10 Tage in SIERRA LEONE
Freetown II
Es herrscht ein unglaubliches Gewusel. Mir bleibt nichts anderes übrig als mich treiben zu lassen. Um mich herum sind tausende von bunt angezogenen, lärmenden Schwarzen, es ist eine Orgie für die Sinne, faszinierend und atemberaubend für denjenigen, der ein Faible für afrikanische Märkte und keine Berührungsängste hat. Weiße sehe ich nur um das Geschäftszentrum am Cotton Tree herum, nur wenige, meist als Mitglieder von Hilfsorganisationen erkennbar, oft mit entsprechendem T-Shirt-Aufdruck.
Obwohl ich mich auch in die ärmeren, östlichen Stadtteile wie Kissy verlaufe, werde ich nirgends schief angesehen. Offensichtlich tauchen hier öfter mal Bleichgesichter auf, ein Gefühl von Unsicherheit kommt weder hier noch sonst irgendwo auf.
Viel Gelegenheit, eine Rast einzulegen und alles auf mich wirken zu lassen, finde ich nicht. Ich spüre nur ein Restaurant auf in der Innenstadt, das Cafe de la Rose, in der Nähe vom Busbahnhof. Vom ersten Stock aus hat man einen guten Blick auf das Geschehen auf der Straße -wenn man denn einen Platz findet. Denn um die Mittagszeit herum ist das Lokal gut besucht, vor allem von Geschäftsleuten.
Downtown findet man an fast jeder Ecke die Money Changer, junge Männer, meist in kleinen Gruppen, die jeden ansprechen, der so aussieht als könnte er ein paar Bündel der einheimischen Währung mit dem wenig einfallsreichen Namen "Leone", gebrauchen. Diese Methode des Geldwechsels ist einfach, zeitsparend gegenüber dem Umtausch in Banken oder Wechselstuben und man bekommt noch dazu den günstigsten Kurs. Das ganze passiert auf offener Straße, mitten unter den vorbei strömenden Menschenmassen. Ich werde gefragt, ob ich wechseln möchte, wenn ja welche Währung und wieviel, frage meinerseits nach dem Kurs -alle haben sich offensichtlich abgesprochen und bieten denselben, 5.800 Leone für 1 Euro-, der Geldboy öffnet seinen Rucksack, holt einige Bündel Geldscheine mit Banderolen heraus, jeweils 50 Scheine, dazu die passende Restmenge, gibt sie mir und bekommt dafür meine Euroscheine. Vertrauen ist gut, Kontrolle unmöglich. Der größte Geldschein ist der 10.000 Leone Schein, umgerechnet ca. 1,70 Euro, meist bekomme ich auch 5.000er, also 85 Cent, insgesamt einen ganzen Batzen Papier für meine Euro. Ich zähle die jeweils erst im Hotel nach, eher aus Neugier. Die Menge stimmt immer. Betrug kommt nicht vor. Man stelle sich dieses Prozedere in anderen Städten vor, nicht nur in Afrika. Wo auf offener Straße Geldmengen mal eben den Besitzer wechseln, die oft mehr als ein Jahreseinkommen mancher Familien entsprechen.
Die Stadt putzt sich langsam heraus. Überall in der Stadt werden grün-weiß-blaue Fahnen aufgehängt. Man bereitet sich auf die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit vor. 50 Jahre Sierra Leone. Wo immer auch der bevorstehende Geburtstag erwähnt wird bricht lauter, überschwänglicher Jubel aus. Man ist sehr nationalstolz. Es wäre der Hit, die großen Parties, die überall stattfinden werden, mitzuerleben. Dann bin ich aber leider schon längst wieder zuhause. Aber ich beneide schon jetzt jeden, der am 27. April und sicherlich auch den Tagen und Nächten davor und danach mitfeiern kann.
Am Nationalstadion ist am Wochenende ein Event.
Ich vermute, es geht um Live-Musik und es spielen verschiedene Bands. Also hin. Sonntag Abends, im Dunkeln, treffe ich ein und stelle fest, dass es eher etwas mit gemütlichem Beisammensein, Essen und Trinken zu tun hat. Die Buden stehen dicht an dicht, jede hat eine Musikanlage mit Riesenboxen, jede Anlage wird bis zum Anschlag aufgedreht, so dass nur noch ein Krächzen herauskommt und alles vermischt sich zu einem ohrenbetäubenden Klangbrei. Auf der Hauptbühne treiben bekannte TV-Comedians ihre Scherze, in Krio, einer Art Pidgeon Englisch, und mir natürlich völlig unverständlich. Aber ich stelle auch fest, dass ich unter Tausenden von friedlich und lustig gestimmten Einheimischen der einzige Weiße bin. Zumindest sehe ich keinen anderen.
Aufbruch: | 25.03.2011 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 04.04.2011 |