Madeira: Wahre Schönheit liegt im Innern
4.7.: Starke Farben, laute Töne
Heute lernen wir die Poliklinik von Canico kennen. Ich mache mich auf endlose Wartezeit, nervenden Formularkram und Sprachschwierigkeiten gefasst. Doch weit gefehlt. Unser Rezeptionsengel Paula, ein Kind der Insel und gut Deutsch sprechend, hat uns angekündigt und mich beruhigt, dass es nicht teuer werde. In der Tat: Man spricht Englisch, ich komme sofort in ein Behandlungszimmer, kriege Salbe und einen Plastikverband, ein Lächeln, paar freundliche Worte, 13 Euro.
Für rund 90 Euro schenke ich mir im Outdoor-Shop ein paar knöchelfreie Laufschuhe mit Luftlöchern von Salomon. Denn meine Wanderschuhe machen nun auch Urlaub - von mir. Ich bin glücklich, denn die Neuen passen auf Anhieb - Besitzer von Hallux rigidus hoch zwei wissen das zu schätzen - haben eine super griffige Sohle, stören die Wunde nicht, die nun ohnehin verpackt ist, sehen gut aus, auch wichtig, und geben Halt.
Das macht noch nicht euphorisch, aber Hoffnung. Und wir machen das Beste draus und einen Ausflug zum Pico Areiro, dem zweithöchsten Gipfel, der bequem mit dem Auto zu erreichen ist. Die Straße schraubt sich in gewagten Serpentinen nach oben. Plötzlich sind wir nach der sonnigen Strecke in einem nebeldurchzogenen Geisterwald, aus dem die bleichen Stämme von Eukalyptusbäumen ragen. An anderer Stelle hat es gebrannt, und in diesem Moment kommt die Sonne hervor. Der nun knallblaue Himmel bildet einen spannenden Kontrast zu den schwarzen Stämmen, dazwischen wabern Wolkenfetzen. Etwas noch nie Gesehenes und mit nichts vergleichbar! Ganz oben zerklüftetes Vulkangestein, soweit das Auge reicht, dazwischen schneeweiße Wolken. Wir sind tatsächlich über den Wolken und haben einen Ausblick wie aus dem Flugzeug. Der Wind ist so stark, dass wir uns am Geländer des Aussichtspunkts festkrallen. Daher wollen wir auch nicht bis zum ersten Ausguck in Richtung Pico Ruivo laufen. Der Weg dorthin ist zwar eben und gepflastert, doch völlig dem Wind ausgeliefert und nach keiner Seite gesichert. So entscheiden wir uns für die Abfahrt nach Ribeiro Frio, wo ein kurzer gangbarer Levadaweg und Forellenteiche locken.
Dort ist es kühl, wolkig und windstill, was gut zu der waldigen wildromantischen Gegend passt. Frisch und blau leuchten Hortensien, Agapanthus und der nur auf Madeira vorkommende Natternkopf; üppig grünt der Farn, und Lorbeer- sowie Nadelbäume verbreiten den passenden Duft. Wir laufen etwa eine halbe Stunde zum Aussichtspunkt "Balcoes", bewundern das Bergpanorama und beobachten Bergfinken, die sich über die Vesperreste der Besucher hermachen. Danach lustwandeln wir durch die Forellenzucht. Die Teiche sind miteinander verbundene Natursteinbecken, eingebettet in eine saftig blühende Blumenlandschaft. Das macht Lust auf Forellen zum Abendessen. Das rustikale Ausflugslokal mit seinen Holzbänken hat leider geschlossen, doch ein anderes gefällt es uns auch: Wir sitzen auf Bänken aus Holz und schauen, statt wie in unserem Ort, auf geparkte Autos und hören diese anfahren, sondern ins Grüne und lauschen dem Läuten der Glocken grasender Ziegen. Der Fisch mundet und alles ist gut. Bis ein Auto mit drei Eingeborenen hält, aus dem Primitiv-Stampfmusik erschallt. Sie machen zwar den Motor aus, als sie sich ein Bier holen; die Musik indessen umzert munter weiter. Einer von ihnen ist jung, einer hinkt, der Dritte, dessen dreckiges Lachen immer wieder in ein nikotinverseuchtes Husten übergeht, drapiert sich malerisch auf der Motorhaube. Zum Glück trinken sie schnell aus und fahren wieder los, nicht, ohne den Motor noch einmal imponierend aufheulen zu lassen.
Aufbruch: | 29.06.2011 |
Dauer: | 14 Tage |
Heimkehr: | 12.07.2011 |