10 Tage in SIERRA LEONE

Reisezeit: März / April 2011  |  von Uwe Decker

Unterwegs in Freetown

Die Organisation des öffentlichen Nahverkehrs in Freetown ist undurchschaubar und einfach zugleich. Man stellt sich an den Straßenrand und hält ein Fahrzeug an ! Das ist in meinem Falle in den seltensten Fällen einer jener Minibusse, die man überall in Afrika findet, Minivans, die feststehende Routen befahren, vollgepfercht mit Fahrgästen. Ein Boy hängt halb aus der Tür raus, schreit im Vorbeifahren das Fahrziel und rekrutiert die Kunden. Diese Minibusse heißen hier "Poda-Podas".

Für die beiden anderen Transportmittel, die ich öfter benutze, sollte man zumindest ein paar Floskeln kennen, "No cha cha" und "small, small".

Letzteres ist angebracht, wenn ein "Okada" angehalten wird, ein Mopedtaxi, und bedeutet: "Bitte, lieber Mopedfahrer, fahr etwas langsamer und vorsichtig, ich bekomme sonst Angst". Die Okadas sind durchaus zweckmäßig, da sie sich im stauenden Verkehr durch die stehenden Autos schlängeln können und so schneller vorwärts kommen, ansonsten sind ihre Fahrer für ihre halsbrecherische Fahrweise berüchtigt.

Das gängige Fortbewegungsmittel für mich ist aber das "Shared Taxi". Das sind Sammeltaxen, die auf mehr oder weniger festen Routen unterwegs Passagiere aufsammeln. Voll ist ein Taxi, wenn vorne neben dem Fahrer zwei, hinten vier Leute sitzen. Bei voluminösem Körperumfang der Insassen aber auch schon mal weniger. Man steht einfach am Straßenrand, gibt Handzeichen, wenn sich ein Taxi, oder überhaupt ein Auto, nähert und ruft dem Fahrer sein Fahrziel zu. Entweder es passt, dann steigt man ein - oder halt nicht, er fährt weiter und man versucht sein Glück beim nächsten.

Es gibt so etwas wie Umsteigestationen über die Stadt verstreut, meist große Kreuzungen, wo man aussteigt und sich das nächste Taxi sucht, das in die Richtung fährt, in die man will. Die Einheimischen wissen natürlich Bescheid, wie man von A nach B kommt. Für mich als Newcomer dagegen ist das nicht so einfach und jedes Mal spannend, wie weit und wohin ich komme. Und wie viel ich bezahle. Mit meinem "Downtown" oder "Cotton Tree", wenn ich ins Zentrum will, habe ich selten Erfolg. Das ist zu weit weg und es liegen eigentlich Umstiege dazwischen. Dann versuche ich es mit "Congo Cross", dem von meinem Hotel aus nächsten Knotenpunkt Richtung City. Und haben wir erst mal Congotown erreicht, bleibe ich stur sitzen (was aber auch oft damit zusammenhängt, dass ich gar nicht merke, dass wir schon da sind) und vertraue darauf, dass auch später dazu gestiegene Fahrgäste in dieselbe Richtung wollen. Das klappt überraschend oft und ich komme meist ohne Umstieg an mein Ziel.

Für jede Teilstrecke zahlen die Einheimischen 1.000 Leone (17 Cent). Ich grundsätzlich auch. Macht für die Fahrt ins Zentrum (wie im vorangegangenen Kapitel bereits beschrieben Fahrzeit tagsüber bis zu 2 Stunden) 2.000 Leone. Nur selten wollen die Fahrer mehr von mir. Als einheimischer Taxiunternehmer würde ich mal scharf rechnen, ob sich das Ganze bei Spritpreisen von ca. 1 Euro pro Liter überhaupt rechnet.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Taxi ganz für sich allein zu mieten. Darauf spekulieren viele Taxifahrer, weil es natürlich lukrativ für sie sein kann, wenn sie vom ahnungslosen Touri Mondpreise verlangen - und vielleicht auch noch bekommen. Hier kommt die magischen Worte "No cha cha" beim Einsteigen ins Spiel, soll heißen, ich will nicht das ganze Taxi für mich, sondern als ganz normaler Kunde behandelt werden und auch entsprechend zahlen.

"Cha Cha" macht aber manchmal auch Sinn. Dazu kommen wir später.

Hinsichtlich der Bezahlung gibt es ungeschriebene Regeln, die da lauten: nicht zu früh und nicht zu spät. Zu früh zu zahlen ist nicht gut, da sich jederzeit eine unvorhergesehene Änderung der Fahrtroute ergeben könnte. Zu spät, d.h. beim Aussteigen ist auch ungünstig, da es manchmal zu Diskussionen über den Fahrpreis kommt und sich die Standzeit des Taxis und die Wartezeit der verbliebenen Fahrgäste unnötig verlängert. Perfekt ist es, wenn man mit dem Ruf "Driver" den Betrag dem Taxifahrer möglichst lässig herüber reicht und genug Fahrzeit bleibt, damit der Fahrer die Chance hat, auf der restlichen Strecke das Wechselgeld abzuzählen. Mein Timing hinsichtlich der professionellen Bezahlung ist alles andere als optimal. Wie sollte es auch anders sein, denn erstens weiß ich selten wo ich eigentlich bin und zweitens wo das Taxi überhaupt hinfährt.

Eines aber ist ein Taxi fast immer. Ein Ort der Kommunikation. Selten steigt jemand wortlos aus oder ein, fast immer werden die anderen Fahrgäste gegrüßt, fast immer entwickelt sich irgendeine Konversation, und sei es dass jeder über die unmöglichen Verkehrszustände in der Stadt schimpft. Mein Beitrag hält sich meist in Grenzen, geht aber auch manchmal über das Übliche, woher ich komme, wo ich hin will, was ich hier mache und was denn diese Saison mit Bayern Munich los ist, hinaus.

Jeder Fahrgast ist nett zu mir. Besonders niedlich sind die Kinder. Als ich ein Auto anhalte um Sonntag morgens "Cha Cha" zu einem Hügel für mein Freetown von oben-Fotoshooting zu fahren, sitzt ein Mädchen, etwa 10 Jahre alt, auf dem Beifahrersitz. Ich werde mit dem Fahrer schnell handelseinig, steige ein - und er wirft das Mädchen kurzerhand hinaus. Ich habe das Taxi ja schließlich für die Fahrt gemietet. Das ist natürlich das letzte, was ich will. Ich bestehe darauf, dass das Mädchen nach Hause gefahren wird, es liegt noch dazu auf meiner Strecke. Das Mädchen lächelt die ganze Zeit, zunächst etwas schüchtern, und verabschiedet sich von mir schließlich mit Handschlag und hinterher winken.

© Uwe Decker, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein einhalb Wochen auf Tour in einem höchst ungewöhnlichen Urlaubsland
Details:
Aufbruch: 25.03.2011
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 04.04.2011
Reiseziele: Sierra Leone
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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