacos gibt es in diesem Teil Perus kaum, sie gehören eher nach Patagonien, leben aber auch vereinzelt in Peru.
Vicunyas - im Hintergrund verläuft die Bahnstrecke. Wir schnattern im Bus, steigen aus zum Fotografieren und haben jeden Gedanken an Höhe wirklich vergessen...
Wieder im Bus, fragt José uns, wie es uns eigentlich so geht ? Gut, antworten wir (wieso fragt der ?). Er informiert uns, dass wir uns jetzt schon seit einer ganzen Weile auf über 4000 m Höhe befinden und da ja offenbar niemand ein Problem damit hat, ginge es ab jetzt langsam auf nahezu 5000 m Höhe. Wow ! Ich horche mal in mich hinein, aber ich merke echt gar nichts. So direkt darauf aufmerksam gemacht, konstatiert Cathy (eine der Hongkong-Chinesinnen) jetzt doch leichte Kopfschmerzen (komisch, hat sie vor 20 Sekunden noch nicht gemerkt...) Aber ist ja gleich Pause für Coca-Tee.
Wir erreichen diese Formation, die ein petrified forest ist, also ein versteinerter Wald. Ganz in der Nähe befindet sich eine Raststelle, wo man eben Coca-Tee bekommt und viele schöne Souvenirs...
Hier habe ich die erste bunte Mütze gekauft und einen völlig genialen Lama-Wolle-Pullover für umgerechnet 10 EUR, den ich ab sofort irgendwie dauernd getragen habe.
Oh und Ah ! Wie süss, ein Lama zum Streicheln ! Da flippen wir völlig aus und knutschen das Lama, dem das Spucken vorher verboten (oder abgewöhnt) wurde, denn begeisterte Europäerinnen rücken nicht so gern Geld für Fotos raus, wenn sie vorher bespuckt worden sind...
Peruanische Kinder sind alles andere als doof, sie wissen, wie sie Europäer zum Quietschen kriegen können, was natürlich 1 Sol kostet, aber das sind 0,20 EUR und wer von uns kann die wohl besser gebrauchen ???
Lamas haben ein Kamelgesicht und Alpakas ein Schafsgesicht. Und wer hier jetzt irgendetwas falsches über mein Gesicht ins Gästebuch schreibt oder auch nur zu denken wagt, kriegt eins ins Gesicht !
Ich glaube, man kriegt den richtigen Eindruck: Wir haben einen Mörder-Spaß auf dieser Fahrt ! Über´s Atmen denkt man gar nicht nach, obwohl man definitiv merkt, dass die Luft dünn ist. Manchmal, nach einer winzigen Anstrengung gehe ich in Schnapp-Atmung über und atme ein paar mal tief durch den Mund ein. Rauchen ? Zigaretten ? Geht gar nicht ! Hat man überhaupt keine Lust drauf. Noch nicht eine Zigarette habe ich heute geraucht und das wird für den Rest des Tages auch so bleiben. Boah, bin ich stolz ! Und genau das ist es, was ich ausser Horror-Filme gucken und Kirchen besichtigen, eben sonst auch nie tue: NICHT-RAUCHEN ! Und das am Ende dieser 2-tägigen Tour für fast 48 Stunden nicht !
Wir betrachten aus der Ferne den Berg, wo man "Juanita" gefunden hat, quasi die südamerikanische Version von "Ötzi". Eine weibliche Kinder-Mumie, die wahrscheinlich als Menschenopfer geendet ist und hier gefunden wurde, nachdem ein Erdbeben sie freigelegt hat. Sie ist heute im Museum von Arequipa zu betrachten und eine Sensation. Die Umstände, unter denen man sie in einem gesponserten Kühlschrank im öffentlichen Bus nach Arequipa gebracht hat, sind wirklich sehr speziell...
8 Mrd. Touristen haben hier so kleine Steintürmchen aufgebaut, die Glück bringen sollen. Weiß der Teufel, wer damit mal - wahrscheinlich aus Langeweile - angefangen hat. Jetzt stehen hier unzählige solche Türmchen. Und dieser hier ist meiner - den habe ich schön gebaut, oder ? Ich fand ihn wenigstens genauso schräg, wie mich.
Angekommen am Hotel - der anderen. Dies ist nicht mein Hotel, ich kriege wieder Extra-Wurst, keine Ahnung, wieso. Ich frage nach, aber José - hier mit Lama - weiss es auch nicht. Ist eben einfach so gebucht.
Im Hotel "der anderen" kriegen wir aber alle erstmal lunch. Alpaka-Steak ist der Renner, aber auch die vielen Kartoffelvarianten und Salate und die hammerleckere Quinoa-Suppe. Sieht aus wie Graupen-Suppe aus dem 2. Weltkrieg, schmeckt aber absolut köstlich ! Anschliessend, wir sind ja schliesslich in Südamerika: SIESTA !!! In - natürlich: Hängematten !
Hängematte, Coca-Tee, ein paar 5-6-Tausender um einen herum, 20 Grad plus, blauer Himmel, strahlende Sonne, satt und zufrieden, sonst noch irgendetwas auszusetzen ??? Nö, nada...
Eines lerne ich heute: Ausflüge in Peru sind lang ! Es wird einem etwas geboten für´s Geld, so ca. 12 Stunden volles Programm ist völlig normal ! Also gehen wir jetzt am späten Nachmittag wandern. Die Sonne geht fast schon unter und José zeigt auf einen Berg (er nennt das "Hügel" - aber ich komme aus dem norddeutschen Flachland !) "Da laufen wir jetzt hoch und ich zeige euch einen Inka-Friedhof". Ich halte das für einen Scherz, echt ! Daaa hoch ??? Das meint der nicht ernst ! Wir biegen ab im Dorf in Richtung "Hügel", der meint das echt ernst ! Oh Gott ! Naja, mitgehangen, mitgefangen, ich trabe los. Peru - das habe ich schon mitgekriegt - ist ein absolutes Nichtraucherland, warum wohl ? Auf sowas, wie Raucherlungen nimmt man hier keine Rücksicht, braucht man auch nicht, es gibt zumindest keine einheimischen Exemplare davon. Und Touristen ? Naja, die haben das doch wohl gewollt und 1000 EUR dafür bezahlt, hier zu sein, oder ? Sì, haben sie, ich auch. Der Flug kostet allein soviel. Trotzdem: Da will ich nicht hoch !
No, gracias. Ich bleibe genau hier stehen und gehe keinen Schritt weiter ! Ihr könnt mich doch alle mal ! Heisse ich Reinhold Messner ? No !
Cathy lässt sich neben mir nieder, für sie ist das Klettern auch vorbei und wir unterhalten uns wunderbar über ihre Heimat Hongkong. Allerdings lässt sie mich auch ihre Höhenkrankheitserfahrung wissen, sie und ihre beiden Freunde waren sogar in ärztlicher Behandlung, so schlecht ging es ihnen. Sie meinte, der Hammer kommt erst in der Nacht nach dem Aufstieg. Uupsi !
José steigt sogar nochmal runter, um mich zu überreden, mitzukommen zu seinem Inka-Friedhof. No way, never ever ! Hoch ist sicherlich kein Problem, aber runter, das weiss ich ganz genau; und deswegen lasse ich es.
Wir zwei beiden amüsieren uns prächtig. Der Kleine hat schon bewiesen, dass er klettern kann, wie eine Bergziege, aber er kann auch posieren.
Allein, auf dem Weg zurück durch´s Dorf traf ich diese fantastischen Vier ! "Hola, Senora, Foto ?" "No, gracias !" "Hey, Lady, stop !" Das war unwiderstehlich ! Ich weiss auch nicht, wieso, aber dieses "hey, Lady, stop !" war so süss ! Diese niedlichen 4 kicherten so niedlich und amüsierten sich prächtig über ihren "coup", mich per simplem "stop" angehalten zu haben.
Und der Tag war immer noch nicht zu Ende. Ich war allerdings schon ganz schön alle. Jetzt noch die heissen Quellen von Chivay, klingt ja entspannend, aber ich musste ja noch in mein Hotel. Ich hatte keinen Bock mehr. Die meisten anderen auch nicht. So wurde ich abgeladen an meinem Hotel für die Nacht in Chivay, im Pozo Cielo, sah aus von aussen, wie ein Hühnerstall. Aber von innen ! Ein Traum ! Boah ! Ein offener Kamin und es dauerte keine 10 Sekunden, bis ich meinen Pisco Sour in Händen hielt. Der Lama-Pullover wärmte und ich genoss ein leckeres Abendessen. Ich bin echt im Wunderland !!!!!
Aufbruch: | 08.08.2009 |
Dauer: | 16 Tage |
Heimkehr: | 23.08.2009 |