10 Tage in SIERRA LEONE
Freetown - Der Verkehr
Ich will gar nicht den Versuch machen zu beschreiben, was sich auf den Straßen Freetowns abspielt. Man muss es einfach gesehen und erlebt haben. Oder besser nicht. Es drängen sich viel zu viele Fahrzeuge, oft genug schrottreife, auf "Straßen", von denen nur wenige, im Stadtzentrum, asphaltiert sind. Der Rest ist teilweise übelste staubige Buckelpiste, durchsetzt mit hinterhältigen "Humps", zur Geschwindigkeitsreduzierung, wo doch gar keine Geschwindigkeit erreicht wird. Wenn man nicht gerade im Morgengrauen aufbricht steht man den ganzen Tag über im Dauerstau. Für die Strecke von meinem Guesthouse nach Downtown benötige ich bei freier Fahrt keine 20 Minuten, vorexerziert mit einem Moped um 5 Uhr in der Frühe zum Busbahnhof. Tagsüber dauert die Strecke bis zu 2 Stunden, Oneway, Schwitzen im glutheißen Taxi inklusive.
Aber es ist Besserung in Sicht. Die Chinesen sind da, wie überall in Afrika, und bauen die Hauptstraßen aus. Besser lassen bauen. Die Einheimischen schimpfen, das würde alles viel zu lange dauern, die Chinesen hätten keinen Plan und das Ganze nicht im Griff. Erzählen mir jedenfalls viele. Nun, irgendwann werden sie schon fertig, im Moment verschlimmern die Baustellen allerdings das Chaos noch weiter. Dabei kommt es zu lustigen Szenen. Die Arbeiter sind durchweg Schwarze, aber jede Kolonne wird beaufsichtigt von einem Chinesen, der ihre Arbeit genauestens überwacht. Oft stehen sie ein wenig erhöht, oft genug sitzen sie aber auch auf Campingstühlen, unter einem Sonnenschirm. Ok, auch sie sind die brutale Hitze nicht gewöhnt und leiden.
Es gibt hier viele Chinesen, aber man sieht sie in großer Anzahl eigentlich nur abends in den Casinos. Eines, mit auffallender nächtlicher Leuchtreklame, sehe ich mir mal von innen an. Da sitzen und stehen sie an den Roulette- und Black Jack Tischen, mit schwarzen, meist weiblichen Croupiers, die wiederum von chinesischen Supervisor beaufsichtigt werden, haufenweise Fehler machen und dauernd zurecht gewiesen werden. Von Pokerface ist bei den Chinesen nichts zu sehen, sie strahlen übers ganze Gesicht bei Gewinnen oder fluchen wenn die falsche Zahl kommt.
Halb betrunkene Osteuropäerinnen sitzen derweil an der Bar und baggern einzelne chinesische Herren an, die mangels englischer Sprachkenntnisse nur verlegen vor sich hin kichern.
Ich hatte den Casinobesuch eigentlich als Auftakt eines alternativen Abendprogramms geplant, flüchte aber nach 20 Minuten aus dieser bizarren Welt.
Zurück zum Verkehr. Jeder Taxifahrer hat seine eigenen Ideen wie er den größten Stau durch Schleichwege umfahren kann. Das Ergebnis ist aber stets dasselbe. Wir stehen. Nur langsam geht es vorwärts. Für mich hat es neben Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen und Schwindelanfällen wegen der Hitze und dem ewigen Gehupe den Vorteil, dass ich auf diese Weise viele Gegenden der Stadt abseits der Hauptstraßen kennenlerne. Hier mittendrin bietet sich oft ein ganz anderes Bild vom Stadtleben als von einer der Anhöhen. Ganze Stadtviertel sind mit Fug und Recht als Slum zu bezeichnen, teilweise der übelsten Sorte. Es sind verstörende Anblicke, die sich aus dem im Stau stehenden Taxi bieten. Wenn z.B. nackte Kleinkinder im Dreck umher waten und auf Abfallbergen spielen. Ich bin dann froh, wenn es wieder ein paar Meter weiter geht, aber dort bietet sich dann ein ähnliches Bild.
Die UN ist mittlerweile weitgehend abgezogen, die NGOs sind in großer Zahl da, werden dringend gebraucht und können doch nur partiell Leid bekämpfen. Sierra Leone bildete -wie eingangs erwähnt- vor ein paar Jahren tatsächlich das Schlusslicht auf der UN-Armutsskala. Mittlerweile hat sich das Land um einige Plätze nach oben geschoben. Die Richtung stimmt, aber es bleibt noch so unendlich viel zu tun.
Ich bin eigentlich gut zu Fuß und könnte auch große Teile meiner Wege laufen. Ob ich nun im Auto schwitze oder beim Laufen ist ja egal. Und viel später würde ich sicherlich auch nicht ankommen. Nur, wo soll ich laufen? Bürgersteige gibt es nicht. Man läuft am Rande der Fahrbahn, Zentimeter an den Autos vorbei, oder am Rand, schlängelt sich an den Verkaufsständen vorbei, weicht den entgegen kommenden Menschenmassen aus, watet im Müll und Dreck, atmet dabei Staub und Auspuffgase.
Aufbruch: | 25.03.2011 |
Dauer: | 11 Tage |
Heimkehr: | 04.04.2011 |