Heidschnucken und Backsteingotik
Pietzmoor
Nur wenige Kilometer von unserem Ferienhaus liegt zwischen Schneverdingen und Heber das etwa 2,5 Quadratkilometer große Pietzmoor.
GESTATTEN: MEIKE MOORSCHNUCKE!
Verwandt bin ich mit den Heidschnucken. Wir beweiden Flächen, die frei von Büschen und Bäumen gehalten werden sollen -Moor-schnucken im Moor und Heidschnucken auf der Heide. Diese Aufteilung hat auch einen guten Grund: Mich stört auch knietiefes Wasser nicht und aus den berüchtigten Moorlöchern kann ich mich selbst befreien. Heidschnucken können das nicht so gut. Doch wir kommen immer seltener zum Einsatz: Durch den Torfabbau sind die Moore immer kleiner geworden - oft zu klein für eine ganze Moorschnuckenherde. So sind wir inzwischen, wie die Moore selbst, etwas Besonderes - und gehören zu den gefährdeten Haustierrassen. Hier im Pietzmoor übernehmen die Heidschnucken unseren Job.
Übrigens: Wir haben im Gegensatz zu den Heidschnucken keine Hörner.
Hochmoore selten und wertvoll
Der Boden im Pietzmoor federt unter jedem Schritt. Das Wasser ist durch Huminsäuren braun gefärbt und sauer wie Essig. Die Stämme abgestorbener Bäume ragen bizarr aus dem Wasser in die Höhe. Besonders bei Nebel ist dies ein eindrucksvolles Bild.
Es handelt sich beim Pietzmoor um einen besonderen, extremen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Arten, die hier leben , sind hoch spezialisiert und können klaum anderswo existieren.
In den 7500 Jahren seiner Entstehung sind Spuren der Kulturgeschichte konserviert worden. Sie geben Aufschluss über das historische Leben in der Region. Intakte Moore leisten einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz. Trocken gelegte Hochmoore setzen das in ihnen gespeicherte Kohlendioxid (CO2) frei, nasse und wiedervernässte Moore binden es als so genannte CO2-Senken.
Nordische Moosjungfer
Nicht zuletzt betätigen sich die Torfmoose als hervorragende Wasserspeicher. Sie verzögern den Abfluss von Regenwasser und helfen, Überschwemmungen vorzubeugen.
Am Anfang war das Eis
Zwei gegebenheiten förderten die Entwicklung des Pietzmoores, als die letzte Eiszeit vor 800-10000 Jahren zu Ende ging. Die Muldenlage und ein anhezu wasserundurchlässiger Untergrund aus Ton. Niederschläge sammelten sich in der Senke, anstatt abzufließen.Wasserpflanzen und später dann Torfmoose gediehen unter diesen Umständen prächtig.
Tote Pflanzenreste konnten aufgrund fehlenden Sauerstoffs und großer Nährstoffarmut nicht vollständig abgebaut werden. Sie wurden in diesem sauren Milieu zu Torf umgewandelt und lagerten sich ab.
Dieser Prozess brauchte seine Zeit. Aus der anfallenden Biomasse entstand pro Jahr nur etwa ein Millimeter Torf Die Torfmächtigkeit liegt im Pietzmoor bei maximal 7,50 Metern - somit kann das Alter auf mindestens 7.500 Jahre geschätzt werden
Das Pietzmoor ist ein Hochmoor. Kennzeichnend dafür ist, dass es weitgehend nur aus nährstoffarmem Regenwasser gespeist wird. Lediglich im nördlichen Teil ist durch den Zustrom von Grundwasser auch die Nährstoffanreicherung größer. Auch Luftverschmutzungen tragen zu einem höheren Nährstoffeintrag bei.
Zwangsläufig veränderte sich die Vegetation. Pionierbaumarten wie Kiefern und Birken siedelten sich an. Anfang der 70er Jahre, als den Menschen die Bedeutung der ehemaligen Naturlandsschaft bewusst wurde, begannen Naturschützer mit der Wiedervernässung des Pietzmoores. Entwässerungsgräben wurden durch kleine Dämme angestaut und teilweise verfüllt. Kiefern und Birken starben - gewollt - wieder ab.Schließlich war es das Ziel, wieder ein intaktes Hoch moor zu entwickeln.
Wo blaue Frösche leben
Torfmoose beispielsweise schaffen es, nach oben zu wachsen und nach unten abzusterben. Weil die abgestorbenen Teile nicht
abgebaut werden, wächst das Moor über das Umgebungsniveau. Es wölbt sich mit der zeit hoch; deshalb der name Hochmoor.
Der Sonnentau zählt zu den faszinierendsten Pflanzen im Hochmoor. Er deckt seinen Nährstoffbedarf, indem er mit klebrigen Blättern Insekten fängt. Im Mai und Juni schön anzusehen ist das Wollgras. Seine Fruchtstände sehen aus wie weiße Wollbüschel.
Unter den Tierarten des Hochmoores befinden sich neben der Waideidechse und der Kreuzotter auch zahlreiche Libellenarten.
Hinzu kommen Vogelarten wie Waldwasserläufer, Krickente und Schwarzkehlchen. Eine besondere Spezies ist der Moorfrosch. Die Männchen verstehen es, Weibchen zur Paarungszeit im Frühling nicht nur mit einem Blubber-Konzert, sondern auch mit ihrer hellblauen Farbe zu beeindrucken.
Torf als Brennstoff
Intakte Hochmoore sind in Niedersachsen kaum noch vorhanden. Ihre ursprüngliche Fläche von ca. 2 500 km ist auf eine Fläche von ca. 250 km2 geschrumpft.
Einst galten Moore als unheimlich und unbrauchbar. Als aber Torf als Brennmaterial entdeckt wurde, änderte sich das. So gab es für den Zustand des Moores noch harmlose Handtorfstiche durch die Bauern
der Gegend schon im 16. Jahrhundert. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts aber zogen die Menschen Entwässerungsgräben und legten das Moor systematisch trocken, um Torf zu stechenund nutzen zu können. Bis 1960 wurde fast ein Viertel des Torfes im Pietzmoor abgebaut.
Nach den Renaturierungsmaßnahmen der 70er Jahre haben einige charakteristische Tier- und Pflanzenarten wieder den Weg in diese selten gewordene Landschaft gefunden. Sie alle sind auf ihre Weise Spezialisten darin, unter den Extrem-Bedingungen eines Hochmoores zu leben.
Zur Mittagszeit essen wir nochmals im Schäferhof, wo es uns am zweiten Abend schon so gut geschmeckt hat. Diesmal Schnuckenragout und Zanderfilet mit Pfifferlingen.
Aufbruch: | 01.09.2012 |
Dauer: | 9 Tage |
Heimkehr: | 09.09.2012 |