Libanon

Reisezeit: September 2005 - Februar 2006  |  von Karolin S

Wahlkampf

24.10.

An der AUB wird nächste Woche gewählt und das ist eine große Sache: Die Studentengruppen repräsentieren fast ausnahmslos Parteien der großen Politik, und es soll im nationaler Ebene schon zu Koalitionen gekommen sein, weil sich diese in der AUB bewährt haben. Überhaupt ist die Uni ein Brutkasten für politische Bewegungen. Eine der ersten Palästinenserorganisationen hat sich hier gegründet, und auch Rafiq al-Hariri hatte mit der Uni zu tun.
Offiziell sind Parteiaktivitäten auf dem Campus verboten, was ich ok finde. Andererseits lässt sich die Parteipolitik nicht einfach ausschalten, sondern die Gruppen bleiben institutionell mit den Parteien verbunden und benennen sich um, neu Studenten dürfen dann raten, mit wem sie es zu tun haben: Der "Freedom Club" zum Beispiel repräsentiert FPM (Free Patriotic Movement, das Hariri unterstützt) und der "Cultural Club of the South" die Hizbollah. Weil das kein Stück transparent ist, habe ich meine Meinung sofort wieder geändert und bin jetzt dafür, Parteien in der Uni zuzulassen. Das westdeutsche System, wo z.B. jeder weiß, dass RCDS zur CDU gehört, wäre vielleicht nicht verkehrt.
Die einzige unabhängige (wenngleich mit manchen linken, säkularen Bewegungen sympathisierende) Gruppe heißt "No Frontiers", das ist die Gruppe wegen der meine libanesischen Freunde tiefe Augenringe spazieren tragen, denn sie sind sehr im Wahlkampf engagiert. Beispielsweise stecken Hratch und Mansour die Köpfe über einer Namesliste zusammen, auf der alle Master-Studenten der geisteswissenschaftlichen Fakultät stehen. Sie besprechen, wer wen persönlich kennt und wie man wann mit wem ein persönliches Gespräch führen könnte, um für die ihre Liste zu werben. Als "Special Student not Working for a Degree" (vergleichbar mit Erasmus-Status) darf ich nicht wählen. Das ist schade, weil man ja gerne von demokratischen Rechten Gebrauch macht, aber immerhin sind wir Specials uns sicher, dass die Jungs und Mädels von "No Frontiers" nicht mit Wahlkampfgesprächen im Hinterkopf mit uns rumhängen!
Diese Jungs und Mädels, mit denen ich hier abgesehen von den Austauschstudenten und meiner WG rumhänge, sind sehr schlaue, politische Leute. Interessanterweise kenne ich in dem Grüppchen einen Maroniten, eine Sunnitin, eine Drusin, einen Syrisch-Orthodoxen und einen Armenier. Die sind nicht nur gegen das konfessionelle System, sondern leben ihre Prinzipien sogar!

© Karolin S, 2005
Du bist hier : Startseite Asien Libanon Wahlkampf
Die Reise
 
Worum geht's?:
Ich studiere Arabistik in Leipzig, verlege jetzt aber meinen Studienort für ein Semester nach Beirut.
Details:
Aufbruch: 15.09.2005
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: Februar 2006
Reiseziele: Libanon
Der Autor
 
Karolin S berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors