Über alle Berge - mit dem Rad durch die Anden

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Jörn Tietje

Dem Kupfer nach durch die Atacamawueste

San Pedro de Atacama ist im tatsaechlichen wie im uebertragenen Sinne eine Oase in der Wueste. Die Atacamawueste reicht direkt vom Pazifikstrand bis an die Berge, aus denen wir gerade gekommen sind und ist eine der trockensten Wuesten der Welt. San Pedro hat sich zu einem ganz ansehnlichen Touristenzentrum gemausert, denn von hier kann man leicht die Hauptattraktionen der Wueste besuchen. Ausserdem ist der Ort Durchgangsstation fuer den Schwerlastverkehr nach Bolivien, Paraguay und Argentinien, fuer die Antofagasta ein wichtiger Im- und Exporthafen ist.

Seit mehr als zwei Wochen die ersten Baeume - und die Kirche von San Pedro, deren Dachkonstruktion aus Kaktusholz besteht

Seit mehr als zwei Wochen die ersten Baeume - und die Kirche von San Pedro, deren Dachkonstruktion aus Kaktusholz besteht

Einen Tag nach uns kommen abends voellig ausgepumpt auch Sarah und Geoff in San Pedro an und ich treffe sie zufaellig auf der Plaza. Sie sind auf der Suche nach einer Unterkunft und ziehen auch mit in unser Hostal, wo wir schon einen Mengenrabatt fuer unsere Gruppe bekommen hatten und geniessen den ungewohnten Komfort.
Wueste haben wir eigentlich genug gesehen und uns steht nicht der Sinn danach, von hier grossartige Ausfluege zu machen. Nur das Valle de la Luna liegt quasi vor der Haustuer und zum Sonnenuntergang sind wir zusammen mit vielen anderen auf der Hauptduene.

Zum Teil nur kriechend kommt man durch die Hoehlen in der Valle de la Luna

Zum Teil nur kriechend kommt man durch die Hoehlen in der Valle de la Luna

Welch' ein Unterschied zu Bolivien, wo selbst im Nationalpark scheinbar keine Regeln herrschten. Hier wird von Parkrangern streng darauf geachtet, dass keine Fussspur die Hauptduene verunziert und auch wo wir unsere Fahrraeder abzustellen haben, ist reglementiert.

Welch' ein Unterschied zu Bolivien, wo selbst im Nationalpark scheinbar keine Regeln herrschten. Hier wird von Parkrangern streng darauf geachtet, dass keine Fussspur die Hauptduene verunziert und auch wo wir unsere Fahrraeder abzustellen haben, ist reglementiert.

Ja, die Valle de la Luna ist schoen, trotzdem will bei keinem von uns so richtige Begeisterung aufkommen, zu praesent sind die Landschaft und die Erlebnisse in Bolivien

Ja, die Valle de la Luna ist schoen, trotzdem will bei keinem von uns so richtige Begeisterung aufkommen, zu praesent sind die Landschaft und die Erlebnisse in Bolivien

Xinhan und Emilien mit seinen Eltern brechen am naechsten Morgen mit dem Fahrrad Richtung Salta/Argentinien auf - wieder zehn Tage Einsamkeit. Auf meiner Wunschliste der Dinge, die ich auf dieser Reise sehen wollte, ist noch eine Position offen: Die groesste offene Kupfermine der Welt in Chuquicamata, mitten in der Atacama. Besichtigung nur an Werktagen, Anmeldung mindestens zwei Werktage vorher. Nach der Ankunft am Mittwoch bekomme ich fuer Montag eine Zusage. Nach drei Tagen Erholung breche ich am Sonntag sehr frueh ins 100 km entfernte Calama auf, einer Bergarbeiterstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern in der Wueste. Davor steht mal wieder ein Berg, den ich vor der Hitze des Tages und vor dem aufkommenenden Nordwestwind ueberwinden moechte. Mehr als 20km ununterbrochener Steigung und fast 1000 Hoehenmetern fordern doch noch einmal deutlich mehr Muskelkraft als erwartet. Auf der Passhoehe angekommen ist der Wind schon recht kraeftig und fuer eine kleine Staerkung suche ich Schutz in einem Buswartehaeuschen (ja, so etwas gibt es in Chile!). Kaum sitze ich, haelt ein Pickup und der Fahrer bietet an, mich nach Calama mitzunehmen. Ich nehme gern an, denn vor mir liegen noch ca. 50 km schnurgerader Asphaltstrasse mit nichts als brauner, vegetationsloser Wueste links und rechts und ein immer staerker werdender Gegenwind. Da sind auch die 1000m, die es bis Calama wieder bergab geht, kein ueberzeugendes Gegenargument.

Entgegen der Beschreibung im Reisefuehrer ist Calama eine ganz ansehnliche Stadt, in der man spuert, dass die Minenarbeiter von Codelco, der staatlichen Kupfermine, zu den bestbezahlten Arbeitskraeften des Landes gehoeren. Im Zentrum finde ich eine guenstige Unterkunft und am naechsten Vormittag treffe ich mit mit Sarah und Geoff, die das gleiche Ziel haben, auf der Plaza und weil Geoff seinen Geburtstag feiert, darf ein ganzer Apfelkuchen fuer drei nicht fehlen.
Vom Besucherzentrum von Codelco geht es dann - alles sehr formal geregelt - kostenlos mit einem bequemen Reisebus ins ca. 15km entfernte Chuquicamata. Eine super Autobahn durch die Wueste fuehrt in die Geisterstadt. Die letzten Bewohner wurden 2008 nach Calamata umgesiedelt - wohl nicht zuletzt wegen der erheblichen Umweltbelastung in der Gegend. Aber darueber schweigt sich die Mitarbeiterin der Mine lieber aus. Riesige Abraumhalden sind schon von weitem zu sehen.

Verlassene Wohnhaeuser vor der Kulisse riesiger Abraumhalden

Verlassene Wohnhaeuser vor der Kulisse riesiger Abraumhalden

Wenn man es nicht besser wuesste, glaubt man kaum, dass dieser Ort unbewohnt ist - alles sieht deutlich gepflegter aus als in vielen anderen Staedten

Wenn man es nicht besser wuesste, glaubt man kaum, dass dieser Ort unbewohnt ist - alles sieht deutlich gepflegter aus als in vielen anderen Staedten

Im Besucherzentrum, einen alten Minenbuero, gibt es einen Vortrag ueber die Rahmendaten: Insgesamt drei Minen, das groesste Loch ist 5km lang, 3km breit und 1km tief. Jeden Tag werden 1500t reines Kupfer gewonnen, wobei der Kupfergehalt des Erzes nur 1% betraegt, d. h. es muessen taeglich ca. 150.000t Gestein verarbeitet werden! Und das eigentlich Interessanteste: Die Nebenprodukte wie Gold, Silber, Kobalt und andere Metalle bringen soviel ein, dass sie die gesamte Foerderung des Kupfers finanzieren.
Helm auf, Sicherheitsweste an, rein in den Bus und ab in die Mine.
Gigantische LKW kreuzen unseren Weg und der Reisebus wirkt daneben wie ein Spielzeug.

Leider gab es keine Gelegenheit fuer ein Foto mit Groessenvergleich, aber so ein Gigant wiegt beladen bis zu 400t (so viel wie 10 voll beladenen LKW auf unseren Strassen) und allein die Raeder haben mit 4m die Hoehe eines normalen LKW. Dafuer liegt der Dieselverbrauch mit 5000l pro Tag bzw. 3l pro Minute auch etwas hoeher und der Anschaffungspreis von 5 Mio $ liegt auch nicht in der Portokasse.

Leider gab es keine Gelegenheit fuer ein Foto mit Groessenvergleich, aber so ein Gigant wiegt beladen bis zu 400t (so viel wie 10 voll beladenen LKW auf unseren Strassen) und allein die Raeder haben mit 4m die Hoehe eines normalen LKW. Dafuer liegt der Dieselverbrauch mit 5000l pro Tag bzw. 3l pro Minute auch etwas hoeher und der Anschaffungspreis von 5 Mio $ liegt auch nicht in der Portokasse.

Einzige Station in der Mine ist eine Aussichtsplattform fuer Besucher am Rande eines unvorstellbar grossen Lochs in der Wueste, in dem sich die LKW beladen spiralfoermig in einer Stunde bis zum oberen Rand schrauben. Mein Probelm waehrend der ganzen Tour war, die Dimensionen zu erfassen. Diese Groessenordnung sprengt das Vorstellungsvermoegen, selbst wenn man davor steht.

5km lang, 3km breit und 1km tief - die gigantischen Baumaschinen wirken in diesem Loch bestenfalls wie Ameisen - und unterirdisch geht es noch weiter.

5km lang, 3km breit und 1km tief - die gigantischen Baumaschinen wirken in diesem Loch bestenfalls wie Ameisen - und unterirdisch geht es noch weiter.

Nicht nur kupferhaltiges Erz wird aus der Grube gekarrt, sondern zusaetzlich zur Sicherung der Raender unvorstellbare Mengen wertloses Gestein. Zu der Frage einer Besucherin, ob es denn keine Probleme mit Regenwasser in der Grube gibt: Nein, es regnet durchschnittlich nur einen Tag im Jahr!

Nicht nur kupferhaltiges Erz wird aus der Grube gekarrt, sondern zusaetzlich zur Sicherung der Raender unvorstellbare Mengen wertloses Gestein. Zu der Frage einer Besucherin, ob es denn keine Probleme mit Regenwasser in der Grube gibt: Nein, es regnet durchschnittlich nur einen Tag im Jahr!

Die Mine von Chuquicamata ist aber nicht die einzige in Chile. Allein der Weg von Calamata durch die Atacama ins 250 km entfernte Antofagasta am Pazifik ist mit weiteren Minen - nicht nur Kupfer - gespickt. Diese sonst so lebensfeindliche Umgebung ist so unglaublich reich und ihre Ausbeutung ist wesentlicher Grund fuer den ueberall spuerbaren Wohlstand Chiles.
Den Weg durch die Wueste nach Antofagasta lege ich mit dem Bus zurueck. Gegenwind, starker Schwerlastverkehr und eine eintoenige Landschaft lassen kein Bedauern fuer diese Entscheidung aufkommen. Mindestens zwei harte Tage im Sattel und Zeitdruck bis zum Abflug waeren die Alternative gewesen. In der Hafenstadt am Pazifik begegnet mir das Kupfer noch einmal. Im Gueterbahnhof stehen endlose Reihe von Waggons, die mit den zu 99,8% reinen Kupferplatten beladen sind und von hier in alle Welt verschifft werden.

Hier liegen Millionenwerte auf den Waggons - armseelige Kupferdiebe in Deutschland, die Regenrinnen abmontieren...

Hier liegen Millionenwerte auf den Waggons - armseelige Kupferdiebe in Deutschland, die Regenrinnen abmontieren...

Auf einem schmalen Streifen zwischen Pazifik und der Cordellera de la Costa streckt sich die 300.000-Einwohner-Stadt Antofagasta - die Wueste endet hier direkt am Strand

Auf einem schmalen Streifen zwischen Pazifik und der Cordellera de la Costa streckt sich die 300.000-Einwohner-Stadt Antofagasta - die Wueste endet hier direkt am Strand

Ich bin an meinem Ziel angekommen. In drei Tagen fliege ich von Antofagasta via Santiago, Madrid und Frankfurt nach Hamburg zurueck und dann hat mich der Alltag wieder - bis zur naechsten Reise. Es bleiben unvergessliche Eindruecke, von denen ich einige hier versucht habe ein bisschen darzustellen - Worte und Bilder sind aber kein Ersatz fuer das Erleben - und so viele Begegnungen mit netten, hilfsbereiten Menschen, von denen die meisten hier unerwaehnt geblieben sind.
Ich hoffe, es hat euch auch ein bisschen Spass gebracht, mich hier auf dieser Seite auf meiner Reise zu begleiten.

Am Pazifik angekommen!

Am Pazifik angekommen!

© Jörn Tietje, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wieder Südamerika - dieser faszinierende Kontinent lässt mich nicht los. Nach 1 1/2 Jahren ohne Urlaub packe ich endlich wieder mein Fahrrad in einen Karton und mache mich für acht Wochen aus dem (Büro)Staub. Eine Reise von Peru über Bolivien nach Nordchile mit vielen Unbekannten und noch mehr interessanten Perspektiven. Mal sehen, wie ich mit der Höhe, Hitze, Kälte und Einsamkeit zurecht komme. Ihr seid herzlich eingeladen, mich hier auf meiner Reise zu begleiten. Jörn
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 8 Wochen
Heimkehr: 27.10.2012
Reiseziele: Peru
Bolivien
Chile
Der Autor
 
Jörn Tietje berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.
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