Mit Logistik und Improvisation

Reisezeit: Mai / Juni 2012  |  von Manfred Sürig

Auf der Suche nach einem Grenzübergang

Unsere Zeitplanung läßt es nicht zu, uns von Telgart auf Rädern talabwärts Richtung Kosice rollen zu lassen. Heute wollen wir bis ca. 40 km vor die ukrainische Grenze kommen, das geht bequem per Bahn von Telgart über Kosice bis Michalovce.

Abschied von Telgart Penzion: Von der Brücke links oben werden wir noch einmal einen Blick werfen können, der Zug schraubt sich im Tunnel bis auf die Brücke

Abschied von Telgart Penzion: Von der Brücke links oben werden wir noch einmal einen Blick werfen können, der Zug schraubt sich im Tunnel bis auf die Brücke

Das Personal ist fast überfordert. Mit drei Rädern gleichzeitig hätten wir uns anmelden müssen ! Bis Gabcicovo muß es erst einmal im Stehen gehen !

Das Personal ist fast überfordert. Mit drei Rädern gleichzeitig hätten wir uns anmelden müssen ! Bis Gabcicovo muß es erst einmal im Stehen gehen !

Immerhin werden wir bis Kosice nicht umsteigen müssen.

Immerhin werden wir bis Kosice nicht umsteigen müssen.

Stadtrundfahrt durc h Kosice

Stadtrundfahrt durc h Kosice

mit einer Bierpause im Gasthaus zu den 12 Aposteln

mit einer Bierpause im Gasthaus zu den 12 Aposteln

In der Slowakei herrscht Helmpflicht für Radler. In Kosice bekam ich nicht nur einen neuen Sattel, sondern auch einen passenden Helm. Aber sitzt der so richtig ?

In der Slowakei herrscht Helmpflicht für Radler. In Kosice bekam ich nicht nur einen neuen Sattel, sondern auch einen passenden Helm. Aber sitzt der so richtig ?

Vier Stunden Aufenthalt billigen wir uns für Kosice zu, dann gehts mit dem Zug weiter bis Michalovce am Rand der Pußta. Hier haben wir Gelegenheit, mal wieder in der Ebene kräftig in die Pedalen zu treten. Rechts immer wieder der Blick auf den See, zu beiden Seiten Freizeitanlagen aus der kommunistischen Zeit. Was muß das hier im Sommer überlaufen sein, wenn alle Quartiere besetzt sind. Aber noch ist hier keine Spur von Saison zu spüren. Wir haben schon Mühe, eine Kneipe für ein Bierchen zu finden.

Stausee Zemplinska Sirava.

Stausee Zemplinska Sirava.

Eine schöne Pension, mal nicht aus Plattenbauten entstanden

Eine schöne Pension, mal nicht aus Plattenbauten entstanden

In der Penzion Family finden wir für 30 Euro eine 4-Zimmerwohnung mit komfortablem Balkon und das Abendessen mit lokalen Spezialitäten läßt keine Wünsche offen.
Noch einmal studieren wir unsere Karte mit den möglichen Radrouten durch die Pußta zur ukrainischen Grenze, die wir uns für morgen vorgenommen haben.

 Mal richtig Strecke machen! Wenig Verkehr auf den Nebenstraßen im Grenzgebiet.

Mal richtig Strecke machen! Wenig Verkehr auf den Nebenstraßen im Grenzgebiet.

 So könnte es auch in den Pußtadörfern Ungarns aussehen. Ziehbrunnen aus Holz findet man nirgends mehr.

So könnte es auch in den Pußtadörfern Ungarns aussehen. Ziehbrunnen aus Holz findet man nirgends mehr.

Zweisprachige Ortsschilder, auch dann, wenn die Bezeichnunghen identisch sind !

Zweisprachige Ortsschilder, auch dann, wenn die Bezeichnunghen identisch sind !

Storchennester in jedem Ort

Storchennester in jedem Ort

Hoch eingedeichte Wasserläufe. Bei dem geringen Gefälle müssen sie viel Wasser aufstauen können, das in trockenen Zeiten zur Bewässerung dienen kann

Hoch eingedeichte Wasserläufe. Bei dem geringen Gefälle müssen sie viel Wasser aufstauen können, das in trockenen Zeiten zur Bewässerung dienen kann

In einem Wäldchen hinter Zahor entdecken wir einen verwaisten jüdischen Friedhof

In einem Wäldchen hinter Zahor entdecken wir einen verwaisten jüdischen Friedhof

Wann mögen hier die letzten Beerdigungen stattgefundennhaben ?

Wann mögen hier die letzten Beerdigungen stattgefundennhaben ?

Hier kommt man sicher nicht über die Grenze

Hier kommt man sicher nicht über die Grenze

Im Grenzort Zahor führt hinter der Kirche eine frisch asphaltierte Straße direkt auf die 200 m entfernte Grenze zu. Sollte es hier einen Übergang geben ?
Es gibt keinen, aber von einer Dorfbewohnerin werden wir daraufhin angesprochen.
Erich kann den slowakischen Dialekt, den die Frau spricht, einigermaßen verstehen.
Über die Grenze kommt ihr als Radfahrer hier nicht, aber auch nicht in Vel'ke Slemence 17 km weiter südlich.
In Vel'ke Slemence kommen nur Fußgänger rüber, nicht einmal Fahrräder rüberschieben dürft ihr dort.
Wer weiß, wer sich so eine verrückte Regelung ausgedacht hat. Noch weiter südlich kommt ihr nur rüber, wenn ihr einen der täglich zweimal fahrenden Züge nehmt, aber dann kommt ihr in Chop an und noch nicht in Uzgorod, das liegt 42 km südlich von Uzgorod.
Sollen wir da noch 18 km weiterfahren, nur um abgewiesen zu werden ? Nein, da kehren wir lieber um und wählen den Übergang der Europastraße bei Vysne Nemecke / Uzgorod. Bis dahin sind es wieder über 20 km, so kommen wir heute noch zu einer satten Radelstrecke - unfreiwillig.

Das sieht schon sehr nach Grenze aus

Das sieht schon sehr nach Grenze aus

Videokameras auf der slowakischen Seite, ein verwaister Wachtturm aus kommunistischer Zeit auf der ukrainischen Seite des Grenzbaches

Videokameras auf der slowakischen Seite, ein verwaister Wachtturm aus kommunistischer Zeit auf der ukrainischen Seite des Grenzbaches

Am Grenzübergang stauen sich Lastwagen auf der Umgehungsstraße, aber die PKW-Spur ist fast frei, der Übergang für Busse sogar verwaist. Eine Fußgänger- oder Radfahrerspur finden wir nicht, also drängen wir uns hinter die wartenden Personenwagen.
Wir werden auch sofort vom slowakischen Grenzbeamten angesprochen: Hier kommen Sie mit dem Rad nicht in die Ukraine. Zunächst sind wir sprachlos, ich frage dann, ob etwa über die Busspur oder zwischen den LKWs - nein, hier überhaupt nicht, nur 62 km weiter nördlich vielleicht am Grenzübergang in U'bla.
Fluchen möchten wir, aber das hilft nicht weiter.
In 2 Stunden kommt der Linienbus; wenn der Fahrräder mitnimmt, könnten wir dort mitfahren.
Oder einen Autofahrer suchen, der uns im Auto mit rübernimmt.
Und was mit den drei Rädern ?
Noch während wir unschlüssig dastehen, sprechen uns aus einem Auto zwei Zigeuner an, wieder zahlen sich Erichs Sprachkenntnisse aus:

Sie bieten uns an, uns drei mit den Rädern in einer Überfahrt über die Grenze zu bringen, allerdings brauchten sie dazu ein Trinkgeld in Form eines 10 Euro-Scheins, den sie auf der ukrainischen Seite in jeden Reisepaß legen müßten und für sich selbst eine Aufwandsentschädigung von weiteren 10 Euro für jeden von uns. Aber in einer Viertelstunde schon könnten wir drüben sein.

Gut, dass wir 6 einzelne 10-Euroscheine zusammenbekommen, also machen wirs. Die Räder müssen auseinandergenommen werden, das Gepäck auf den Schoß und dann drei Mann auf den Rücksitz.
Sie hätten auch schon mal vier Leute mit vier Rädern rübergebracht, sagen sie uns, als uns auf dem Rücksitz fast die Luft wegbleibt, also bitte, reißt euch zusammen!

Die Leutchen haben Erfahrung im Verstauen, sicher machen sie das nicht das erste Mal

Die Leutchen haben Erfahrung im Verstauen, sicher machen sie das nicht das erste Mal

Und sie scheinen auch gute Bekannte der Grenzbeamten auf der ukrainischen Seite zu sein. So freundlich sind wir noch nie in der Ukraine begrüßt und so schnell abgefertigt worden.
Als wir drüben wieder aussteigen und aufladen ist es eineinhalb Stunden später, davon aber eine Stunde Zeitverschiebung, wir müssen unsere Uhren eine Stunde vorstellen.

Die beiden bieten uns sogar an, uns bis in die Stadtmitte zu bringen, weil sie ohnehin dorthin fahren. Aber bitte, wenn ihr hier schon rauswollt, dann eben hier.

Die beiden bieten uns sogar an, uns bis in die Stadtmitte zu bringen, weil sie ohnehin dorthin fahren. Aber bitte, wenn ihr hier schon rauswollt, dann eben hier.

Uzgorod 1 km, Mukachewo 45, Kiev 819 km. Wir sind in der Ukraine !
Und das schon am Mittwoch, 30.Mai 2012 um 16.30 Ortszeit. Wir haben wieder eine kleine Zeitreserve. Nun gilt es, eine Telefonkarte aufzutreiben, damit wir Sergej von hier aus mit dem Handy anrufen können. Er wird ja wohl nicht mit dem Professor an einem anderen Grenzübergang stehen und auf uns warten ?

Uzgorod 1 km, Mukachewo 45, Kiev 819 km. Wir sind in der Ukraine !
Und das schon am Mittwoch, 30.Mai 2012 um 16.30 Ortszeit. Wir haben wieder eine kleine Zeitreserve. Nun gilt es, eine Telefonkarte aufzutreiben, damit wir Sergej von hier aus mit dem Handy anrufen können. Er wird ja wohl nicht mit dem Professor an einem anderen Grenzübergang stehen und auf uns warten ?

© Manfred Sürig, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Radreise zu dritt durch Slowakei und Ukraine, bei der Flexibilität an erster Stelle stehen sollte, aber einige Highlights mußten vorher fest vereinbart und mit örtlichen Bekannten abgesprochen sein. Wie kann man da die Termine noch einhalten, wenn unterwegs ausgerechnet zum Wochenende ein Rad kaputgeht ? Am Ende klappte alles zu allgemeiner Begeisterung, und pünktlich zurück waren wir auch noch
Details:
Aufbruch: 21.05.2012
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.06.2012
Reiseziele: Tschechische Republik
Slowakei
Ukraine
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.