Libanon
Noch am warmlaufen
21.10.
So ein Blog ist was gutes, um niemanden mit Massenmails zu nerven, und um trotzdem alle aufregenden neuen Eindrücke teilen zu können, dachte ich, und jetzt schreibe ich so selten was! Und das liegt vor allem daran, dass die Eindrücke so neu und aufregend nicht sind.
Ich habe Alltag! Ich geh zur Uni, treffe auf dem Campus und in den Kursen nette Leute, lerne Arabisch und was über Minderheiten und Arab Images in Western Media, lerne arabisch mit Ben, gehe mit Clara laufen, treffe ganze Rudel von hungrigen Studierenden zum Mittagessen (meistens off campus, weil die Cafete nicht ganz Mensapreisen entspricht), gehe nach Hause, ärger mich, dass ich nach Hause und nicht in die Bib gegangen bin, weil schon wieder eine viel zu soziale Atmosphäre herrscht (mein Zimmer liegt zwischen Wohnzimmer und Balkon und ich kann einfach nicht anders, als mich zu den lachenden, gekocht habenden Mitbewohnern zu setzen), dann geht man in eine Kneipe in der Nähe oder fährt manchmal nach Rue Monot, die Kneipenmeile der Innenstadt, oder Uni-Freunde kommen vorbei, die auf dem Campus mit Alkoholverbot wohnen, so plätschern hier die Tage vor sich hin.
Vieles finde ich einfach nicht mehr so beschreibenswert: Die Bürokratie, den Verkehr, Antisemitismus, die räudigen Katzen, die Muezzine, freitags die betenden Männer vor den Moscheen, die hungrigen Ramadan-Gesichter, die Gastfreundschaft, die Diskrepanz zwischen Müllsammler und Schicki-Elite. (Oder doch: Es gibt hier ein ganz abgefahrenes Statussymbol, dass ich beim Semesteranfang ständig gesehen habe: Der Nasenverband! Mehrere Mädels trugen stolz ein Pflaster auf der Rübe oder hatten sogar noch Hämatome unterm Auge. Diese rühren NICHT von prügelnden Ehemännern her, wie eine Leserin dieses Berichtes vermutete, sondern von SCHÖNHEITSOPERATIONEN. Die sind hier voll schick. Zum Abi gibts ne neue Nase. Die Operationen finden meistens in den Sommerferien statt, damit man die Blutergüsse, die eine OP im Gesicht mit sich bringt, nicht mehr so doll sieht, aber noch das Pflaster, das signalisiert: "Ich hab mich operieren lassen." Wenn zwei Frauen eine ähnliche Nase haben, weist das in Beirut angeblich nicht auf Verwandtschaft hin, sondern nur auf denselben Arzt.)
Die Viertel, in denen ich meistens bin, nämlich Hamra und Ashrafiya, gelinde gesagt, westorientiert. Zum Beispiel kuckt mir auf der Straße keine Sau nach! Wirklich niemand! Bis jetzt hat mich noch kein Taxifahrer nach Visa oder Heiraten gefragt!
Aber wenn euch was Bestimmtes interessiert, haut rein und schreibt ne Mail, dann wird erzählt!
Aufbruch: | 15.09.2005 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | Februar 2006 |