Über alle Berge - mit dem Rad durch die Anden

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Jörn Tietje

Ganz schoen weit oben angekommen...

Normalerweise trinke ich nur Tee, wenn ich etwas mit dem Magen habe - und ich habe nie Magenprobleme. Und hier beginne ich den ersten Tag nach meiner Ankunft mit einem Tee. Die peruanische Kueche hatte noch keine Chance mir den Verdauungstrakt umzudrehen. Aber ich bin nicht sicher, ob gut 30 Stunden Anreise und sieben Stunden Zeitverschiebung mir in der Nacht leichte Kopfschmerzen (kenne ich sonst auch nicht) verursacht haben oder ob es der Unterschied von 26 m ueber dem Meer zu Hause auf 3300 m in Cusco sind. Jedenfalls ist die Luft hier schon ziemlich duenn und Treppen und steile Strassen, die es zur Genuege gibt, lassen den Atem schon man schnell werden. Am Flughaben werden zwar schon bei der Ankunft Medikamente und Sauerstoffflaschen gegen die Hoehenkrankheit verteilt, ich versuche es aber mal mit dem hier ueblichen Hausmittel der Wahl: Tee - Mate de Coca...

Mir fehlt der Vergleich - aber eingeschlafene Fuesse muessen aehnlich schmecken. Aber wenn's denn hilft... und irgendeine berauschende Wirkung kann man wirklich nicht feststellen!

Mir fehlt der Vergleich - aber eingeschlafene Fuesse muessen aehnlich schmecken. Aber wenn's denn hilft... und irgendeine berauschende Wirkung kann man wirklich nicht feststellen!

Die Kopfschmerzen sind jedenfalls weg und auch sonst haben sich keine weiteren Anzeichen der Hoehenkrankheit eingestellt. Aber die Kurzatmigkeit ist noch immer da - so schnell geht es mit der Akklimatisierung denn doch nicht.

Cusco - wie schon gesagt, 3300 m ueber dem Meer und das touristische Epizentrum Perus, wenn nicht ganz Suedamerikas. Die Meisterwerke der Inkakultur und die Bauten und Kunstwerke der spanischen Eroberer gibt es hier ueberreichlich und treibt die Touristen aus aller Welt in Massen hierher. Zum Glueck ist die Hauptsaison vorbei und in der Stadt sind nicht so viele Menschen unterwegs - abgesehen von den ca. 300.000 Einheimischen. Aber im Stadtzentrum ist man damit auch gleichzeitig Freiwild fuer alle, die einem Touren, Kitsch oder alle anderen moeglichen Dienstleistungen aufschwatzen wollen.

Rund um die Platza de Armas im Stadtzentrum befinden sich die meisten Sehenswuerdigkeiten der Stadt

Rund um die Platza de Armas im Stadtzentrum befinden sich die meisten Sehenswuerdigkeiten der Stadt

In einem kleinen, ruhigen Hotel in der Naehe des Stadtzentrums habe ich mich fuer drei Naechte eingemietet. Ankommen, Hoehenluft atmen und die Stadt erkunden stehen auf dem Programm. Das Fahrrad ist bis auf eine dicke Schramme, die ich mir selbst zurechnen kann, heil und mit dem Rest der Ausruestung vollstaendig angekommen und ist erst einmal im Hotelzimmer geparkt.

Von dem ruhigen Innenhof in dem alten Gebaeude gehen die Hotelzimmer ab.

Von dem ruhigen Innenhof in dem alten Gebaeude gehen die Hotelzimmer ab.

Kirchen, Museen - alles gut und schoen, was mich aber am meisten fasziniert hat, sind die Mauern und Ruinen der Palaeste und Festungen der Inkas, die hier in der ehemaligen Hauptstadt des Inkareichs noch zahlreich vorhanden sind, obwohl Erdbeben die Gegend immer mal wieder heimgesucht haben. Erdbebensicher bauen schuetzt aber nicht vor Eroberern, die Baumaterial brauchen und so sind nur noch kuemmerliche und dennoch beeindruckende Reste vorhanden.

Allerfeinste Handwerkskunst - es passt wirklich keine Messerspitze in die Fugen und dabei sind die Steine ohne Moertel nur aufeinander gelegt

Allerfeinste Handwerkskunst - es passt wirklich keine Messerspitze in die Fugen und dabei sind die Steine ohne Moertel nur aufeinander gelegt

In den Ruinen der Festung Sacsayhuaman (sprich: sexy woman)

In den Ruinen der Festung Sacsayhuaman (sprich: sexy woman)

Einer muss den Job ja machen - Unkraut jaeten in der Festung. Eigentlich kaum zu glauben, dass in diesen schmalen Ritzen etwas wachsen kann. Die Bloecke sind bis zu 300 t schwer - unvorstellbar, wie die mit der Hand bearbeitet und bewegt wurden

Einer muss den Job ja machen - Unkraut jaeten in der Festung. Eigentlich kaum zu glauben, dass in diesen schmalen Ritzen etwas wachsen kann. Die Bloecke sind bis zu 300 t schwer - unvorstellbar, wie die mit der Hand bearbeitet und bewegt wurden

Der Grundriss der Festung soll den Kopf eines Pumas darstellen und die 22 Mauervorspruenge sein Gebiss

Der Grundriss der Festung soll den Kopf eines Pumas darstellen und die 22 Mauervorspruenge sein Gebiss

Zum Schluss noch einmal zurueck zu meinem Magen. Der Markt im Stadtteil San Pedro ist eine echte Herausforderung an alle Sinne. Obst, Gemuese, Fleisch, Fisch und aller moegliche Krimskrams gibt es hier in einer Vielfalt, wie ich sie bisher kaum einmal gesehen habe - in den Lebensmittelabteilungen unserer Supermaerkte schon gar nicht. Und es wird auch frisch zubereitet und zu Spottpreisen angeboten - wenn man sich traut, denn Hygiene ist woanders. Und weiss man, was drin ist. Das Sondebarste, was ich auf diesem Markt gesehen habe, waren Schlangen und Echsen mit Kraeutern und Gewuerzen in was-fuer-einer-Fluessigkeit-auch-immer in alten Wasserflaschen eingelegt... Allerdings noch quirrliger wird's, wenn man sich ins cetro comercial hineintraut, wo ich vergeblich nach Gaskartuschen fuer meinen Kocher gesucht habe. Im mercado San Pedro habe ich bis auf einen leckeren, frisch gepressten Saft, eine Kaffee und Kuchen nichts gegessen. Das Cuy (Meerschweinchen) kam erst abends im Restaurant auf den Teller - ein Foto erspare ich euch War lecker, denn es war vollstaendig mit Kraeutern und Gewuerzen gefuellt - aber von der Fleischmenge wirklich nicht der Rede wert. Und wie es in der Kueche aussieht, will man ja nicht wissen...
Der Magen hat's gut mitgemacht und ist damit auf weitere kulinarische Abenteuer eingestellt. Ich hoffe der Koerper auch, denn morgen setze ich mich auf mein Rad und dann will ich mir weitere Highlights der Inkakultur in der Umgebung ansehen. Ich werde weiter berichten.

© Jörn Tietje, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wieder Südamerika - dieser faszinierende Kontinent lässt mich nicht los. Nach 1 1/2 Jahren ohne Urlaub packe ich endlich wieder mein Fahrrad in einen Karton und mache mich für acht Wochen aus dem (Büro)Staub. Eine Reise von Peru über Bolivien nach Nordchile mit vielen Unbekannten und noch mehr interessanten Perspektiven. Mal sehen, wie ich mit der Höhe, Hitze, Kälte und Einsamkeit zurecht komme. Ihr seid herzlich eingeladen, mich hier auf meiner Reise zu begleiten. Jörn
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 27.10.2012
Reiseziele: Peru
Bolivien
Chile
Der Autor
 
Jörn Tietje berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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