Von Schlangenbeschwörern, Textilhändlern und unvergänglicher Liebe
JCI-Worldcongress
nach dem 01.11.2008
Eine Herausforderung in den kommenden Tagen wird es sein, die Fahrpreise bei den Autorikschas niedrig zu handeln. Der Fahrpreis zum Habitat-Center liegt mit Taxameter bei 17 Rupien, zum Ashok-Hotel, wo auch einige der Veranstaltungen stattfinden, bei 31 Rupien. Abhängig von der Tageszeit (Nachts: 100% Aufschlag), von meiner Kleidung (Krawatte 100%, Anzug 200% Aufpreis), vom Standort (Aufschlag vor dem Habitat-Center: 500%) zahle ich zwischen 17 und 150 Rupien (1 Euro=60 Rupien). Verlangt werden bis zu 3.000 - man kann es ja mal versuchen... Abends stecke ich Sakko und Krawatte in den Rucksack, gehe 200 Meter vom Habitat Center weg und zahle dann meine 70 bis 100 Rupien, während die anderen unter 300 nicht wegkommen. Manch einer zahlt auch einen Tausender. Kein Wunder, dass es für mich jeden Tag schwerer wird, für die Rueckfahrt einen vernünftigen Preis auszuhandeln. Dabei kommt es mir auf 20 Rupien hin oder her nicht an, andererseits steht es mir nicht an, die Preise in Delhi zu versauen.
Die Weltkonferenz der Wirtschaftsjunioren leidet darunter, dass die Veranstaltungsorte recht weit verstreut liegen, die Logistik Mängel aufweist und die bürokratischen Hürden sehr hoch sind. So muss ich z.B. meinen Essensgutschein für das Mittagessen bereits am Vortag gegen einen Voucher eintauschen, der nur für den Ort gültig ist, wo ich den Gutschein einlöse. Den Voucher erhalte ich auch nur dort, wo ich Essen will. Diese Regelung wird sich im Laufe der Tage aufweichen, weil nicht realisierbar.
Ein paar Highlights der Veranstaltung:
Zur Eröffnungs-Zeremonie muss man zwar zwei Stunden mit dem Bus fahren (unser Fahrer kannte den Weg nicht und musste öfter mal halten und fragen, wie er zur Expo 21 kommt) und im Saal ist es eiskalt, der Einzug der nationalen Vorstände aus über 120 Nationen ist aber schon interessant, vor allem aus der Area A, also aus Afrika, von denen die meisten in Landestracht auf die Bühne kommen. Empfang und Essen im grossen Hof entschädigen aber für alles. Klassisch indisches Ambiente, eine lauwarme Winternacht (wir sind in Indien!), gutes Essen, fröhliche Menschen. Während ich mit einigen anderen Gaesten Small Talk betreibe, kommt eine Gruppe Inder aus Kerala an unseren Bistrotisch, packt zwei Flaschen indischen Wisky aus und schenkt uns fleißig ein. Flüssige Völkerverständigung sozusagen. Heute bekomme ich meine ersten 20 Visitenkarten. Mittlerweile bin ich bei 110 angelangt, davon wohl ueber 80 von Indern.
Peter Handal, CEO von Dale Carnegie, hält einen Grundsatzvortrag, zahlreiche JCI-Vizepraesidenten werden gewählt, die Welt-Debattier-Championships gehen ebenso über die Buehne wie die Public Speaking Championships (erstere in der Tiefkühltruhe des Hotels). Wow, die Leute haben etwas drauf. Bei der nicht ganz so Ernst gemeinten Dabatte, der ich beigewohnt habe, sollten indische Vertreter dafür eintreten, dass der ganze indische Verkehr mit Elefanten abgewickelt werden soll und das britische Team darlegen, warum dies Unfug sei.
Abends finden immer von einem Land gesponserte Treffen statt. So am Mittwoch die Korea Night und die Bangla Desh Night. Das Problem: 3.500 Teilnehmer zählt die Konferenz, nur gut 1.000 kommen hier unter. Chaos pur. Unter Einsatz underes Lebens ergattern wir zu dritt 12 Flaschen Bier für die deutsche Delegation. An etwas zu Essen ist nicht zu denken. Wir kommen nicht mal in die Nähe des Buffets, zumindest nicht, solange es dort noch etwas zu essen gibt.
Deutlich mehr Platz ist am Donnerstag bei der Obama-Night, äh pardon, US-Night. Hier unterhalte ich mich mit einer Carolin. Bei einem genaueren Blick auf ihr Namensschild lese ich auch ihren Nachnamen, der immer ganz klein auf unseren Namensschildern vermerkt ist. Auf meine Frage, ob sie denn etwas mit einem Kulmbacher Adelsgeschlechts zu tun habe, stellt sich raus, dass es sich um die Tochter des Grafen handelt, die heute in NRW lebt. Und Erich zu meiner Rechten, der ein Ingenieurbüro im Oberbayerischen betreibt, kommt eigentlich aus Trebgast. Plötzlich benoetigen die Nordeutschen, die um uns herum stehen einen Dolmetscher...
Ansonsten ist Multikulti angesagt, Small Talk mit Tunesieren, Russen, Schweizern, Holländerinnen, Monegassinnen, Indern, Kanadiern, Mexikanerinnen...Rund 3.500 Teilnehmer aus der ganzen Welt zählte der JCI-Weltkongress.
Ein Besuch bei der Deutschen Botschaft steht ebenfalls auf dem Programm. Bei entspannter Atmosphäre stehen livrierte Ober bereit mit Wein und anderen Getränken sowie mit zahlreichen kleinen Leckereien. Lecker! Die deutschen Junioren haben außerdem noch einige internationale Gaeste eingeladen, meist Vorstände anderer Landesverbände, die Botschaft außerdem Mitglieder der deutschen Gemeinde in Delhi. So ergeben sich mit einem Vertreter von Fraport, die sich am Ausbau verschiedener Flughäfen im Land engagieren, und mit einem Vertreter von Nokia, die ein Center hochgezogen haben, um weltweit Angebote zu erstellen, hoch interessante Gespräche.
Hochinteressant auch der Besuch bei der deutsch-indischen Aussenhandelskammer. Ein Blick auf den Stadtplan zeigt mir, dass die AHK (Außenhandelskammer) keine fünf Gehminuten vom Hinterausgang des Ashok-Hotels entfernt ist, wo ich vorher eine Veranstaltung hatte. So ist es auch. Die letzten 40 Teilnehmer kommen eine halbe Stunde verspätet, weil sie mit dem Bus über eine Stunde vom Hotel zur AHK benoetigt haben. Erst Stau, dann hat der Fahrer die AHK nicht gefunden... Hier gibt es einen hochinformativen Vortrag des AHK-Hauptgeschaeftsführers und leckere Laugenbrezen. Nach drei Wochen indischen Essens sind die so richtig gut!
07.11.08: Von kleinen Mädchen und heiligen Kühen
Zum Abschluss noch eine Begebenheit zum Schmunzeln: In einer Pause lasse ich mich von einem Rikscha-Fahrer zu einem Markt fahren. Brauche ein paar CDs für Sicherheitskopien meiner Fotos. Nachdem er es nicht schafft, auf die andere Strassenseite zu kommen, lässt er mich auf der "falschen" Seite raus. Habe offenbar zu hart um den Preis verhandelt. Gut, irgendwie komme ich schon über die 12-spurige Strasse, zumal in der Mitte eine 20 cm breite Abgrenzung ist. Bis zu diesem Raumteiler komme ich noch irgendwie. Aber weiter komme ich ums Verrecken nicht. Bei Schuhgröße 46 können 20 cm verdammt klein sein...
Ploetzlich piepst eine Stimme neben mir "One Rupie, please. Sir, one Rupie please." Ich rufe mich zur Raeson: Hier ist nicht der richtige Zeitpunkt für Halluzinationen. Ploetzlich zupft etwas an meiner Hose. Doch keine Halluzinationen, steht doch tatsächlich ein 7 bis 8 Jahre altes Mädchen neben mir mit einem kleinen Geschwisterchen am Arm. Ein sehr geschaeftstüchtiges junges Mädchen. Es nimmt meine Hand, zieht mich auf die Strasse, nutzt die dort stehende heilige Kuh als Prellbock und bringt mich "alten" Mann sicher auf die andere Strassenseite. Die hat sich ihre Rupien verdient!
Nicht zuletzt aufgrund dieser Begebenheit bin ich recht optimistisch, wie es mit Indien weitergeht, trotz einer praktisch handlungsunfähigen Regierung, dem Gegensatz verschiedener Religionen, den Hemmnissen des Kastenwesens, dem allgegenwärtigen Schmutz, der unglaublichen Umweltbelastungen, der hohen Analphabetenquote und der allgegenwärtigen Armut. Die Inder sind ideenreich, wie sie Geld verdienen können und sind auch bereit, sich hochzuarbeiten. Viele Seiten haben mir bestätigt, dass sich gerade in den vergangenen 10 Jahren wahnsinnig viel getan hat, auch wenn insbesondere das flache Land vielfach noch weit zurückgeblieben ist. Dieses Maedchen repräsentiert für mich den Willen der Inder, sich ihren Platz in der Welt zu sichern - trotz aller Hemnisse.
Zu meiner Indien-Homepage geht es hier: http://www.indien.ag.vu
Aufbruch: | Oktober 2008 |
Dauer: | circa 5 Wochen |
Heimkehr: | November 2008 |