Mit Logistik und Improvisation

Reisezeit: Mai / Juni 2012  |  von Manfred Sürig

Herausforderungen im Slowakischen Paradies

Frühstück gibts ab 7 Uhr, da sitzen wir schon am Tisch. Denn die Sonne lockt zum Fotografieren.

Endlich die gesamte Hohe Tatra im Panoramablick!

Endlich die gesamte Hohe Tatra im Panoramablick!

Mit den Rädern fahren wir so dicht wie möglich an Sucha Bela, die größte Schlucht, heran. Wir stellen die Räder ab und zu Fuß geht's weiter bergauf im Flußbett des Baches und daneben.

Ein Wanderer porträtiert uns auf einer Brücke. Dass wir Radfahrer sind, hatte er sofort erkannt. Woran nur ?

Ein Wanderer porträtiert uns auf einer Brücke. Dass wir Radfahrer sind, hatte er sofort erkannt. Woran nur ?

Ich kenne Sucha Bela vom vorigen Trip und weiß, dass es immer enger wird, bis man über Leitern weiterklettern muß. Von da an ist man in einer Einbahnstraße bergauf, auf der man nicht umkehren kann, weil weitere Wanderer von unten nachkommen und man sich nicht begegnen kann.
Nach einer knappen Stunde mahne ich daher zur Umkehr, denn heute haben wir ja noch auf dem Rad viel vor.
Als wir zu den Rädern zurückkommen, bleibt Jonas zurück. Sein Hinterrad blockiert und läßt sich nicht treten.
Kann doch gar nicht sein, sagt er, denn er hatte es noch vor der Reise in Münster für 200 € durchsehen und warten lassen.

Auch Ausbauen und Aufschrauben, so weit möglich, hilft nichts. Wir werden professionelle Hilfe brauchen. Und das am Sonnabend vormittag vor Pfingsten. Wie soll das laufen ?

Auch Ausbauen und Aufschrauben, so weit möglich, hilft nichts. Wir werden professionelle Hilfe brauchen. Und das am Sonnabend vormittag vor Pfingsten. Wie soll das laufen ?

Wir schieben erst einmal zurück zur Rezeption von Podlesok. Gott sei Dank sind wenig Gäste da, die bedient werden wollen, so hört sich der Portier unser Mißgeschick an, das - auch wieder Gott sei Dank - Freund Erich in Tschechisch vortragen kann. Und so bekommt Erich dann auch alle die Aktivitäten mit, die der Portier für uns am Handy entfaltet: Anrufe in Poprad beim größten Fahrradhändler - vergeblich, bei einem Motorradhaus ist man nicht zuständig, erst in Spiska Nova Ves erwischt er einen Fahrradhändler kurz vor Feierabend.
Der verspricht sogar, mit dem Lieferwagen nach Podlesok zu kommen, um das Fahrrad abzuholen, immerhin über 20 km Anfahrt, aber erst, wenn er seinen Laden geschlossen hat, denn er sei allein im Geschäft.
Gegen 12.30 Uhr kommt er, lädt das kaputte Rad auf . Denn Erich soll im Laden die Diagnose begleiten und Vorschläge zur Abhilfe machen, während Jonas auf Erichs Rad und ich auf meinem die 20 km nach Spiska Nova Ves radeln.
Meine Logistiküberlegungen kommen ins Wanken, Telgart heute noch können wir vergessen, aber was, wenn der Händler ohne Ersatzteile aus dem Ausland nicht weiterkommt ?

Schlimmer kann es nicht kommen. Die Hinterradnabenschaltung sitzt total fest und kann auch vom Fachmann nicht behoben werden.

Schlimmer kann es nicht kommen. Die Hinterradnabenschaltung sitzt total fest und kann auch vom Fachmann nicht behoben werden.

Aber der Mann macht einen Vorschlag: Laßt das Rad hier, ich versuche, nächste Woche eine Schaltungsskizze und Ersatzteile zu bestellen. Inzwischen könnt ihr von mir ein Rad nehmen.

Aber der Mann macht einen Vorschlag: Laßt das Rad hier, ich versuche, nächste Woche eine Schaltungsskizze und Ersatzteile zu bestellen. Inzwischen könnt ihr von mir ein Rad nehmen.

Als Jonas und ich gegen 13.30 Uhr in der Werkstatt eintreffen, sind sich Erich und der Fachmann weitgehend einig: Jonas wird dieses Rad für rund 200 € kaufen und damit die Tour fortsetzen. Auf dem Rückeg werden wir hier wieder Station machen und Jonas repariertes Rad mitnehmen.

Als Jonas und ich gegen 13.30 Uhr in der Werkstatt eintreffen, sind sich Erich und der Fachmann weitgehend einig: Jonas wird dieses Rad für rund 200 € kaufen und damit die Tour fortsetzen. Auf dem Rückeg werden wir hier wieder Station machen und Jonas repariertes Rad mitnehmen.

Schnell bringen wir Improvisation und Logistik wieder in Einklang. Gegen 15 Uhr starten wir mit dem Ziel, unsere Verspätung einzuholen. Fahren wir einfach 20 km weiter östlich übers Slowakische Erzgebirge, schließlich zeigt die Karte dort einen Montainbikeweg nach Mlynki auf der Südseite, das sind auch nur 38 km, der Paß dorthin ist auch nur wenig höher. Dazu scheint die Sonne erstmals so warm, dass wir im T-Shirt fahren können; unsere Unternehmungslust ist kaum noch steigerungsfähig.

Liebliche Landschaft und null Autoverkehr - so stellt man sich die ideale Tour vor

Liebliche Landschaft und null Autoverkehr - so stellt man sich die ideale Tour vor

Die einspurige Asphaltstraße endet an einer schönen Waldlichtung.

Hier machen wir eine Picknickpause aus unseren Vorräten, die wir bei Lidl in Spiska Nova Ves noch kräftig aufgestockt hatten.

Dann biegen wir in den Schotterweg ein, an dem die Cyclo-Markierung zu sehen ist.

Nach einer halben Stunde teilt sich der Weg, eine steile Variante mit Markierung, eine flachere mit, wie mir scheint, weniger Staub, aber auch ohne Markierung, bergauf gehen sie beide.
Wir wählen den bequemeren Weg nach rechts, aber der bleibt nicht lange bequem.
An Fahren ist nicht mehr zu denken, aber selbst das Schieben wird immer beschwerlicher. Ob wir noch richtig sind ? Immerhin begleitet uns eine Hochspannungleitung, die wir übers Gebirge verfolgen können.
Da müssen wir ohnehin rauf !

Irgendwohin muß dieser Weg ja auch führen, und bergauf ist im Prinzip ja richtig, sagen wir uns.
Im Prinzip......

Irgendwohin muß dieser Weg ja auch führen, und bergauf ist im Prinzip ja richtig, sagen wir uns.
Im Prinzip......

Hoch über dem Bachbett sehen wir auf der gegenüberliegenden Seite des Tals mehrere Wege, einer davon, das kann man sehen, führt sicher zum Bergsattel. Aber unser Weg läuft ja auch schräg darauf zu und oberhalb von uns ist auch noch ein Weg.
Jonas' Kanadaerfahrungen kommen uns zugute: Immer im Flußbett bergauf, dann kommst du mindestens zum Fuß des Berges, und da muß man dann weitersehen.
An dem Punkt sind wir jetzt. denn vor uns auf unserem Weg haben Holzfäller zahlreiche Bäume gefällt, deren Kronen unseren Weg hoffnungslos versperren.
Runter durchs Tal und gegenüber wieder rauf ? Und das mit Rädern ? Geht nicht !
Also Abladen und Gepäck und Räder erst einmal den Hang hinaufschleppen auf den Weg über uns.
Gut, dass wir noch Reserven an Tatendrang haben, aber diese Schlepperei geht doch an die Grenze !

Einziger Trost: Mit der Schlepperei überwinden wir fast 100 Höhenmeter. Aber wir brauchen auch fast eine Stunde bis 19 Uhr.

Einziger Trost: Mit der Schlepperei überwinden wir fast 100 Höhenmeter. Aber wir brauchen auch fast eine Stunde bis 19 Uhr.

Ich komme als letzter oben an, da kommt die Überraschung.
Wieso geht dieser Weg denn bergab ? 
Weil er zur anderen Talseite führt, da müssen wir erst einmal wieder 100 Höhenmeter runter !

Ich komme als letzter oben an, da kommt die Überraschung.
Wieso geht dieser Weg denn bergab ?
Weil er zur anderen Talseite führt, da müssen wir erst einmal wieder 100 Höhenmeter runter !

Immerhin haben wir nun den Bergsattel vor Augen, noch 80 Meter meint Jonas, der es wissen muß, denn seine Uhr hat einen Höhenmesser.
Genau zwanzig vor 8 Uhr abends sind wir oben.
Geschafft zwar, aber glücklich.

Abendstimmung mitten im Wald auf der Paßhöhe

Abendstimmung mitten im Wald auf der Paßhöhe

Geschafft ! Aber wir müssen auf so einem Holperweg auch wieder runter, bevor es dunkel wird!

Geschafft ! Aber wir müssen auf so einem Holperweg auch wieder runter, bevor es dunkel wird!

Die Mountainbikeroute ist markiert, also müssen wir rechts runter in einen Hohlweg mit einem Gefälle, das unsere Bremsen aufs Äußerste beanspruchen wird.
Die beiden anden fahren vor, ich mit Abstand anschließend.
Auch hier waren Holzfäller wieder tätig, unter einer gefällten Baumkrone müssen wir durch, weiter unten hat man die Baumstämme auf unserem Weg mit Treckern abwärts geschleift. Auf diesen Schrammspuren versuchen wir uns abzurollen. Es geht, stellenweise auch besser als erwartet, nur weil es längere Zeit hier trocken war und der Lehm nicht glitschig ist.
Für Fotopausen langt die Zeit nicht, außerdem dürfte es schon zu dunkel sein. Und man bekommt klamme Finger, von der Kälte und vom kräftigen Bremsen.
Nach einer knappen Stunde kommt ein Ortsschild, ein Ortsteil von Mlynki, weit oben in einem einsamen Tal, herrlich gelegen, aber wir haben keinen Blick dafür, denn eine Übernachtungsmöglichkeit wird es hier nicht geben.
Auch weiter unten finden wir zwar private Datschas, vor denen die Pfingsturlauber grillen, aber weder eine Pension noch ein Restaurant.
Und es ist 21 Uhr, es wird dunkel und vor allem lausig kalt.

Bleibt nur, auf der Dorfstrasße von Mlynki talaufwärts so lange zu fahren, bis wir in einen Kurort mit Übernachtungsmöglichkeiten kommen.
Nach 4 Kilometern rechts ein Restaurant! Penzion steht auch auf dem Schild! Und selbst am Pfingstsonnabend sind wir die ersten Gäste !

Der Wirt tut alles für uns, heizt Küche und Warmwasserbreiter an, damit wir uns wohlfühlen können.

Ein riesiges Dreibettappartement ganz mit Holz verschalt, die Wärme des Tages ist noch drin. So wohl haben wir uns lange nicht gefühlt!

Ein riesiges Dreibettappartement ganz mit Holz verschalt, die Wärme des Tages ist noch drin. So wohl haben wir uns lange nicht gefühlt!

Ein ausgiebiges Festessen gönnen wir uns bis spät in den Abend, der Wirt machts möglich und freut sich mit uns. 
Das ist noch einmal gut gegangen !

Ein ausgiebiges Festessen gönnen wir uns bis spät in den Abend, der Wirt machts möglich und freut sich mit uns.
Das ist noch einmal gut gegangen !

© Manfred Sürig, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Radreise zu dritt durch Slowakei und Ukraine, bei der Flexibilität an erster Stelle stehen sollte, aber einige Highlights mußten vorher fest vereinbart und mit örtlichen Bekannten abgesprochen sein. Wie kann man da die Termine noch einhalten, wenn unterwegs ausgerechnet zum Wochenende ein Rad kaputgeht ? Am Ende klappte alles zu allgemeiner Begeisterung, und pünktlich zurück waren wir auch noch
Details:
Aufbruch: 21.05.2012
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.06.2012
Reiseziele: Tschechische Republik
Slowakei
Ukraine
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.