Heidschnucken und Backsteingotik
Hundertwasser und Uelzen
Eigentlich wollten wir ja nur den Hundertwasser-Bahnhof von Uelzen anschauen. Aber die Stadt hat viel mehr zu bieten.
Bereits der erste Stein an dem Wegweser in die Stadt macht uns neugierig: Dagmar Glemme hat die ganze Stadt mit ihren Steinen künstlich gestaltet.
Uelzen ist von Fachwerkarchitektur geprägt und weist zudem einige beachtliche Bauwerke der norddeutschen Backsteingotik auf. Ein Flyer zeigt uns einen Rundgang, dem wir bereitwillig folgen.
Wir folgen dem vorgechlagenen Rundgang durch die historische Innenstadt von Uelzen 'Auf Uhlenköpers Spuren Historisches entdecken':
Wir beginnen an der Stadtmauer beim modernen Rathaus. Sie wurde im Klosterziegelformat von 1381 bis 1386 errichtet. Die ursprüngliche Länge betrug 1.345m, Höhe 4,20m. 9 große und 11 kleine Mauertürme und 4 Stadttore hat es einmal gegeben: Lüneburger Tor, Veerßer Tor, Gudestor und kleines Mühlentor. Von 1792 bis 1800 wurden diese Befestigungen bis auf geringe Mauerreste abgetragen. Von den drei Stadtgräben vor der Mauer blieb nur der äußere an der Ringstraße erhalten.
Die Wurzeln der heutigen Stadt liegen in einer Siedlung im Umfeld eines Klosters des 10. Jahrhunderts, dessen Spuren sich im Ortsteil Oldenstadt finden lassen. Nach Unstimmigkeiten mit ihrem Grundherren, dem Bischof von Verden, zog ein Teil der Einwohner um 1250 kurzerhand an das Westufer der Ilmenau und gründete dort planvoll eine eigene Stadt, die 1270 mit allen dazugehörigen Rechten ausgestattet wurde. Im Jahre 1374 wurde Uelzen Mitglied der Hanse und erlebte bis zum 17. Jahrhundert eine stetige wirtschaftliche Blüte, bis im Jahre 1646 eine Brandkatastrophe weite Teile der Stadt vollständig vernichtete. Zeugnis eines raschen und tatkräftigen Wiederaufbaus legen noch heute zahlreiche ansprechende Fachwerkfassaden dieser Zeit ab. Im Jahre 1826 zerstörte ein erneuter Stadtbrand Teile der östlichen Altstadt. Schmerzliche Lücken riss schließlich der zweite Weltkrieg. Das heutige nebeneinander gotischer Bauwerke, neuzeitlicher Fachwerkbauten und moderner Gebäude ist ein Spiegelbild dieser einschneidenden Entwicklungen.
Auf der linken Seite der Veerßer Straße findet man die gegliederte Fassade eines gotischen Backsteinhauses, das so genannte "Gildehaus" (3). Sein Giebel ist verziert mit glasierten Ziegeln und Rankenwerk und gibt einen Eindruck davon, wie zahlreiche Häuser in der Zeit vor dem großen Brand von 1646 in Uelzen ausgesehen haben.
Um 1400 wurde der spätgotische Bau mit dem Staffelgiebel und den Blendarkaden errichtet, 1622-57 war das Haus im Besitz des Bürgermeisters Heinrich Wenmaring.
Wenige Meter weiter führt der Weg zur gotischen St.-Marien-Kirche (4) mit der 1350 gestifteten Ellerndorfkapelle.
St.-Marien-Kirche - der für die Größe der Stadt beeindruckende gotische Bau entstand in drei Phasen zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert. Geweiht und zur Pfarrkirche erhoben wurde St. Marien bereits im Jahre 1292.
Im Eingangsbereich, unter dem bis zur Kreuzspitze 85,69 m hohen Turm der Kirche findet sich links in einer Wandnische das Wahrzeichen der Stadt, das ..Goldene Schiff", das viele Rätsel hinsichtlich seiner Herkunft seines Alters und seiner einstigen Verwendung aufgibt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein ehemaliges Reliquiar.
Die dreischiffige Hallenkirche, ein schönes Zeugnis norddeutscher Backsteingotik, erhielt ihren vollen Umfang durch einige Ergänzungen: Nach der großen Pest wurde 1357die Apostelkapelle (Ellerndorfkapelle) angebaut. Bis 1385 kam der Hohe Chor mit Krypta (Unterkirche, die später einstürzte) dazu. Um etwa 1400 wurde der große Kirchturm erbaut, dessen Turmhelm 1646 und 1945 brennend einstürzte. In seiner heutigen Gestalt (von 1954) misst er 86,5 m und ist von allen Seiten auf weite Entfernung sichtbares Wahrzeichen Uelzens. 1430 wurde der Südseite des Turms die Dreikönigskapelle angegliedert. Seit 1530 diente sie bis in die Neuzeit als Bibliothek und wird heute als Andachtsraum genutzt.
Gegenüber dem Haupteingang der Kirche liegt die Propstei (5) mit ihrem Backsteingiebel mit glasierten Backsteinen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Hinter dem Chor von St.-Marien findet man das Ulenköperdenkmal (7). Das Geldstück in der Hand des Kaufmanns glänzt blank geputzt, weil viele Besucher es berühren; im Glauben, auf diese Weise immer genügend Geld in der Tasche zu haben.
Der Ulenköper
Eines Sonntags morgens ging ein Bauer durch Uelzen und trug einen Sack, da krabbelte etwas darin. Ein Kaufmann fragte ihn, was darin wäre. "Barftgans", antwortete der Bauer. Der Kaufmann verstand "Barkhahns" und zahlte ihm viel Geld auf die Hand für den Braten. Aber zu Haus flogen drei junge Eulen aus dem Sack. Der Kaufmann wurde ärgerlich und er klagte im Rathaus gegen den Bauern. Der aber sagte, er hätte Barftgans und nicht Barkhahns verkauft und Eulen gingen Tag und Nacht barfuß, ohne Schuh und Strümpfe. Der Richter lachte und gab ihm recht. Seit dieser Zeit heißen die Uelzener die Ulenköper.
Hoch unter der Dachtraufe des Chores von St. Marien entdeckt der aufmerksame Betrachter ein einzigartiges Fries aus glasierten Terrakotten (8), das eine Marienkrönung im Kreise von Heiligen darstellt.
Gegenüber liegend ragt der gotische Backsteingiebel der heutigen Ratsweinhandlung (9), dem ehemaligen Tanz- und Hochzeitshaus des Rates in den Himmel.
Wir nutzen die Gelegenheit zu einem kleinen herzhaften Snack (Flammkuchen) und probieren verschiedene Weine bei dem freundlichen Betreiber.
Die Eingangsfront des (alten) Rathauses, einem im Kern gotischen Backsteinbau, wurde von 1789 bis 1790 spätbarock überformt. Das Klassizistische Portal verweist auf die Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1270.
Von der Lüneburger Straße biegt die Hannemannsche Twiete (16) über den Hof einer ehemaligen Brauerei ab, an die die Gaststätte "Altes Bürgerliches Brauhaus" erinnert. Einst hatte das Brauwesen große Bedeutung für Uelzens Wirtschaft.
Weiter geht die Wanderung durch Uelzens Vergangenheit über die Lüneburger Straße hinunter in Richtung des einstigen Lüneburger Tores.
Auf der linken Straßenseite direkt an der Einmündung in die Hospitalstraße steht ein auf den ersten Blick unscheinbares kleines Fachwerkhaus (18), das aber tatsächlich eines der ältesten Bürgerhäuser Uelzens darstellt. Es wurde 1596 errichtet und überlebte die städtischen Brandkatastrophen.
Die linke Häuserzeile endet mit einem prachtvoll gestalteten Fachwerkbau, der im Jahre 1647 von einem Stadtarzt errichtet wurde und heute den Namen Uelzener Hof (19) trägt, den das Haus nach einem hier lange ansässigen Hotelbetrieb erhalten hat.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite fällt der Blick auf die Backsteinfassade der Heiligen-Geist-Kapelle (20). die einst zu einem Hospital gehörte. Erstmals erwähnt wurde der gotische Bau im Jahre 1321, im Jahre 1470 hat man den Chor angefügt. Im Inneren der Kapelle findet sich einer der größten Kunstschätze Uelzens in Gestalt farbenprächtiger Glasfenster, die um 1420 für die gotische Kapelle St. Viti gefertigt wurden und erst im 19. Jahrhundert in die Fenster der Heiligen-Geist-Kapelle eingefügt wurden. (Leider war die Kapelle zu unserer Besuchszeit geschlossen) Der eingetiefte Bereich entlang der Kapellenmauern erschließt das historische Bodenniveau der Stadt im 14. Jahrhundert.
Der eingetiefte Bereich entlang der Kapellenmauern erschließt das historische Bodenniveau der Stadt im 14. Jahrhundert.
Auf der linken Seite, dem Hofareal gegenüber, liegt ein zweistöckiges Fachwerkhaus (22) aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, das einst zu einem Adelshof innerhalb der städtischen Befestigung gehörte.
Jetzt geht es weiler geradeaus auf den Schnellenmarkt (23) zu, dem einzigen regelrechten Platz der Altstadt. Hier wurden vom Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert Topfmärkte abgehalten.
Geradeaus in der Verlängerung des Schnellenmarktes folgt die Wanderung durch vergangene Zeiten der Schmiedestraße (25), die gesäumt wird von nach 1826 entstandenen Fachwerkhäusern in klassizistischer Wirkung mit teilweise beachtenswerten Portalen.
Entlang des Ratsteichs (28), der 1643 am Ende des 30-jährigen Krieges im Zuge von Befestigungmaßnahmen führt uns der Weg langsam zurück zum Ausgangspunkt.
Richtet man nun den Weg am Ende des Ratsteiches wiederum nach rechts, so führt er über Schleuse und Wasserfall in die Mühlenstraße, der man nach links hin bis zum neuen Rathaus folgt.
Aufbruch: | 01.09.2012 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 09.09.2012 |