Überwintern in Asien

23.12.2011 Tra Vinh
Endlich da. Aber wo? Laut Motorradtaxi sind wir 6 km außerhalb vom Zentrum. Der gute Mann ist den Tränen schon nahe, als wir uns im Preis endlich einig sind und als der zweite dann kommt ist es ihm sichtlich peinlich, seinem Kollegen den ausgehandelten Preis zu nennen. Dieser ist auch nicht wirklich erfreut über die Summe und versucht nochmal etwas höher anzusetzen. Als ich ihn nur anlächele, nickt er kurz mit dem Kopf und gibt das Zeichen zum aufsitzen. 
Das Hotelzimmer für das wir uns schließlich entschieden haben ist mit 5$ pro Nacht wieder mal recht günstig, leider aber nicht ganz so sauber wie es mindestens sein sollte. Zum Glück haben wir in Can Tho bei unserem Einkaufsbummel auch ein Desinfektionsspray erstanden. Einmal das Bad komplett in eine Wolke aus Desinfektionsmittel gehüllt, Tür zu und alles einwirken lassen. Wir nutzen die Zeit um dem örtlichen Obst- und Gemüsemarkt einen Besuch abzustatten und unser Abendessen zu organisieren.

Zufällig ist am anderen Ende des Marktes ein Supermarkt, so dass es heute schon wieder Wurst und Käse gibt. Durch Zufall haben wir dann noch einen Bäcker gefunden, der echte Baguettes bäckt. Zum Abschluss des Tages noch ein düscherle gemacht und einen kurzen Blick in den Lonely Planet geworfen. Ach ja, morgen ist ja schon Weihnachten ...

24.12.2011
Laut Reiseführer ist der schönste Strand des gesamten Mekong Deltas in Ba Dong, ca. 70 km südlich von Tra Vinh. Dort gibt es ein Resort, in dem man für 10$ am Strand in einem Bungalow übernachten kann. Der Plan ist folgender: Wir packen die nötigsten Sachen in einen der Rucksäcke und lassen den anderen im Hotel zurück, Mieten einen Roller für zwei Tage und verbringen den Heiligen Abend am Strand im Bungalow. Das Fischrestaurant neben an soll auch sehr lecker sein. Über eine alternative Route, die durch ein paar abgelegene Dörfer führt, könnten wir dann am nächsten Tag wieder nach Tra Vinh zurück fahren. So der Plan. Um zu vermeiden, dass wir am Strand keine Unterkunft finden, lassen wir uns zunächst über die Touristeninformation ein Zimmer buchen. Hier werden wir ausdrücklich aufgefordert beim einchecken beide Reisepässe vorzulegen. Der Preis für den Roller sinkt beträchtlich, als wir den gleich für zwei Tage mieten. Bei der Fragen nach dem Pass verweisen wir auf unser Hotel in Tra Vinh und dass wir diese ja beim einchecken abgeben mussten. Kein Problem. Welches Hotel und die Zimmernummer bitte. Ja ... wie war der Name des Hotels noch gleich...? Ich greifen in die Tasche und halte den Zimmerschlüssel vor und sofort bekomme ich die Rollerschlüssel. Der Verkehr in Tra Vinh ist wesentlich stärker und hektischer als an allen anderen Plätzen zuvor, an denen ich gefahren bin. Als ich mir beim anfahren sehr viel Zeit lasse, wirke ich wohl auf den Vermieter etwas überfordert. So schnappt der sich den nächsten Roller und begleitet uns zum Hotel. Während der Fahrt gibt er immer wieder Handzeichen, um mich zu unterstützen. Am Hotel hält er noch ein kleines Schwätzchen mit dem Portier und verschwindet anschliessend wieder. Wir sind derweil schon damit beschäftigt unsere Rucksäcke für die große Fahrt vorzubereiten. Auf dem Weg von unserem Zimmer zur Rezeption, male ich schon vor meinem geistigen Auge Bilder, mit denen ich dem Portier klarmachen kann was ich von ihm will. Einen Rucksack deponieren und unsere beiden Pässe. An der Rezeption platzt dann meine Gedankenblase, da nur noch der vielleicht fünfzehnjährige Sohn des Besitzers anwesend ist. Aber vielleicht kann der ja englisch??? Kann er nicht. Aber nur wenige Augenblicke später zerrt er mich an den Computer an dem sein eine Schwester sich Youtube Videos mit Pokemon ähnlichen gestalten ansieht, und öffnet Google Translation. Cleveres Kerlchen. Hier können theoretisch ganze Sätze übersetzt werden. Als ich fertig bin mit tippen brechen er und seine kleine Schwester in lautem Gelächter aus. Ich erinnere mich an zuhause, wo ich solche Übersetzungsprogramme schon getestet habe und weiß je kürzer der Satz ist, desto besser ist die Übersetzung. Jetzt klappt alles besser, nur einen Pass will er unbedingt behalten. Schnell wird klar, das kurze Gespräch des Vermieters mit dem Portier beinhaltete nichts anderes als Pass gibt es nur gegen Rollerschlüssel. Verdammt. Und was nun? Einfach auf gut Glück losfahren? Nee, 70 km sind einfach zu weit. Ich versuche den Sohn des Besitzers dazu zu überreden im Resort anzurufen und klarzumachen das wir nur mit einem Pass kommen und er den anderen behalten muss. Sein Argument ist die werden euch nicht wegschicken wenn ihr eine Reservierung habt und die an euch verdienen können... Auch wieder wahr. So starten wir unsere Fahrt mit gemischten Gefühlen.

Die Landschaft wechselt schnell. Von der Stadt in die Vororte, von Reisfeldern in Melonenplantagen. In jedem Dorf das wir passieren, steht eine katholische Kirche, die mehr oder weniger geschmackvoll, weihnachtlich geschmückt ist. Die Girlanden entlang der Hauptstrassen erinnern eher an Fastnacht als an Weihnachten. Heute würde ich das Wetter zum ersten mal nicht als heiß bezeichnen, so das wir uns im Fahrtwind für die Winddichten Jacken entschieden haben. Ansonsten haben wir nur kurze Sachen eingepackt. Je näher wir dem Meer kommen, desto stärker wird der Wind. Und als wir dann endlich in Ba Dong angekommen sind, bietet sich uns ein Bild, das so überhaupt nicht mit unseren Vorstellungen deckt. Starker Wind peitscht die dunkelbraunen Wellen auf. Sogar die Gischt ist braun gefärbt von dem schlammigen Boden, welchen der Mekong mit sich in das Meer trägt. Der Anblick erinnert mich an einen reißenden Wildbach nach einem starken Sommergewitter, wie wir ihn auf einer unserer zahlreichen Kajakfahrten in den Alpen erlebt haben. Baden abgehakt. Von weitem winkt schon der Einweiser des Parkplatzes. Zu meiner Verwunderung spricht er vermutlich ein besseres Englisch als ich. Er zeigt uns den Weg zu den Bungalows. Über einen schmalen Betonweg, der mich mit seinen Kurven und Hügeln irgendwie an eine Achterbahn erinnert, erreichen wir die Rezeption und die Bungalows. Der junge Mann an der Rezeption spricht kaum englisch. Eigentlich nur zwei Sätze. Sorry, no Reservation. Two passport. Diese dafür immer und immer wieder, egale was meine Argumente sind, wie ich bitte und bettele. Ok, der will oder darf uns nicht nehmen. In einer Variation seiner beiden Sätze, kam auch einmal das Wort Police vor.
Der Hunger treibt uns dann schliesslich in das vom Lonely Planet empfohlenen Restaurant. Der vordere Teil, eher zum Kaffe trinken gedacht, ist noch ganz passabel. Als wir die Frage ob wir essen wollen bejaht haben, werden wir in eine kahle, offene Halle geführt. Der einzige Pluspunkt ist an normalen Tagen das Meer, das keine drei Meter von der Halle entfernt ist. So nicht heute. Der kalte, starke Wind trägt die Gischt durch die Halle, reißt alles leichte mit sich und hüllt den Rest in einen Salznebel. Obwohl alle Touristen außer uns einheimisch sind, liegen die Preise bei weitem über denen in Tra Vinh.

Die gesamte Situation macht die Entscheidung leicht. Wenn wir sofort zurück fahren, dann erreichen wir Tra Vinh vielleicht noch vor Einbruch der Dunkelheit.

Inzwischen scheint es, als seien die Girlanden ein einziges Band, dass den gesamten Weg säumt. Vor den Kirchen haben sich inzwischen große Menschenmengen angesammelt. Stände mit Essen und Spielsachen wurden aufgebaut und ein wunderbarer Duft nach frisch gegrilltem liegt in der Luft. Ich möchte unbedingt mal eine der Grippen, die hier üblicherweise im Kirchhof aufgebaut sind, von nahem anschauen. Auch das innere der Kirche hätte mich noch interessiert, aber da der Gottesdienst heute Abend wohl Open Air abgehalten wird, ist diese leider verschossen. Je mehr wir uns Tra Vinh nähern, desto größer werden die Menschenmengen. Eigentlich wollen wir das Hotel wechseln, aber da unser ganzen Sachen noch da sind, bleiben wir der Einfachheit halber noch mal hier. Wir versuchen noch mal eine Runde mit dem Roller zu drehen, aber der Verkehr ist zu dicht und nichts geht mehr. Des Rätsels Lösung ist einfach. Es ist Markt. Und da heute heilig Abend ist, nenne wir es einfach mal Weihnachtsmarkt. Roller zurück ins Hotel gebracht und ab ins Getümmel.

Einmal im Leben ein Star sein!
Hier in Tra Vinh war noch nie ein Tourist. Jedenfalls keiner der so groß und blond wie ich war. Schon auf dem Gemüsemarkt haben wir erhöhte Aufmerksamkeit gepaart mit Freundlichkeit genossen, aber jetzt in Mitten von hunderten von Menschen die alle hierher gekommen sind um sich zu amüsieren, verstärkt sich das alles nochmal. Ich habe große Mühe alle Begrüssungen zu erwidern, geschweige denn Fragen wie "How are you?", "Whats your name?" und "Where du you come from?" zu beantworten. Die Kinder werden von ihren Eltern aufgefordert mir zuzuwinken und hinter meinem Rücken posieren die Leute für Fotos. Ich versuche auch noch nach einer Stunde freundlich zu sein, merke aber wie die Lust immer weiter abnimmt und ich mittlerweile schon recht kurz angebunden bin. In dem Café in dem wir noch einen Cocktail trinken, haben die Leute sich schnell an meinen Anblick gewöhnt und ich geniesse wieder die Anonymität...

25.12.2011
Da wir für den Roller wie immer im Voraus bezahlen mussten, wollten wir ihn auch nicht früher abgeben. Dem Sitzfleisch zuliebe beschlossen wir nur in der näheren Umgebung zu bleiben. Pagoden besichtigen, durch die Pampa cruisen, mit einer kleinen Fähre übersetzen, Schiffe am Fluss beobachten, Kaffe trinken, das Ho Chi Minh Museum besuchen, die Reisepläne für die nächsten Tage abstimmen und das treiben des kleinen, beschaulichen Städtchens zu geniessen.

26.12. 2011
Schon beim Frühstück besorgen, konnte ich zwei Motorräder klar machen, die uns gegen halb zehn vom Hotel zum Busbahnhof bringen wollen. Gleiche Strecke, gleicher Preis. Der Fahrer willigt ein. Dank ihm kommen wir an den Schalter für einen V.I.P. Bus. Dieser kostet zwar ein bis zwei Dollar mehr pro Person, dafür lässt es sich sehr angenehm Reisen. Die Ledersessel sind so breit, dass nur drei in eine Reihe passen und der Abstand zwischen den Reihen ist sogar mehr als ich benötige. Ach ja das Ziel für heute Heißt Dalat. Leider enden alle Busse in Saigon. Wir haben Glück, den beim V.I.P Bus ist immer der Transport bis an die gewünschte Adresse inklusive. So können wir uns die einstündige Taxifahrt quer durch Saigon sparen, denn die Busse aus dem Süden enden immer am Busbahnhof im Süden und die Busse die in Richtung Norden weiter fahren, fahren natürlich von dem Bussbahnhof im Norden der Stadt ab. Dort angekommen finden wir leider nur noch einen Kleinbus nach Dalat. Es beginnt gerade zu dämmern, als wie endlich Richtung Dalat losfahren. Die Vororte glänzen in einem Lichtermeer aus weihnachtlicher Dekoration. Der Busjunge hatte Mitleid mit mir und wies uns den Beifahrersitz zu, so das ich meine Beine einigermaßen ausstrecken kann und da fallen mir auch schon die Augen zu.